zum Hauptinhalt
Dickes Fell. Doch auch Eisbären-Trainer Stephane Richer lassen die Pfiffe nicht kalt.

© imago/Eibner

Eisbären Berlin: Trainer Stéphane Richer: "Natürlich tun die Pfiffe weh"

Vor den Pre-Play-Offs spricht Trainer Richer über die schwache Hauptrunde der Eisbären. Für den Unmut der Fans zeigt er Verständnis. Ein Interview.

Stéphane Richer, Sie wurden auch vor den Heimspielen am vergangenen Wochenende wieder von Teilen der eigenen Fans ausgepfiffen. Wie gehen sie mit dieser Art Kritik um?

Das gehört zum Job. Und besser sie pfeifen mich aus als die Mannschaft. Es gibt immer Leute, die unzufrieden sind und die Fans haben das Recht, das zu zeigen. Ich kann nur weiter arbeiten und alles geben und hoffen, dass die Mannschaft weiter so gut spielt wie zuletzt.

Was machen die Pfiffe mit Ihnen persönlich? Tut das nicht weh?

Natürlich tut es weh. Ich bin ein Mensch, der alles gibt für den Verein. So war ich als Spieler und so bin ich als Sportmanager oder Trainer.

Können die Pfiffe auch etwas mit Ihrer Zeit in Hamburg zu tun haben? Immerhin gehörten die Freezers auch der Anschutz-Gruppe und wurden wegen Misserfolgs abgewickelt.

Stéphane Richer hat das Aus der Freezers nicht zu verantworten, das war eine Business-Entscheidung. Bis heute tut mir das für Hamburg und das Eishockey leid. Und ich möchte bei den Eisbären noch lange arbeiten, vielleicht so lange wie ein Peter John Lee.

Sie haben zuletzt öffentlich Fehler zugegeben und Besserung gelobt. Was war Ihrer Meinung nach das Hauptproblem in dieser Saison?

Das ist kein Geheimnis: Es waren die Verletzungen. Das ist auch keine Ausrede, das sind Fakten. Wir haben die Saison schon mit fünf Verletzten begonnen. Dazu fehlte auch noch Constantin Braun. Und dann wurden das im Laufe der Saison mehr und mehr.

Aber beim Meister in München gab es doch auch immer wieder große Verletzungsprobleme und trotzdem hat es Don Jackson mit dem Team auf Platz zwei und ins Finale der Champions Hockey League geschafft.

Das kann man aber nicht mit unserer Situation vergleichen. München hatte durchschnittlich vier oder fünf Ausfälle, wir sind bei sieben.

München hat in der Not viele junge deutsche Spieler eingebaut.

Das stimmt sicherlich. Vielleicht sind die jungen Spieler in München auch weiter als unsere Talente. Aber ein Kai Wissmann ist bei uns Stammspieler und nicht Aushilfe, wenn jemand verletzt ist. Natürlich müssen wir uns in der Nachwuchsarbeit verbessern. Aber das alles ist auch eine Frage des Geldes. Und es gibt in dem Bereich viel mehr Konkurrenz in Deutschland als noch vor zehn Jahren.

Welche Rolle spielte Ex-Trainer Clement Jodoin für die Krise bei den Eisbären?

Er hat viel geändert am System. Dazu war die Beziehung zur Mannschaft problematisch, gerade zu den wichtigen Spielern. Deswegen sind wir damals zu dem Entschluss gekommen, einen neuen Input zu geben.

Warum hat man denn nach der erfolgreichen letzten Saison nicht versucht, Uwe Krupp zu halten?

Uwe hatte ein Angebot von uns bekommen und darauf nicht reagiert. Er hat dann in Prag unterschrieben. Da war Clement für uns die nahe liegende Lösung.

Aber wieso haben Sie das Dilemma mit Jodoin nicht kommen sehen, schließlich war er doch schon lange genug im Klub?

Er hat ein Jahr erfolgreich als Co-Trainer unter Uwe Krupp gearbeitet. Wir hätten nicht gedacht, dass er als Chefcoach so viel ändert, nicht nur am System, sondern auch in Sachen Trainingsmethodik. Dann kam der Saisonstart und wir haben einfach keine Konstanz gehabt.

