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Jetzt kann gefeiert werden. Theo Reinhardt (Berlin, li.) und Roger Kluge (Berlin, re.).

© Imago/Matthias Koch

Ein Resümee zum Sechstagerennnen: Um Mitternacht nach Hause

Die Zeiten, in denen das Programm bis tief in die Nacht ging, sind vorbei. Trotzdem gibt es einen Aufwärtstrend - auch bei der Veranstaltung von Berlin.

Die elektronische Anzeigetafel kennt kein Erbarmen. Noch 25 Runden. Noch 20. Noch 15. Der Hallensprecher im Velodrom beschwört fast flehentlich das „Wunder von Berlin“. Doch keiner glaubt daran. Falsch. Zwei Herren haben weiter Hoffnung. „Wir waren nicht mehr spritzig genug für die Sprints. Aber wir haben auf diesen einen Moment gewartet“, sagt Roger Kluge später. Der Moment kommt. 13 Runden vor Schluss greift Kluge an. „Ich bin froh, dass Du das gemacht hast“, sagt sein Partner Theo Reinhardt. Kluge fliegt quasi weg. Niemand kommt hinterher. In nur sechs Bahnumdrehungen holen Kluge/Reinhardt den entscheidenden Rundengewinn beim Berliner Sechstagerennen, das Publikum steht und ist begeistert.

Sieg für den Eisenhüttenstädter Kluge und den Berliner Reinhardt – für die lokalen Helden. Für das Favoriten-Duo, das hinter den Dänen Marc Hester/Jesper Morkov zu landen drohte. Die spektakuläre Schlusspointe war der Höhepunkt einer Veranstaltung, die auf dem Weg der Besserung ist. Diesmal kamen 50.500 Besucher, das ist ein moderater Anstieg gegenüber der vorigen Auflage. Und heißt im Umkehrschluss: Die Londoner Madison Sports Group, zu der das Rennen seit 2016 gehört, hat den Abwärtstrend der vergangenen Jahre gestoppt.

„Der Donnerstag lief nicht wie erwartet“, sagt Geschäftsführer Valts Miltovics. Es war ziemlich leer in der Halle. „Das haben wir durch andere Tage rausgerissen“, sagt Miltovics.  War das am Samstag zu erwarten, war Miltovics besonders vom Sonntag – dem Familientag – positiv überrascht. 7500 Zuschauer 2018, fast zehntausend 2019. Das Publikum ist insgesamt jünger geworden. Und „geht spätestens um Mitternacht nach Hause“, sagt der Geschäftsführer. Reaktion: Die Zeiten, in denen das Programm bis tief in die Nacht ging, sind vorbei. 

Der Aufwärtstrend ist außerhalb Berlins ebenfalls spürbar, die Serie wächst

„Wir haben in allen wichtigen Bereichen dazugewonnen“, bilanziert Miltovics. Auch bei den Sponsoren und im Bereich der VIP-Kunden, „das stimmt mich sehr positiv.“ Nach zweijähriger Abstinenz floss wieder Schultheiss aus den Zapfhähnen. Eine Änderung nach dem Geschmack der zahlenden Kundschaft, die Partnerschaft soll fortgesetzt werden.

Der Aufwärtstrend ist außerhalb Berlins ebenfalls spürbar, die Serie wächst. Momentan sind sechs Veranstaltungen im Programm, wobei einige nur über drei Tage gehen. Miltovics schweben 15 bis 20 Rennen vor: „Für die Sportler soll das eine Alternative werden, bei der sie Geld verdienen können.“ Der Plan ist, Standorte wiederzubeleben, an denen früher Sechstagerennen stattfanden. Auch in Deutschland, wo es nur noch Rennen in Berlin und Bremen gibt, hätten einige großes Interesse.

Die Visionen sind da. Wie die Umsetzung klappt, bleibt abzuwarten. Greifbar war dagegen die Freude der Sieger. Beim Sechstagerennen in seiner Heimatstadt hatte Reinhardt noch nie gewonnen. Bei dem Rennen, das er als kleiner Junge auf der Tribüne verfolgt hat. Hier zu triumphieren, sei „einfach grandios“. Eine Pause sieht der Kalender nicht vor. Ab Donnerstag fährt Reinhardt – auch das ist Sechstagerennen – in Kopenhagen mit Marc Hester. Dem Dänen, mit dem er kürzlich in Bremen Zweiter wurde und dem er den Sieg in Berlin kurz vor Ultimo entrissen hat. „Bis jetzt habe ich überhaupt nicht an Kopenhagen gedacht“, sagt Reinhardt. Was vom einen Meter neben ihm sitzenden Hester mit einem gespielt empörten „Was?“ kommentiert wird. Alle lachen.

Kurz danach spricht Roger Kluge noch einmal über seinen Antritt: „Der Moment hätte auch zehn Minuten früher kommen können.“ Aber er kam ja noch, 13 Runden vor Schluss. Besser spät als nie.

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