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Stephane Richer, 51, wurde als Spieler viermal Meister mit Mannheim. Für die Hamburg Freezers arbeitete er als Trainer, Co-Trainer und zuletzt Sportdirektor. In dieser Funktion ist er seit Mai für die Eisbären tätig.

© Claus Vetter

Eisbären-Sportdirektor im Interview: Stéphane Richer: "Wir brauchten einen kleinen Umbruch"

Sportchef Stéphane Richer über die neue Saison der Eisbären, die Abhängigkeit von den Los Angeles Kings und sein Leben in Deutschland.

Herr Richer, seitdem Sie als Sportdirektor für die Eisbären arbeiten, haben Sie viel bewegt. Gefühlt ist zuletzt jede Woche ein Spieler gekommen oder gegangen.

Aktuell planen wir nichts mehr. Der Kader ist komplett. Und wir sind zufrieden mit dem, was wir bisher geschafft haben.

Neun Spieler haben den Klub verlassen, sieben sind gekommen. Dazu gibt es neue Co-Trainer. Für Eisbären-Verhältnisse ist das fast eine kleine Revolution.

Tatsächlich ist viel passiert. Wir haben die vorige Saison analysiert und sind dabei zu dem Schluss gekommen, dass wir einen kleinen Umbruch brauchten. Natürlich sind Veränderungen nicht immer einfach, gerade wenn es um verdiente Spieler geht.

So wie beispielsweise Laurin Braun.

Genau. Er war lange Zeit bei den Eisbären. Aber vielleicht ist es jetzt ganz gut für ihn, eine neue Herausforderung zu suchen. Gleiches gilt für Barry Tallackson, dessen Vertrag wir aufgelöst haben.

Wie groß ist das Risiko, dass der Verein mit diesem Umbruch eingeht?

Natürlich muss sich die Mannschaft erst einmal finden – und jeder seine Rolle im Team. Dazu haben alle sechs Wochen Zeit in der Vorbereitung. Es wird nicht von Anfang an alles klappen, das ist ein Prozess. Wir glauben, dass wir eine gute Mannschaft zusammen haben, mit der wir uns direkt für die Play-offs qualifizieren können. Aber wir wissen auch, dass die Deutsche Eishockey-Liga sehr eng ist und dass viele Faktoren eine Rolle spielen.

In der vergangenen Spielzeit hatten die Eisbären sehr viel Pech mit Verletzungen.

Und deswegen haben wir die Mannschaft vor allem in der Breite verstärkt. Wir haben neben den drei Torhütern jetzt acht Verteidiger, dazu 13 Stürmer und drei Spieler mit Förderlizenz. Aber wenn sich vier, fünf wichtige Spieler verletzen, ist es nie leicht, das zu kompensieren. Insgesamt glauben wir aber schon, dass wir gute Chancen haben, zu den Topmannschaften zu gehören.

Was heißt das konkret?

München bleibt der Topfavorit, aber wir haben in den Play-offs gezeigt, dass wir mit denen durchaus mithalten können. Mannheim, Köln, Nürnberg sind ebenfalls stark. Und Wolfsburg muss man auch immer auf dem Zettel haben. Dazu gibt es meistens eine Überraschungsmannschaft.

Können denn die Eisbären finanziell mit den genannten Klubs überhaupt noch mithalten?

Ich rede nicht über unser Budget, aber es ist auch nicht so klein. München ist eine Ausnahme. Wenn die etwas tun wollen, dann machen sie das auch. Aber insgesamt ist der Unterschied zwischen ganz oben und ganz unten in der DEL auch nicht so riesig, wie es vielleicht scheint.

Auffällig ist, dass Sie bei den Neuverpflichtungen vor allem auf erfahrene Spieler gesetzt haben.

Wir haben immer noch ein sehr junges Team. Und wenn man sich die DEL anschaut, dann ist das eine alte Liga. Viele unserer Ausländer sind noch unter 30. Und auch bei den deutschen Spielern haben wir viele junge. Denken Sie nur an Jonas Müller und Kai Wissmann, es gibt kein anderes Team in der Liga, das zwei so junge deutsche Verteidiger aufbietet. Insgesamt muss die Mischung aus Jung und Älter stimmen.

Wie intensiv stimmen Sie sich bei den Neuverpflichtungen mit Trainer Uwe Krupp ab?

Die letzte Entscheidung treffe ich. Aber ich war immer ein Mannschaftsspieler. Uwe ist informiert, er weiß, was ich plane. Genau wie Stefan Ustorf und Peter John Lee.

Von den verpflichteten Ausländern verfügt nur Danny Richmond über DEL-Erfahrung. Sehen Sie darin ein Problem?

Okay, Sean Backman wird sich erst an die größere Eisfläche hier gewöhnen müssen. Aber die anderen haben alle schon in Europa gespielt. Und alle Spieler, die aus Nordamerika rüberkommen, kennen heutzutage die DEL. Die müssen nur kapieren, dass sie nicht wie in der AHL in einer Ausbildungsliga spielen. Bei uns ist jedes Spiel wichtig.

Früher war das anders.

Als ich nach Europa gekommen bin, hatte ich keine Ahnung, was mich erwartet. Es gab kein Internet, das darf man nicht vergessen.

Aber für die Kanadier oder US-Amerikaner, die eigentlich von der NHL geträumt haben, ist es doch ein Abstieg, wenn sie nach Europa wechseln.

