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Stärke zeigen. Bei der anstehenden Europameisterschaft hat Bundestrainer Christian Prokop mit der Handball-Nationalmannschaft große Ziele. Das Auftaktspiel bestreitet sein Team am Donnerstag in Trondheim gegen die Niederlande.

© dpa

EM-Auftakt gegen die Niederlande: Trondheim, Wien, Tokio – die Handballer wollen zu Olympia

Bei der Europameisterschaft in Norwegen, Österreich und Schweden wollen die deutschen Handballer für ihren Sport werben und sich für Olympia qualifizieren.

Bevor es richtig losgeht, haben sich alle noch einmal an einem großen Tisch zusammengefunden. Auf den letzten Metern der EM-Vorbereitung sind Deutschlands Handball-Nationalspieler am Montagabend ausgegangen: In Wien, dem Austragungsort des finalen Testspiels gegen Österreich (32:28), stand ein gemeinsames Abendessen auf dem Programm.

Keine 24 Stunden später landete die Mannschaft von Christian Prokop in Trondheim, wo sie am Donnerstag (18.15 Uhr, live im ZDF) gegen die Niederlande ihr erstes von insgesamt drei Vorrundenspielen bestreitet. „Es geht jetzt bei null los“, sagt der Bundestrainer ein Jahr nach der Weltmeisterschaft in Deutschland und Dänemark, die seinerzeit mit einer Niederlage im kleinen Finale gegen Frankreich ihr Ende fand. „Wir können uns für die Vergangenheit und die emotionale Heim-WM nicht mehr viel kaufen“, ergänzt er.

Dafür steht perspektivisch viel auf dem Spiel – für das Nationalteam im Allgemeinen und für den Stellenwert sowie die öffentliche Wahrnehmung der Sportart in Deutschland im Speziellen. „Man kann entweder feststellen, dass wir mittlerweile die klare Nummer zwei hinter König Fußball sind oder eben die Hallensportart Nummer eins“, sagt Bob Hanning, der Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB). „Das haben wir uns mit mitreißenden Auftritten bei der Weltmeisterschaft verdient – und diesen Vorsprung wollen wir jetzt natürlich auch verteidigen.“

Kurz vor Weihnachten etwa machte eine bemerkenswerte Nachricht die Runde, die Hannings Thesen mit Zahlen untermauerte und in der DHB-Zentrale für einige Begeisterung gesorgt haben dürfte: Die meistgesehene Sportsendung des Jahres 2019 war demnach keine Fußball-Übertragung, sondern ein Handballspiel. 11,901 Millionen Menschen verfolgten im Januar in der ARD das verlorene WM-Halbfinale gegen Norwegen – damit saßen knapp 100 000 Menschen mehr vor den Fernsehgeräten der Republik als beim EM-Qualifikationsspiel der Fußballer im März gegen die Niederlande auf RTL.

2012 lag die Sportart am Boden

Als Hanning und seine Kollegen vor sieben Jahren ins Präsidium des weltweit mitgliederstärksten Handballverbands gewählt wurden, lag die Sportart so gut wie am Boden. 2012 in London hatte die Nationalmannschaft zum ersten Mal in ihrer Geschichte die Teilnahme an den Olympischen Spielen verpasst. Zudem war die Rechtesituation auf dem Fernsehmarkt lange Zeit ungeklärt, die sportliche Perspektive mit Fragezeichen versehen. Das hielt die Entscheidungsträger allerdings nicht davon ab, extrem ambitionierte Ziele auszugeben. Man einigte sich auf die Formulierung, dass Deutschlands Handballer bei den Spielen 2020 in Tokio um die Goldmedaille mitspielen mögen.

Die EM, die in Österreich, Norwegen und Schweden stattfindet, stellt nun gewissermaßen einen Probelauf unter Wettkampfbedingungen für die Aufgaben in den kommenden Monaten und die Spiele von Tokio dar, auf die der DHB so lange hingearbeitet hat. „Es ist ein zentrales Jahr mit drei wichtigen Wettbewerben: zuerst die EM, dann die Qualifikation für Olympia und schließlich die Spiele selbst“, sagt Hanning. Sollte Prokops Mannschaft das Finale in Stockholm am 26. Januar erreichen und dieses siegreich gestalten, wäre sie direkt für Japan qualifiziert.

Ein weiteres Szenario für den direkten Sprung: Deutschland unterliegt im EM-Endspiel dem bereits qualifizierten Weltmeister Dänemark. Andernfalls müsste die DHB-Auswahl eine Ehrenrunde drehen und den Weg über das olympische Qualifikations-Turnier gehen, das vom 17. bis 19. April in der Berliner Max-Schmeling-Halle ausgetragen wird. Aus dem Feld mit zwei weiteren europäischen und einem afrikanischen Team schaffen zwei Teilnehmer die Olympia-Qualifikation. „Ja, wir wollen in Tokio eine Medaille erreichen, aber es ist ein übergeordnetes Ziel einer Leistung, die wir erstmal erbringen müssen“, sagt Bundestrainer Prokop. „Jetzt steht erst mal die EM im Vordergrund.“

In 17 Tagen durch Europa

Wenn es die Deutschen tatsächlich bis ins Halbfinale schaffen sollten, werden sie in jedem Fall einige tausend Kilometer im Flugzeug zurücklegen müssen. Trotz der nachweislich hohen Belastung und der erneut enormen Anzahl von Verletzungen im Vorfeld des Turniers – Prokop etwa muss auf sieben Rückraumspieler verzichten, die er gern mitgenommen hätte – sind die hohen Herren beim Kontinentalverband EHF auf die glorreiche Idee gekommen, das Turnier 2020 weiter aufzublasen: Statt des bisher üblichen 16 Teilnehmer-Nationen treten diesmal sogar 24 Mannschaften an. Das führt nicht nur zu einem veränderten Modus, sondern vor allem zu erheblichem Reisestress. Team Germany etwa startet mit drei Vorrundenspielen in Trondheim, fliegt anschließend für vier Hauptrundenspiele nach Wien und müsste für ein potenzielles Halbfinale respektive Finale nach Stockholm – alles innerhalb von 17 Tagen.

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