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Die Wolfsburgerin Alexandra Popp ist Kapitänin des Nationalteams und eine von 813.104 Frauen, die 2019 im Deutschen Fußball-Bund organisiert waren. Hinzu kommen 302.681 Mädchen (bis 16 Jahre).

© Sebastian Gollnow/dpa

Ein Vergleich, der keiner ist: Warum Männer-Bundesligisten so wenig in Frauenfußball investieren

Frauenteams profitieren kaum vom Geld, das der Fußball in Deutschland erwirtschaftet. Klubs wie Hertha BSC wollen partout nicht investieren. Ein Überblick.

Von David Joram

Rasenballsport Leipzig holt derzeit vieles nach, was das Fußballunternehmen in der Vergangenheit versäumt hat. Die Infrastruktur stimmt schon länger, nun aber hat der Brauseklub auch in sein Personal investiert und Führungskräfte eingekauft.

Das zahlt sich aus: In diesem milden Winter dürfen sie in Leipzig endlich die inoffizielle Herbstmeisterschaft feiern. Mit 37 Punkten geht das Team in die Winterpause – was vor allem die Trainerin Katja Greulich freut: „Ich bin natürlich mehr als zufrieden. Wir waren die gesamte Halbserie von Anfang bis Ende hochkonzentriert und haben viel Kraft und Energie in jedes Training und jedes Spiel gelegt.“ Was frau halt so sagt.

Gut fürs Image

Greulich coacht die Drittliga-Spielerinnen von RB Leipzig, einem Klub, der nahezu unbegrenzte finanzielle Möglichkeiten hat und diese bisher vor allem in seine Männermannschaft gesteckt hat. Doch jetzt wollen auch die Leipzigerinnen mit aller Macht nach oben.

Allein schon aus Imagegründen kann es sich ein Weltunternehmen wie Red Bull kaum leisten, die Fußballerinnen wie eine Hobbyelf auszustatten, weshalb Spielerinnen wie die deutsche Olympiasiegerin Anja Mittag vor der Saison in die Heldenstadt wechselten.

Viel Geld, keine Geschichte und große Gier: Was bei den Männern hitzige Traditionsdebatten hervorruft, die von Feindseligkeit, Neid und Ablehnung begleitet werden, interessiert bei den Frauen niemanden.

Im Gegenteil: Die Branche begrüßt das Leipziger Engagement. Es wird als Zeichen gewertet, dass es voran geht im Land der Männerfußballer, wo die Klubs ihre Frauenfußballabteilungen mehr dulden denn lieben – sofern sie denn überhaupt welche haben.

Hertha BSC hat keine Pläne

Die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern ist im deutschen Fußball enorm. Fußballerinnen spielen in kleineren Stadien, vor weniger Fans, für weniger Geld und auch noch nicht so lange. Erst 1970 hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) Frauen erlaubt, organisiert Fußball zu spielen. Seither hat sich ein bisschen was getan, doch die Entwicklung in Deutschland stockt.

Die vielen Milliarden, die das männliche Profilager erwirtschaftet, verstärken die Kluft noch, weil es bei den Frauen (noch) nichts zu verdienen gibt. Entsprechend fehlt vielen Vereinen die Motivation, ihr Know-how aus dem Männer- in den Frauenfußball zu transferieren.

Lediglich sechs der 18 Männer-Bundesligisten stellen auch einen Frauen-Bundesligisten, sechs Männer-Bundesligisten haben nicht mal ein Frauenfußballteam, darunter einige traditionsreiche Fußballstandorte wie Gelsenkirchen, Dortmund oder Hertha BSC.

An den Finanzen dürfte es kaum mangeln, vier bis fünf Millionen Euro pro Jahr reichen aus, um in den Kampf um die deutsche Meisterschaft einzusteigen. Doch der Wille, Veränderungen anzustoßen, ist begrenzt.

