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Aus EM 2020 wird EM 2021.

© Facundo Arrizabalaga/EPA/dpa

EM 2020 wegen Coronavirus im Sommer 2021: Die Krise ist die Chance, den absurden EM-Plan zu überdenken

Die EM 2020 war das große Projekt von Michel Platini. Die Idee eines paneuropäischen Turniers war auch ohne das Coronavirus schon weltfremd. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Michael Rosentritt

Die Fußball-Europameisterschaft 2020 wird nicht wie geplant stattfinden, also in diesem Sommer vom 12. Juni bis 12. Juli. Sie soll - wenn überhaupt - im Sommer 2021 stattfinden. Das ist eine harte und zugleich erwartbare Entscheidung, weil es zu ihr keine Alternative gibt. Nicht in Zeiten wie diesen, in denen das normale Leben auch in Europa gerade zum Erliegen kommt. Und für Wochen, wenn nicht Monate auch so bleibt.

Aber was war schon normal an diesem paneuropäischen Turnier. Erdacht vom früheren Uefa-Präsidenten Michel Platini, durchgesetzt 2014 von seinen Gefolgsleuten in der europäischen Fußballzentrale. Es war eine maximal nette Idee, aber auch eine weltfremde. Ja, 2020 sollte das Erbe des für einige Jahre für den weltweiten Fußball gesperrten Franzosen vollends zum Tragen kommen. Sein erster mehr als kritikwürdiger Gedanke wurde bereits bei der EM 2016 in seinem Heimatland umgesetzt, die Aufstockung der EM-Endrunde von bewährten 16 teilnehmenden Nation hin zu 24. Derzeit gehören 55 Landesverbände der europäischen Fußball-Union an. Also beinahe die Hälfte aller Mitgliedsnationen waren dabei, was das Turnier unnötig in die Länge zog und auf der Strecke verwässerte.

5500 Kilometer zwischen zwei Spielorten

Die kleineren Fußballnationen, die nun erstmals eine reelle Chance auf eine EM-Runde bekamen, dankten es ihm mit Stimmen. Platinis zweiter Gedanke war, in diesem Jahre die EM quer über den gesamten Kontinent ausspielen zu lassen, in elf europäischen Ländern und in einem asiatischen Land, in Aserbaidschan.

Nur zwei Beispiele, um den Aberwitz in der Konstruktion der Euro 2020 aufzuzeigen: Allein die Entfernung zwischen den beiden Spielorten Bilbao und Baku beträgt 5500 Kilometer. Und: Der Sieger des Viertelfinals von Baku müsste für das Halbfinale in London drei Zeitzonen passieren. Das braucht und will auch niemand. Und das hat mal nichts mit der Coronavirus-Krise zu tun.

Platini selbst bezeichnete diese Idee einst als romantisch. Es ist wohl eher ein romantischer Horror, die teilnehmenden Mannschaften und Millionen von Fans abertausende Kilometer durch Europa zu schicken. Die augenblickliche Lage macht die Angelegenheit nicht besser.

Bei dieser Gelegenheit sollte man die Chance nutzen, um auch noch einmal ernsthaft über einen nicht kleineren Unfug ernsthaft nachzudenken und ihn möglichst zu korrigieren – die WM 2022 im Wüstenemirat Katar. Die soll wegen der – Überraschung – klimatischen Verhältnisse kurz vor Weihnachten ausgetragen werden. Es ist sozusagen das Spätwerk des früheren Fifa-Präsidenten Sepp Blatter gewesen, der ebenfalls jahrelang für alle mit dem Fußball verbundenen Tätigkeiten gesperrt wurde.

Beide Entscheidungen zeigen, wie weit die ehemaligen Funktionsträger des internationalen Fußballs sich von der Lebenswirklichkeit entfernt hatten. Nun ist es an der Zeit, dem gangsterhaften Denken und Verhalten endlich Einhalt zu gebieten. Um nicht missverstanden zu werden: Fußball ist eine große und schöne Sache für Millionen von Menschen. Doch gerade hat die Welt – und mit ihr Europa – andere, grundsätzlichere Probleme.

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