Du kannst hier eine wunderbare Karriere haben. Meine NHL war in Deutschland. Ich habe hier den meisten Erfolg gehabt, mein Trikot hängt in Mannheim unter dem Hallendach. Das ist das Größte, was du als Spieler erreichen kannst.

Sie dürfen weiterjubeln. Louis-Marc Aubry (links) und Jens Baxmann bleiben den Berlinern erhalten. In der kommenden Woche steigen sie mit dem Team der Eisbären wieder ins Training ein.
Sie dürfen weiterjubeln. Louis-Marc Aubry (links) und Jens Baxmann bleiben den Berlinern erhalten. In der kommenden Woche steigen sie mit dem Team der Eisbären wieder ins Training ein.

© Soeren Stache/dpa

Und jetzt sind Sie Sportdirektor beim DEL-Rekordmeister. Wie gefällt es Ihnen in Berlin?

Gut. Es war bisher ein schöner Sommer, natürlich mit viel Arbeit. Ich habe alle Mitarbeiter jetzt kennengelernt. Inzwischen ist es auch anders als im Januar, als ich hierhergekommen bin. Da war ich meist in der Eishalle, jetzt bin ich jeden Tag in der Geschäftsstelle. Ich fühle mich hier sehr wohl, auch wenn ich noch gar nicht so viel von der Stadt gesehen habe.

Hängt Ihr Herz noch an Hamburg?

Ja, zumal meine Familie in Hamburg lebt. Meine mittlere Tochter hat in Hamburg eine Ausbildung gemacht, sie arbeitet auch da. Die Jüngste ist dort zur Schule gegangen, sie spielt sogar Handball – ein ziemlich deutscher Sport.

In Sachen Eishockey lief es für Hamburg nicht so gut.

Ich finde es immer noch schade, dass es mit den Freezers zu Ende gegangen ist. Aber so ist das im Geschäft. Mir hat es Riesenspaß in Hamburg gemacht. Es ist ein toller Eishockeystandort und vielleicht kommt ja irgendwann wieder jemand mit Geld. Aber jetzt bin ich in Berlin und muss nach vorne schauen.

Was sind die größten Unterschiede zwischen Eisbären und Freezers, wo sie unter anderem auch als Sportdirektor gewirkt haben?

Hier ist alles ein bisschen größer. Schon allein was die Geschäftsstelle angeht. Ansonsten gibt es schon aufgrund des Eigentümers Anschutz viele Gemeinsamkeiten. Die Abläufe sind ähnlich wie früher.

Die Eisbären sind gewissermaßen zum Erfolg verpflichtet. Erst recht nach zuletzt mehreren schwachen Jahren. Auch die Fans könnten ungeduldiger werden, wenn es wieder nicht läuft.

Wir hoffen natürlich, dass es von Anfang an gut läuft. Aber wir haben eine neue Mannschaft, das kann ein wenig dauern. Trotzdem ist unser Ziel, mehr Tore zu schießen als zuletzt – auch damit unsere Fans Spaß haben, wenn sie zu uns kommen. Und wenn die Zuschauer sehen, dass die Spieler alles geben, dann werden sie auch Geduld haben.

Druck gibt es aber nicht nur von den Fans, sondern auch vom Eigentümer. Wie gehen Sie damit um?

In unserem Geschäft hat man immer den Druck, gewinnen zu müssen. Damit müssen wir umgehen. Und es ist ja auch ein gutes Zeichen, wenn der Eigentümer Erfolg haben möchte und dafür entsprechende Veränderungen mit anstößt.

Sie sind gut befreundet mit Luc Robitaille, der nicht nur Präsident der Los Angeles Kings ist, sondern auch Aufsichtsratschef der Eisbären. Wie kurz ist der Draht da speziell für Sie?

Die Kommunikation übernimmt eher Peter John Lee als Geschäftsführer. Ich rede natürlich auch mit Luc, aber das passiert jetzt nicht jeden Tag. Seine Vorstellungen sind klar: So wie die Los Angeles Kings Eishockey spielen, um Meister in der NHL zu werden, sollen auch wir das mit den Eisbären in der DEL schaffen.

Es gibt Menschen, die in den Eisbären nur noch ein Farmteam der Kings sehen.

Es war doch immer so, dass die Anschutz Entertainment Group Besitzer der Eisbären und der LA Kings war. Jetzt ist die Verbindung nur direkter geworden, was ja eigentlich besser für uns ist. Sehen Sie unseren Neuzugang Sean Backman. Der ist nur zu uns gewechselt wegen der Kings. Er hätte auch woanders hingehen können und dort vielleicht auch mehr Geld verdient. Aber er ist nach Berlin gekommen wegen unserer Verbindung. Oder unser neuer Co-Trainer Clement Jodoin. Wenn bei dem ein Luc Robitaille anruft, ist das natürlich etwas ganz anderes. Und das hilft uns.

Die Eisbären haben also nichts an Eigenständigkeit verloren im Vergleich zu früher?

Nein. Die Eisbären haben ihre eigene Identität und das wissen sie auch bei den Kings. Wir treffen immer noch unsere eigenen Entscheidungen.

Das Gespräch führten Jörg Leopold und Claus Vetter.

Stéphane Richer, 51, ist seit Mai Sportdirektor bei den Eisbären Berlin. Das Amt hatte er zuvor schon

in Hamburg bekleidet. Als Spieler war er mit Mannheim viermal Meister.

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