Borussia Dortmund setzt auf Handball

„Es gibt keine Pläne hinsichtlich einer Frauenfußballmannschaft bei Hertha BSC. Wir konzentrieren uns im Bereich Leistungsfußball auf die Jugendmannschaften der Akademie, die U 23 und die Lizenzspielermannschaft“, teilt Herthas Pressestelle mit.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) verspricht im Zusammenhang mit den Frauen gerne Reformen, die Männer-Elite scheint er aber nicht in die Pflicht zu nehmen. Da sind die Berliner keine Ausnahme.

„Für den FC Schalke 04 ist es eine strategische Entscheidung, eine Frauenabteilung zu eröffnen. Wir planen in dieser Hinsicht aktuell keine Aktivitäten, da im Ruhrgebiet bei Vereinen wie den Bundesligisten SGS Essen und dem MSV Duisburg bereits hochklassiger Frauenfußball geboten wird“, informieren die Schalker.

Ein paar Kilometer weiter östlich heißt es, Borussia Dortmund könne leider nicht jede Sportart im Damen- und Herrenbereich abbilden – so wünschenswert das auch wäre. Man konzentriere sich vornehmlich auf jene Bereiche mit tiefer historischer Verwurzelung.

Mainz 05 beklagt infrastrukturelle Mängel

„Wir haben eine Frauen-Handballabteilung, die national und international seit Jahrzehnten erfolgreich ist und betreiben unter ihrem Dach intensiv Nachwuchsarbeit. Im Handball wiederum haben wir keine Herren-Abteilung.“ Letzteres dürfte die Fußballerinnen kaum trösten.

Auch in Paderborn, Düsseldorf und Mainz wollen die Klubs ihre im Männerfußball verdienten Millionen nicht in den Aufbau einer Frauenfußballabteilung stecken. „Die Gründung einer Frauenfußball-Sparte wurde im Verein diskutiert, ist für uns aber aufgrund der eingeschränkten Infrastruktur mit unseren Möglichkeiten nicht umsetzbar“, heißt es aus Mainz.

Dass es auch anders geht, beweist der SC Freiburg, dessen Fußballerinnen trotz begrenzter Mittel in der Bundesliga spielen. Auf die nationale Spitze ist der Rückstand des Sport-Clubs aber enorm.

Allen voran der VfL Wolfsburg, zuletzt dreimal Deutscher Meister, und der FC Bayern dominierten in den vergangenen Jahren nahezu konkurrenzlos die Bundesliga. Mit weniger Kapitaleinsatz hat die TSG Hoffenheim in dieser Saison den Anschluss ans Spitzenduo geschafft.

Der von SAP-Gründer Dietmar Hopp geführte Klub ist auch einer der wenigen, der ein klares Bekenntnis abgibt. „Die Frauenmannschaften gehören zur DNA der TSG“, teilt der aktuelle Tabellenzweite der Frauenfußball-Bundesliga mit.

Der Vergleich: Wolfsburg und Bayern investieren am meisten

Die jeweilige Höhe des Budgets ist geschätzt und basiert auf einer Studie von sportingintelligence.com („Global Sports Salaries“) aus dem vergangenen Jahr. Die Zahlen für die Frauenteams gehen aus Tagesspiegel-Recherchen hervor. Nicht mit einbezogen sind Zahlungen für Transfers von Spielerinnen bzw. Spielern.

VFL WOLFSBURG
Fußball seit (Männer / Frauen): 1945 / 2003
Spielklasse: 1. Liga / 1. Liga
Budget (in Euro): 100 Mio. / 5 Mio.
Zuschauer 18/19: 24.170 / 1840
Heimstadion und Kapazität: Volkswagen-Arena 30.000 / AOK-Stadion 5.200
Titel: 2 / 13

TSG HOFFENHEIM
Fußball seit: 1899 / 2007
Spielklasse: 1. Liga / 1. Liga
Budget: 80 Mio. / 1,5 Mio.
Zuschauer 18/19: 27.380 / 670
Heimstadion und Kapazität: PreZero-Arena 30.150 / Dietmar-Hopp-Stadion 6350
Titel: 0 / 0

FC BAYERN MÜNCHEN
Fußball seit: 1900 / 1970
Spielklasse: 1. Liga / 1. Liga
Budget: 250 Mio. / 4,5 Mio.
Zuschauer 18/19: 75.000 / 700
Heimstadion und Kapazität: Allianz Arena / Stadion FCB-Campus 2500
Titel: 55 / 3

Die Kapitänin. Beim FC Bayern gibt Nationalspielerin Melanie Leupolz den Takt vor.
Die Kapitänin. Beim FC Bayern gibt Nationalspielerin Melanie Leupolz den Takt vor.

