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Im Alter von 59 Jahren verstorben: Hans-Jörg Criens.

© Imago/Eissner

Ein Nachruf auf Hans-Jörg Criens: Der Lange, ohne den alles nicht möglich gewesen wäre

Hans-Jörg Criens war einer der erfolgreichsten Stürmer Borussia Mönchengladbachs. Am zweiten Weihnachtstag verstarb er im Alter von 59 Jahren. Ein Nachruf.

„Ohne den Langen wäre das alles nicht möglich gewesen“, hatte der Trainer Wolf Werner einmal gesagt. Über Hans-Jörg Criens, seinen Spieler, und über die Saison 1988/89, die Borussia Mönchengladbach trotz namhafter Abgänge und großer Verletzungssorgen noch auf Rang sechs beendete. 

So ähnlich dachten gestern und rund 30 Jahre später sehr viele Anhänger der Borussia, da sie vom Tod des dritterfolgreichsten Bundesligatorschützen (92 Tore) in der Geschichte des Klubs erfuhren. Mit 59 Jahren verstorben, acht Tage nach seinem Geburtstag, an den Folgen eines Herzinfarkts. Eine Unendlichkeit zu früh.

Criens wurde als „phlegmatisch“ beschrieben

Hans-Jörg Criens war ein sehr guter Fußballer. Er war schnell und trotzdem stark im Kopfball. Er war technisch gut und ein Raumdeuter, als das noch Torriecher hieß. Vor allem aber war Hans-Jörg Criens ein besonderer Fußballer. Weil er allein es vermochte, Menschen für den Fußball zu begeistern. Und damit meist zwangsläufig für Borussia Mönchengladbach. 

Als „phlegmatisch“ und „wechselhaft“ wurden er und seine Leistungen oft beschrieben. Er war nicht nur einer der ersten „Joker“ der Bundesliga (wenn nicht sogar der erste, aber das ist ein anderes Thema …), sondern auch einer der ersten Spieler, für die die Leistungsklasse „zwischen Kreis- und Weltklasse“ eröffnet wurde. Zudem galt er als schüchtern, sensibel und trotzdem auch als „Sonnyboy“, dem man nicht lange böse sein konnte. Oder wollte.

Das alles musste man nicht wissen. Man sah es. Hans-Jörg Criens spielte Fußball wie Woody Allen in seinen Filmen: gewitzt und doch voller Melancholie. Im scheinbaren Wissen darüber, dass alles halb so wild ist und doch furchtbar wichtig. Dass man erfolgreich sein kann, ohne ein Arschloch zu sein. Dass es ok ist, die Dinge zu tun, wie man sie für richtig hält, auch wenn man gar nicht weiß, was richtig ist, sondern nur fühlt. Und er war schön und zart. In allem. So schön.

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Criens war gelernter Chemikant, engagierte sich in der Bewegung „Sportler für den Frieden“, spielte gern Tennis und las Science-Fiction-Bücher. Heißt es.

In der B-Jugend hatte er keine Lust mehr auf Fußball, erst zwei Jahre später überredete ihn sein Bruder zum Comeback. Fortan stürmten sie zusammen für den VfR Neuss in der Kreisliga B. Nach zwei Spielen gegen die Amateure von Borussia Mönchengladbach überredete ihn der damalige Assistenz-Trainer Wolf Werner 1981 zum Wechsel. 

Nach der Karriere arbeitete Criens zunächst als Außendienstmitarbeiter, später als (Taxi-)Fahrer für Dialysepatienten und Menschen mit Behinderung. Die Öffentlichkeit mied er, für Interviews oder Begegnungen war er nicht zu haben. Sollen die anderen machen. Hieß es.

Hans-Jörg Criens hat nie einen Titel gewonnen

Vielleicht ist Hans-Jörg Criens auch deshalb die ideale Projektionsfläche gewesen. Für Erklärungen darüber zum Beispiel, warum jemand Fußball-Fan geworden ist. Weil Erklärungen Erinnerungen brauch(t)en und Hans-Jörg Criens die Erinnerungen an ihn niemals zerstört hat. Weil die Erinnerung an ihn immer die an einen Fußballer war und niemals die an einen Ex-Fußballer. 

Hans-Jörg Criens hat nie einen Titel gewonnen, er steht nicht einmal in der Jahrhundertelf von Borussia Mönchengladbach. Für manche war er trotzdem der beste Fußballer aller Zeiten. Vielen wird er ewig unvergessen sein. „Weil ohne den Langen wäre das alles nicht möglich gewesen.“

Der Artikel erschien zuerst bei den Kollegen von 11 Freunde.

Ilja Behnisch

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