"Heute wollen wissen, warum etwas gemacht werden soll"

Stephane Richer, 52, wurde als Spieler viermal Meister mit Mannheim. Für die Hamburg Freezers arbeitete er als Trainer, Co-Trainer und zuletzt Sportdirektor. In dieser Funktion ist er seit Mai 2017 für die Eisbären tätig. Seit Dezember ist er zusätzlich Cheftrainer in Berlin.
Stephane Richer, 52, wurde als Spieler viermal Meister mit Mannheim. Für die Hamburg Freezers arbeitete er als Trainer, Co-Trainer und zuletzt Sportdirektor. In dieser Funktion ist er seit Mai 2017 für die Eisbären tätig. Seit Dezember ist er zusätzlich Cheftrainer in Berlin.

© Kai-Uwe Heinrich

Dann haben Sie sich die Schlittschuhe wieder angeschnallt.

Ich wollte ganz nah dran sein an der Mannschaft, um zu sehen, wo das Problem liegt. Das, was ich als Trainer mitbekommen habe, wird mir auch als Sportdirektor später noch helfen. Wir wollten auch nicht nur einen Trainer für zwei Monate holen, sondern wollen dauerhaft den richtigen finden. Und das soll einer sein, der unsere Philosophie umsetzt.

Die da wäre?

Ich bin seit zwei Jahren Sportdirektor und seitdem arbeiten wir an einer Neuausrichtung. Schon zu Beginn meiner Amtszeit gab es einen Schnitt mit Auflösungsverträgen für einige Spieler und dem Tausch Thomas Oppenheimer gegen Darin Olver. Dann hatten wir letztes Jahr Erfolg und haben gesagt, dass wir im Sommer nichts machen. Aber jetzt sehen wir, dass wir mit unserem ursprünglichen Plan weitermachen müssen. Das bedeutet, die Mannschaft zu verjüngen und eine neue Generation zu entwickeln. So wie in der erfolgreichen Eisbären-Ära auch: Mit talentierten Deutschen und starken Ausländern.

Wie schaffen Sie es denn, ihre Jobs als Trainer und Sportdirektor unter einen Hut zu bringen?

Das geht grundsätzlich schon, aber langfristig ist das keine Lösung. Auf der Geschäftsebene habe ich viel Unterstützung von Peter John Lee und Stefan Ustorf. Und auch dem Eis habe ich mit Gerry Fleming und Steffen Ziesche zwei gute Co-Trainer. Aber das ist kurzfristig, nächste Saison werden wir einen neuen Trainer haben.

Was muss der neue Coach denn mitbringen?

Es braucht jemanden, der Führungsqualitäten hat. Der die Richtung vorgibt, der gut kommunizieren kann mit den Spielern und der konsequent ist. Das war bei uns zu Beginn der Saison nicht der Fall. In meiner Zeit haben wir das gemacht, was der Trainer gesagt hat. Heute fragen die Spieler nach und wollen wissen, warum etwas gemacht werden soll. Sie müssen genau verstehen, was der Trainer will, um es wirklich umsetzen zu können.

Sie haben bereits mit zwei Trainern gesprochen. Mit wem? Steht Ihr Nachfolger womöglich schon fest?

Ich will hier keine Namen nennen. Es stimmt, dass wir mit zwei Kandidaten schon gesprochen haben. Aber es wird weitere Gespräche geben. Im Moment steht noch kein Nachfolger fest.

Wahrscheinlich können sie uns auch noch nicht bestätigen, dass Leonhard Pföderl zur neuen Saison kommt und auf der anderen Seite Toptorschütze Jamie MacQueen, Jens Baxmann und Maximilian Adam den Verein verlassen?

Aber das ist doch immer so. Selbst wenn du schon mit einem Spieler einen Vertrag zur übernächsten Saison hast. In der DEL ist anders als in Nordamerika alles ein großes Geheimnis. Was ich sagen kann, ist, dass ein paar neue Spieler kommen werden.

Aber zum Beispiel im Falle Pföderl ist die Personalie doch längst durch und allseits bekannt.

Für mich hat es auch etwas mit Respekt mit dem anderen Verein zu tun, das man über Personalien erst nach einer Saison offen spricht. Vielleicht ändern wir das bei den Eisbären irgendwann, und geben Neuverpflichtungen schon während einer Saison bekannt. Auch als ein Signal an unsere Fans.

Neuer Versuch: Nur drei Ausländer stehen für nächste Saison unter Vertrag. Heißt das, dass bis auf Louis-Marc Aubry, Sean Backman und James Sheppard alle anderen gehen müssen?