© Alan Morici/dpa

SC FREIBURG
Fußball seit: 1904 / 1975
Spielklasse: 1. Liga / 1. Liga
Budget: 45 Mio. / 800.000
Zuschauer 18/19: 23.900 / 1000
Heimstadion und Kapazität: Schwarzwald-Stadion 24.000 / Möslestadion 5400
Titel: 0 / 0

BAYER LEVERKUSEN
Fußball seit: 1904 / 2008
Spielklasse: 1. Liga / 1. Liga
Budget: 110 Mio. / 750.000
Zuschauer 18/19: 27.855 / 380
Heimstadion und Kapazität: BayArena 30.210 / Ulrich-Haberland-Stadion 2817
Titel: 2 / 0

1. FC KÖLN
Fußball seit: 1948 / 2007
Spielklasse: 1. Liga / 1. Liga
Budget: 50 Mio. / 500.000
Zuschauer 18/19: 49.550 / 190
Heimstadion und Kapazität: RheinEnergie-Stadion 50.000 / F.-Kremer-Stadion 5400
Titel: 7 / 0

Machtverhältnisse im Frauenfußball: Finanziell kann in der Bundesliga nur noch der Tabellendritte FC Bayern mit den Wolfsburgerinnen mithalten, während Freiburg (8.), Leverkusen (9.) und Köln (10.) kaum höhere Ambitionen hegen. Die Kölnerinnen pendeln meist zwischen Erster und Zweiter Liga, was am Rhein ziemlich gleichgültig hingenommen wird. Wie groß die Unterschiede zwischen den unteren Mittelfeldteams und Primus Wolfsburg sind, verdeutlichten die Ergebnisse in der Hinrunde. In Köln gewann der VfL 5:0, in Leverkusen 7:0 und in Freiburg gar 8:0. Echte Konkurrenz geht anders. Die Bayern, letztmals Meister in der Saison 2015/2016, schafften immerhin ein 1:1 in Wolfsburg.

WERDER BREMEN
Fußball seit: 1899 / 2007
Spielklasse: 1. Liga / 2. Liga
Budget: 70 Mio. / 500.000
Zuschauer 18/19: 40.800 / 340
Heimstadion und Kapazität: Weserstadion 42.100 / Stadion Platz 11 5500
Titel: 11 / 0

BORUSSIA MÖNCHENGLADBACH
Fußball seit: 1900 / 1995
Spielklasse: 1. Liga / 2. Liga
Budget: 90 Mio. / 500.000
Zuschauer 18/19: 49.570 / 250
Heimstadion und Kapazität: Borussia-Park 54.000 / Grenzlandstadion 10.000
Titel: 10 / 0

RB LEIPZIG
Fußball seit: 2009 / 2016
Spielklasse: 1. Liga / 3. Liga
Budget: 110 Mio. / 400.000
Zuschauer 18/19: 38.370 / 120
Heimstadion und Kapazität: RedBull-Arena 42.146 / Sportanlage Gontardweg 500
Titel: 0 / 0

Leipzig calling. Mit Potsdam gewann Anja Mittag einst die deutsche Meisterschaft, nun spielt sie der Regionalliga.
Leipzig calling. Mit Potsdam gewann Anja Mittag einst die deutsche Meisterschaft, nun spielt sie der Regionalliga.

