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Raus bist du: Sebastian Polter (rechts) sah im Spiel gegen Leverkusen von Schiedsrichter Robert Hartmann die Rote Karte.

© Federico Gambarini/dpa

Dritter Platzverweis im fünften Spiel: Der 1. FC Union sieht Rot

Erneut schafft es Union nicht, ein Spiel mit elf Mann zu beenden. In Leverkusen fliegt Sebastian Polter vom Feld, der gerade ohnehin keine gute Phase durchlebt.

Von David Joram

Unions Trainer Urs Fischer besitzt in der Regel ein feines Gespür für die Belange seiner Fußballer. Seit etwas über einem Jahr trainiert er nun die Spieler aus Berlin-Köpenick, er ist mit ihnen im vergangenen Mai nach zwei hochdramatischen Relegationsspielen aufgestiegen. Fischer erkennt meist schon früh, wenn einer seiner Kicker schwächelt – oder wenn es, wie beim 0:2 am Samstag gegen Bayer Leverkusen, gleich die ganze Mannschaft tut. Oft, nicht immer, findet er ein Rezept dagegen.

Manchmal hilft Fischer eine kräftige Halbzeitansprache, um seine Spieler wieder an das zu erinnern, was er ihnen vor dem Spiel mitgegeben hat. Und in manchen Spielen, wenn die rhetorischen Mittel ausgereizt sind und allerlei taktische Umstellungen verpufft, zieht Fischer seinen allerletzten Joker. Denn wenn Sebastian Polter den Rasen betritt, poltert es. Auf den Rängen, im Team, und, wenn alles perfekt läuft, sogar im gegnerischen Tor.

Gegen Leverkusen polterte es nach etwas über einer Stunde ebenfalls, nur anders als gewünscht. Polter trat dem bemitleidenswerten Julian Baumgartlinger so heftig auf die Achillesferse, dass der sein Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse verzog. Es war ein ziemlich übles Foul, das der 28-Jährige nach nur einem Ballkontakt und dreiminütiger Einsatzzeit begangen hatte. So unschuldig Polter tat, so unumgänglich war auch die Konsequenz, zumal mithilfe des Videoassistenten – glatt Rot also.

„Für die zweite Hälfte haben wir uns noch mal etwas ausgerechnet, und dann schwächen wir uns zum dritten Mal im fünften Spiel mit einer Roten Karte. Das geht schlussendlich einfach nicht“, sagte Fischer später. Er sah dabei sehr grimmig aus.

Anzumerken ist hierbei, dass es erst die zweite Rote Karte für die Berliner war. Die erste hatte Innenverteidiger Keven Schlotterbeck beim 1:1 in Augsburg erhalten, die vermeintlich zweite war die Ampelkarte für Neven Subotic, ebenfalls ein Innenverteidiger, im Heimspiel gegen Werder Bremen gewesen; also einmal Rot, einmal Gelb-Rot und nun wieder Rot.

Mehr Spiele in Unter- als in Gleichzahl

Aber derlei Feinheiten interessierten verständlicherweise nur am Rande. Unterm Strich beendeten die Berliner, seit sie in der Bundesliga spielen, weniger Spiele in Gleichzahl als in Unterzahl. Geht das so weiter, muss Manager Oliver Ruhnert beim Kader doch noch einmal nachbessern.

„Keine Mannschaft kann es sich leisten, ständig in Unterzahl zu spielen. Ich weiß nicht, ob das dumm ist oder woran es liegt“, sagte Mittelfeldspieler Robert Andrich. In der vergangenen Saison gab es ebenfalls drei Platzverweise für die Berliner – allerdings nach 34 Spieltagen und ohne Videobeweisbilder.

„Da müssen wir uns cleverer verhalten. Das sind dann dumme Rote Karten. Das darf uns in dieser Häufigkeit einfach nicht passieren“, sagte Fischer. Polter sagte nur, dass er nichts sagen wolle. Obwohl er sonst einer der Meinungsführer bei Union ist. Er schien zu wissen, dass ihm sein kurzer und frustrierender Auftritt im Leverkusener Stadion reichlich misslungen war. So wie dem Stürmer in dieser Saison grundsätzlich wenig gelingt.

Immer feste drauf: Marius Bülter (rechts) und der 1. FC Union hatten in Leverkusen (links Lars Bender) alle Füße voll zu tun.
Immer feste drauf: Marius Bülter (rechts) und der 1. FC Union hatten in Leverkusen (links Lars Bender) alle Füße voll zu tun.

© Foto: Federico Gambarini/dpa

Sebastian Polter ist ein groß gewachsener Fußballer mit kräftigen Oberschenkeln und einem Körper, der die Liga der Tarzans und Herkulesse nicht scheuen muss. Er ist ein Angreifer mit Aura, den Gegenspieler fürchten, Mitspieler respektieren und die Union-Fans lieben. Wenn er nach 60, 70 Minuten den Rasen betritt, geht ein Rasseln durchs Stadion, zumindest aber durch die Mannschaft. Polter ist ein Hauruck-Spieler. In der Zweiten Liga jedenfalls war er das. Da gelangen ihm 42 Tore in 88 Spielen, 14 weitere bereitete er vor.

In der Ersten Liga haben sich die Gewichte ein wenig verschoben, nicht eben zum Vorteil Polters. Bislang kommt er lediglich auf Teilzeiteinsätze. Und beim einzigen Sieg seiner Mannschaft, dem furiosen 3:1 gegen Dortmund, fehlte er gänzlich.

Polter ist im Angriff nur vierte Wahl

Jüngst mäkelte Polter über seine Reservistenrolle. Er sei in einer Phase, die er in dieser Art bei Union noch nicht erlebt habe. Die Phase gestaltet sich so, dass Polter am dreifachen Torschützen Sebastian Andersson nicht vorbeikommt. Und auf der zweiten Position im Angriff setzte ihn Fischer auch nie als Startspieler ein.

Polter wisse, woran er arbeiten müsse, sagte Fischer jüngst zu dieser Causa. Der Trainer sieht Polter derzeit eher als vierte Wahl im Sturm. Zunächst gab er Anthony Ujah den Vorzug für den Platz neben Andersson, in Leverkusen durfte Neuzugang Marcus Ingvartsen beginnen.

Für Polter ist das eine wenig erfreuliche Entwicklung, sie dürfte ihn nachdenklich stimmen. Am Ende der Saison läuft sein Vertrag aus. Er muss Werbung in eigener Sache betreiben, doch dazu benötigt er mehr Einsatzzeiten. Nach dem Auftritt in Leverkusen wird das in den kommenden Spielen nicht möglich sein. Mindestens zwei, eher drei Spiele Sperre drohen ihm. Klar ist: Sebastian Polter hat in Berlin schon wesentlich bessere Phasen erlebt.

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