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Der Spieler Windler. In der Saison 94/95 stürmte der Sohn des Präsidenten für die Preussen Devils in der Deutschen Eishockey-Liga, glücklich wurde er dabei nicht.

© promo

Druck und Depressionen im Eishockey: Wie Harald Windler die schlimme Phase bei den Preussen überstand

Harald Windler spielte für den Eishockeyklub seines Vaters, die Preussen. Der Druck auf ihn war immens. Heute sagt er: Das hätte böse ausgehen können.

Es war diese Mischung von Biergeruch, Zigarettenqualm und Schweiß, der unter den weißen Deckenplatten hing. Das roch nach Preussen. Das roch nach Party. Wenn es voll war in der Eissporthalle an der Jafféstraße, dann tobte die Westberliner Eishockeyseele. Die Menschen riefen „Malo, Malo“, bejubelten Torwart „Klausi“ Merk und ein paar Jahre später himmelten sie den großen Techniker John Chabot an.

In den späten Achtzigern, als der heutige Fußball-Bundesligist Hertha BSC sonst wo in der Drittklassigkeit herumdümpelte und noch in den frühen Neunzigern, da waren die Preussen fast immer die Nummer eins im Westberliner Sport. Das kostete viel Geld, aber ihr engagierter Präsident Hermann Windler bewegte viel, mit Ideen, Investitionen und Kontakten – von Eberhard Diepgen bis Richard von Weizsäcker kamen sie alle. Der Steakhausbesitzer vom Messedamm war der BSC Preussen. Im Guten und im Schlechten.

Harald Windler ist zwölf Jahre alt, als er auf der Tribüne in der Eissporthalle an der Jafféstraße zuschaut, bei einem Zweitliga-Heimspiel des neuen BSC Preussen. Er spielt selbst im Nachwuchs des Klubs und natürlich ist es sein Traum, einmal selbst in der Bundesliga für die Preussen zu stürmen.

Doch an diesem Tag liegt eine seltsame Stimmung in der Halle. Der Präsident, für einige Fans ein selbstherrlicher Alleinherrscher, war umstritten beim Volk. Als das Spiel läuft, schallt es von den Rängen: „Hängt den Windler ans Brandenburger Tor!“ Sohn Harald versteht die Welt nicht mehr. Er hat Angst. Der Schüler merkt, wie sehr er als Sohn des Vaters im Klub exponiert ist.

Präsident und Trainer streiten sich über die Qualitäten des Sohnes

Dabei ist er ein lebenslustiger Junge. Von seinem Ziel Eishockeyprofi zu werden, lässt sich Harald nicht abbringen. Eishockey ist schließlich das beherrschende Thema im Hause Windler.

Der Gastronomiebetreiber hat dem Berliner Profieishockey das Überleben ermöglicht, nachdem der einst so große Schlittschuh-Club untergegangenen ist. 1983 hat der ehemalige Schatzmeister des Schlittschuh-Clubs den BSC Preussen mitbegründet, im selben Jahr startet der neue Klub mit vielen alten Westberliner Eishockeygesichtern wie Lorenz Funk in der 2. Bundesliga. Die Preussen haben sofort Erfolg, die Halle ist damals schon oft brechend voll. Im dritten Jahr gelingt endlich der Aufstieg in die Bundesliga.

Harald Windler ist zu dieser Zeit weiter im Nachwuchs aktiv, die Mitspieler sehen, dass aus dem kräftigen Stürmer etwas werden könnte. Mitspieler Sebastian Baader, damals Torwart im Preussen-Nachwuchs, erinnert sich: „Harry konnte vor allem eines: Toreschießen. Außerdem war er die Stimmungskanone im Team, immer gut gelaunt.“

Nach außen hin sah das so aus, innerlich spürt Harald Windler schon früh, dass er unter Druck stehen könnte, wenn er seinen Traum vom Profisport erfüllen will. 1990 darf er schließlich bei den Profis mitspielen, sein Vater will junge Spieler fördern. „Wir wollen Berliner ins Team integrieren, da kann Harry den Anfang machen“, sagt Windler senior. Dass sein 19 Jahre alter Sohn nun dem damaligen Trainer Craig Sarner vor die Nase gesetzt wird, kommt bei dem nicht gut an.

Harald Windler spielt nur fünf Mal im Bundesligateam. Präsident und Trainer streiten sich über die Qualitäten des Sohnes. Nach der Saison wechselt der zum Zweitligisten SV Bayreuth, später dann nach Hannover, ebenfalls zweitklassig. Dort kommt Harald Windler sehr gut zurecht.

Der Unternehmer Windler. Als Eventmanager ist er erfolgreich geworden.
Der Unternehmer Windler. Als Eventmanager ist er erfolgreich geworden.

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In den Medien wurde Harald "Little Windler" genannt

Es hieß, dass er erst Spielpraxis sammeln müsse, um es dann später doch in der Bundesliga bei den Preussen zu schaffen. 1994 kommt der Junior auf Bestreben seines Vaters nach Berlin zurück, es soll für Harald Windler die schlimmste Saison seines Eishockeylebens werden. „Natürlich hieß es sofort: ’Der spielt nur wegen seines Vaters hier.’“, erinnert er sich. „Ich stand von vornherein unter strenger Beobachtung – des Trainers, der Fans und der Journalisten. Es gab riesengroße Geschichten über mich in den Berliner Zeitungen, wochenlang.“

Es sei für ihn grausam gewesen, eine Aufmachergeschichte über sich im Boulevard zu sehen. Da wurde er dann „Little Windler“ genannt oder es gab „Ärger um den Windler-Sohn“. Harald Windler sagt: „Jede Überschrift über mich war der Horror, weil ich nicht der Spieler, sondern einer aus der Mannschaft sein wollte! Ich war doch nur ein junger Spieler und nicht der Star des Teams.“

In der Kabine der Preussen bekam er zu spüren, dass der öffentliche Fokus so sehr auf ihm lag. „Ein paar Kollegen waren richtig arschig zu mir.“ Als der Druck zu groß wurde, ging er zum damaligen Trainer Billy Flynn und sagte „Lasst mich doch lieber gehen, wenn ihr mich nicht braucht.“ Der habe aber ihm gesagt, so schlimm sei das alles nicht.