© Manfred Thomas

1. FC UNION BERLIN
Fußball seit: 1966 / 1969
Spielklasse: 1. Liga / 3. Liga
Budget: 40 Mio. / 100.000
Zuschauer 18/19: 21.230 / 100
Heimstadion und Kapazität: An der Alten Försterei 22.012 / Fritz-Lesch-Sportplatz 3000
Titel: 1 / 0

EINTRACHT FRANKFURT
Fußball seit: 1899 / 2004
Spielklasse: 1. Liga / 3. Liga
Budget: 70 Mio. / 100.000
Zuschauer 18/19: 49.550 / 80
Heimstadion und Kapazität: Commerzbank-Arena 51.500 / Niedereschbach 4000
Titel: 7 / 0

Frankfurter Fusion: Am Main regierte bislang klar der 1. FFC Frankfurt, der als reiner Frauenfußballklub siebenmal die deutsche Meisterschaft gewann, während die Eintracht lange Zeit keine eigenen Ambitionen hegte. Aber das soll sich bald ändern. Zum 1. Juli 2020 wollen Eintracht und der FFC fusionieren – und dann mit höherem Kapitaleinsatz um große Titel spielen.

FC AUGSBURG
Fußball seit: 1907 / 2006
Spielklasse: 1. Liga / 6. Liga
Budget: 50 Mio. / 18.000
Zuschauer 18/19: 27.670 / 50
Heimstadion und Kapazität: WWK-Arena 30.000 / Karl-Mögele-Stadion 5000
Titel: 0 / 0

Ganz unten: Der FC Augsburg stellt von allen Männer-Bundesligisten das schlechteste Frauenteam. In der Bezirksoberliga belegt der FCA nach zehn Spielen den vorletzten Platz (3 Punkte/9:36 Tore). Mit dieser Bilanz liegt der FCA aber immer noch vor folgenden sechs Teams, die auf ein Frauenteam komplett verzichten:

SC PADERBORN
Fußball seit: 1907
Spielklasse: 1. Liga
Budget: 25 Mio.
Zuschauer 18/19: 11.500
Heimstadion und Kapazität: Benteler-Arena 15.000
Titel: 0

FORTUNA DÜSSELDORF
Fußball seit: 1895
Spielklasse: 1. Liga
Budget: 45 Mio.
Zuschauer 18/19: 43.840
Heimstadion und Kapazität: Merkur-Spiel-Arena 54.600
Titel: 3

Die Budgets der anderen: Von den Klubs, die keinen Männer-Bundesligisten hinter sich wissen, stecken die einstigen Branchenriesen Turbine Potsdam und der 1. FFC Frankfurt das meiste Geld in ihren Kader (jeweils ca. 2 Millionen Euro). Dahinter folgen die SGS Essen (ca. 1,5 Millionen), der SC Sand (ca. 1 Million), MSV Duisburg (700.000) und FF USV Jena (500.000). Solche Summen könnten wohl auch Mainz 05, Hertha BSC, Borussia Dortmund und der FC Schalke 04 für ein Frauenfußballteam bereitstellen. Wollen sie aber nicht.

FSV MAINZ 05
Fußball seit: 1905
Spielklasse: 1. Liga
Budget: 50 Mio.
Zuschauer 18/19: 26.150
Heimstadion und Kapazität: Opel-Arena 34.000
Titel: 0

HERTHA BSC
Fußball seit: 1892
Spielklasse: 1. Liga
Budget: 75 Mio.
Zuschauer 18/19: 48.320
Heimstadion und Kapazität: Olympiastadion 74.000
Titel: 2

Kein Ort für Frauenfußball. Bei Hertha BSC konzentrieren sie sich aufs Männergeschäft.
Kein Ort für Frauenfußball. Bei Hertha BSC konzentrieren sie sich aufs Männergeschäft.

© Annegret Hilse/Reuters

FC SCHALKE 04
Fußball seit: 1904
Spielklasse: 1. Liga
Budget: 100 Mio.
Zuschauer 18/19: 60.740
Heimstadion und Kapazität: Veltins-Arena 62.271
Titel: 13

BORUSSIA DORTMUND
Fußball seit: 1909
Spielklasse: 1. Liga
Budget: 180 Mio.
Zuschauer 18/19: 80.550
Heimstadion und Kapazität: Signal-Iduna-Park 81.365
Titel: 14 / 0

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