Colin Smith darf man hier nicht vergessen, er hat er ja inzwischen einen deutschen Pass und zählt nicht mehr als Ausländer. Grundsätzlich haben wir aber noch keine finalen Entscheidungen getroffen. Die Jungs haben in den Play-offs die Chance, sich noch einmal zu zeigen. Wenn wir jetzt Erfolg haben, ändert sich unser Plan vielleicht wieder. Klar ist aber auch: Selbst wenn wir jetzt noch Meister werden, wollen wir unsere angesprochene Neuausrichtung im Sommer weiter vorantreiben.

"Vielleicht müssen wir uns künftig breiter aufstellen"

Die deutschen Spieler kommen so langsam in die Jahre. Verletzungen häufen sich, Kapitän André Rankel wirkt nicht mehr wie ein Anführer.

Man darf dabei nicht vergessen, welche Erfolge sie erzielt haben. Die Jungs haben viele Meisterschaften mit Berlin gewonnen. Und dass die Leistungsfähigkeit im Alter ein bisschen runtergeht, ist normal im Sport. Bei André Rankel wird immer wieder auf sein Kapitänsamt geschaut. Ich bin aber der Meinung, dass die Ansagen in der Mannschaft nicht nur einer machen kann. Vielleicht müssen wir uns gerade bei den Führungsspielern künftig breiter aufstellen. Aber es ist nicht der richtige Zeitpunkt, darüber jetzt zu sprechen. Das können wir nach der Saison machen.

Wie schätzen denn die Bosse in Los Angeles den Saisonverlauf ein?

Wir telefonieren jede Woche mit Los Angeles. Die wissen über alles Bescheid und wir reden auch offen darüber. Genau wie wir sind sie nicht zufrieden mit der Saison. Aber wenn du so viele Verletzte in einem Team hast wie wir, schaffst du es in der NHL nicht mal in die Play-offs.

Zumindest mit den Zuschauerzahlen in Berlin werden sie in Kalifornien aber zufrieden sein.

Das spricht natürlich für unsere Fans. Und inzwischen ist das ja ein Event, wenn du ein Spiel der Eisbären besuchst.

Aber wie viel Event verträgt denn die Deutsche Eishockey-Liga? Da spielen 14 Mannschaften sechs Monate lang um zehn Play-off-Plätze. Wirklicher Wettbewerb sieht anders aus.

Das ist inzwischen aber fast überall in Europa so. Die Vorrunde ist für uns trotzdem sehr wichtig und damit waren wir nicht zufrieden. Und jetzt beginnt alles noch einmal von vorn.

Das zunächst mal mit den Pre-Play-offs gegen die Straubing Tigers. Wäre den Eisbären angesichts der Bilanz von neun Siegen in Folge Bremerhaven nicht lieber gewesen?

Das ist egal. Unser Ziel ist es, so weit wie möglich in den Play-offs zu kommen. Und da musst du in unserer Situation alle schlagen. Okay, wir haben in der Hauptrunde dreimal verloren gegen Straubing. Aber die Jungs haben nach den vielen Siegen zuletzt Selbstvertrauen. Das Timing ist gut und das müssen wir jetzt in die Play-offs mitnehmen. Dass wir am Mittwoch auswärts beginnen, muss kein Nachteil sein. Der Druck liegt erst einmal bei den Tigers.

Bleibt das ursprüngliche Ziel, Deutscher Meister zu werden, weiter bestehen?

Ich denke, das ist bei jeder Mannschaft so, die in den Play-offs dabei ist. Aber nach der enttäuschenden Vorrunde wollen wir vor allem auch unseren Fans etwas zurückgeben. Und mal sehen, wo unsere Reise dann endet.

Und wenn es mit den Titel tatsächlich noch klappen sollte, dann werden Sie auch von den Zuschauern wieder gefeiert.

Das glaube ich nicht (lacht). Aber ich möchte den Fans sagen, dass ich immer alles gebe und dass es mit auch Leid tut, dass wir keinen Erfolg in der Vorrunde hatten. Ich habe deswegen viele schlaflose Nächte gehabt. Trotzdem bin ich stolz, ein Eisbär zu sein. In guten wie in schlechten Zeiten.

Zwölf Newsletter, zwölf Bezirke: Unsere Leute-Newsletter aus allen Berliner Bezirken können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de

Zur Startseite