Der Umgang mit Schmähgesängen hat sich verändert

In besagter Saison wurde Flynn dann von Präsident Windler vor die Tür gesetzt. Flynn machte später Karrierre bei den Eisbären, bei denen er bis vor zwei Jahren noch Geschäftsführer war. Bis heute sagt er: „Wir waren auf dem zweiten Platz, aber Windler war unzufrieden, weil sein Sohn nicht spielte. Mein Job ist es zu gewinnen, und dein Sohn ist kein guter Spieler, habe ich dem gesagt.“

Harald Windler leidet unter dem Druck still in sich hinein. Der Terminus Depression ist noch nicht modern. Erst Jahre später wird ihm bewusst, wie schlimm es um ihn aussah. „Als der Fall Robert Enke das große Thema wurde, wurde mir erst klar, wie schlecht es damals um mich stand. Wäre ich letztlich nicht charakterlich so gefestigt gewesen und hätte ich nicht privat so ein stabiles Umfeld gehabt, hätte das anders ausgehen können.“

Er verstehe das alles bis heute nicht. Früher sei das alles härter gewesen, auch in den Medien. Wenn heute etwa ein Dietmar Hopp von Fußballfans auf Transparenten verunglimpft werde, „dann wird das gleich diskutiert“. „Früher hieß es eben: Hängt ihn ans Brandenburger Tor. Da hat sich keiner Gedanken darüber gemacht, dass das eine üble Nummer werden könnte.

Nach einer Saison und immerhin 39 Spielen für die Preussen in der damals neuen Deutschen Eishockey-Liga (DEL) ist für Harald Windler 1994 Schluss mit den Preussen. Er spielt unterklassig weiter, ganz passabel. Mit 27 Jahren beendet er seine Karriere als Profi und arbeitet als Physiotherapeut mit eigener Praxis.

Das Talent zum Geschäftsmann hat er von seinem Vater mitbekommen, heute ist er Eventmanager. Auf seinem Hausboot in Spandau, der Sunset Marina, veranstaltet er Hochzeiten, Betriebsfeiern und Kochevents. Bands wie Glasperlenspiel oder Lena Meyer-Landrut, auch Helene Fischer seinen schon da gewesen, erzählt er.

Vor der Halle blühte der Schwarzmarkt

Wo früher das Asado Steakhaus die Kunden erwartete, ist heute ein US-Diner. Auch die Eishalle an der Jafféstraße ist längst Geschichte. Nichts erinnert mehr an die Ära Preussen und Windler, die mit der unwirtlichen Ecke am heute wimmeligen Busbahnhof verknüpft war. Hermann Windler ist vor fünf Jahren gestorben.

Der Klub war unter Windler ein großer Erfolg, erreichte von 1991 bis 1996 das Halbfinale. Danach musste Windler gehen, 1997 brach dann eine neue, kurze, chaotische Zeit des Klubs unter den Präsidenten Axel Banghard und dann dessen Vater Egon an, die 2002 unter dem Namen „Berlin Capitals“ im Konkurs endete.

So was wie damals unter Hermann Windler, dass gibt es heute in der DEL nicht mehr. Da wurde im Klub alles von Hand gemacht, im Asado-Steakhaus bildeten sich schon morgens um sechs Uhr riesige Schlagene, wenn der Präsident zusammen mit Stadionsprecher Detlev Minter und Ex-Spieler Lutz Schirmer am Tresen die Tickets für die Play-off-Spiele verkaufte. Aber bitte nur sechs Stück pro Kunde. 6063 Tickets gab es, inklusive Dauerkarten. Sie waren binnen weniger Stunden weg, vor der Halle blühte der Schwarzmarkt.

Eingesperrt auf dem Eis

Die Preussen waren begehrt, 100 Mark kostete so eine Karte locker. „Ich habe alles mit dem Herzen gemacht“, hat Hermann Windler nach seinem Abgang von den Preussen gesagt. Klar, sein Vater sei nicht unumstritten gewesen, sagt sein Sohn heute. „Aber man darf nicht vergessen: Der hat das alles im Ehrenamt gemacht. Im Ehrenamt! Der hat nichts verdient, nur draufgezahlt.“

Dass er seinem Vater den Wunsch vom erfolgreichen Eishockeysohn nicht erfüllen konnte, begleitet Harald Windler bis heute. „Oft höre ich: Du bist doch nur so hinterher, ein erfolgreicher Gastronom zu werden, weil du es als Eishockeyprofi nicht geschafft hast.“

So war es nicht, sagt er. Obwohl er sich schon Gedanken macht. Früher in der schlimmen Zeit bei den Preussen, da habe er sich manchmal auf der Eisfläche wie eingesperrt gefühlt. Jetzt, mit 49 Jahren, sagt er: „Heute ist es für mich schön zu sehen, dass ich Menschen glücklich mache mit meinen Events. In Verbindung mit Booten und Wasser ist es ein Gefühl von Freiheit, das mir keiner nehmen kann.“

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