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Weltmeister für fünf Minuten. Die finnischen Spielerinnen freuen sich - zu früh.

© Mikko Stig/AFP

Eishockey-WM in Finnland: Der Videobeweis als Killer der Romantik

Die Finninnen jubeln bei der WM in Espoo schon über den Titel. Doch die Technik zerstört das Eishockey-Märchen. Ein Kommentar.

Es war ein Traum in Blau und Weiß, die hüpfende Traube mit den Spielerinnen, das wackelnde Plexiglas oberhalb der Bande, die ekstatisch feiernden Zuschauer in der Arena von Espoo. Ein Eishockeymärchen, ein Erdrutsch im Eishockey. Petra Nieminen hatte im Finale nach exakt 71:33 Minuten das Siegtor für Finnlands Frauen zum 2:1 gegen die USA geschossen. Die Zuschauer feierten am späten Sonntagabend den ersten weiblichen Eishockey-Weltmeister aus Europa. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten stets die übermächtigen Teams aus Kanada und den USA die Titel unter sich ausgemacht. Jetzt endlich war die Dominanz durchbrochen, eine Revolution - das Eishockey der Frauen würde nun auch endlich außerhalb Nordamerikas wahrgenommen. Es war ein großer Sieg für die finnischen Frauen und für das Eishockey, und es gab ...

Videobeweis.

Videobeweis. Der Killer aller Romantik. Die Schiedsrichterin löste die finnische Jubeltraube auf, telefonierte gefühlt drei Stunden mit dem Videoschiedsrichter und entschied wenig später auf - kein Tor.

Natürlich waren sie fassungslos, die Zuschauer, und buhten minutenlang. Natürlich kann frau so entscheiden, dem Treffer von Petra Nieminen war eine Situation vorausgegangen, die als Behinderung der amerikanischen Torfrau gesehen werden kann. Es ist Interpretation. Bei einer ähnlichen Szene wurde vor wenigen Tagen in den Play-offs der Deutschen Eishockey-Liga auch auf kein Tor entschieden - woraufhin der ansonsten oft sehr besonnene Trainer von RB München, Don Jackson, ausrastete. Was wiederum die Sensibilität so einer Entscheidung zeigt.

Am Ende des Finales siegten die USA dann am Sonntag in einem schnöden Penaltyschießen. Die finnische Torfrau Noora Räty sagte: „Heilige Kuh. Wir waren Weltmeister, und die haben uns das weggenommen.“

Der Eishockeyweltverband sah es unromantisch anders und feierte auf all seinen virtuellen Kanälen genüsslich die Siegerinnen ab. Sicher, die USA hatten vielleicht verdient gewonnen, aber das Eishockey und sein ungeschickter Weltverband hatten verloren an diesem Abend und perspektivisch vielleicht doch gewonnen: Die Revolution ist nur verschoben, das internationale Niveau gleicht sich immer mehr an. Bald werden die Weltmeisterinnen aus Europa kommen.

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