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Diskussionsbedarf. Löw und Bierhoff schließen sich in der DFB-Zentrale ein.

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Update

Drei Wochen nach dem WM-Aus: Die Analyse hat begonnen: Löw bespricht sich mit Bierhoff

Bundestrainer und Teammanager treffen sich erstmals nach dem WM-Aus - ohne Präsident Grindel. Die Chefs der Landesverbände erhalten einen Maulkorb.

Dass Joachim Löw gerade ein kleines bis mittelgroßes Imageproblem hat, ist keine besonders originelle Feststellung. Am Mittwoch aber dürfte das den meisten noch einmal bewusst geworden sein, weil der Bundestrainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft etwas getan hat, was ihm seinem aktuellen Image zufolge im Moment wohl die wenigsten zugetraut hätten. Löw wurde ja in diesen Tagen wer weiß wo vermutet: in einem seiner Lieblingscafés in Freiburg, wo der Espresso so viel besser schmeckt als in Russland; an seinem Zweitwohnsitz in Berlin, in seiner perfekt abgeschirmten Wohnung im Tiergarten.

Oder – die wahrscheinlichste Variante – an einem der üblichen Sommerhotspots der Hautevolée, auf Mykonos also, Sardinien oder Ibiza und selbstverständlich immer mit seiner Pilotensonnenbrille auf der Nase. Stattdessen wurde Löw am Mittwochvormittag in Frankfurt am Main beim Betreten der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main gesichtet. Ohne Sonnenbrille.

Beschäftigt. Joachim Löw vor der DFB-Zentrale in Frankfurt, wo er sich mit Oliver Bierhoff trifft.
Beschäftigt. Joachim Löw vor der DFB-Zentrale in Frankfurt, wo er sich mit Oliver Bierhoff trifft.

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Laut Deutscher Presseagentur findet eine zweitägige Klausur statt, an der neben Löw auch dessen Assistenten sowie Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft, teilnehmen. Es geht um eine erste Analyse des desaströsen Abschneidens bei der Weltmeisterschaft in Russland, bei der die Deutschen als Titelverteidiger schon in der Vorrunde ausgeschieden sind. Drei Wochen sind seit dem letzten Gruppenspiel gegen Südkorea vergangen. Drei Wochen, in denen von Löw nichts zu vernehmen war, außer seiner per Pressemitteilung verbreiteten Erklärung zu seinem Verbleib im Amt. Drei Wochen, in denen vor allem über Löw diskutiert wurde, über den Deutschen Fußball-Bund und dessen misslungenes Krisenmanagement.

Ottmar Hitzfeld attackiert Löw

Dass am Donnerstag ein Pressefotograf vor der DFB-Zentrale wartete, als Löw eintraf, kann man für Zufall halten. Muss man aber nicht. Seht her, der Bundestrainer arbeitet doch, er geht die Dinge an und liegt nicht etwa faul am Strand, lautet die Botschaft. Und die soll möglichst breit gestreut werden.

Das ist in etwa so, als wenn VW die für die Abgas-Manipulationen verantwortlichen Manager und Ingenieure mit der Aufarbeitung des Diesel-Skandals betraut hätte.

schreibt NutzerIn spreeathen

Beim DFB scheinen einige Leute erkannt zu haben, dass es nicht reicht, einfach nur nichts zu tun und abzuwarten; dass man dem allgemeinen Eindruck ein paar frische Bilder entgegensetzen muss – auch wenn sich am bisherigen Zeitplan nichts geändert hat: Erst zum Bundesligastart in mehr als einem Monat erwartet der DFB vom Bundestrainer Antworten auf die Frage, wie denn die von ihm selbst angekündigten tiefgehenden Maßnahmen und gravierenden Veränderungen aussehen sollen.

Die Debatte hat sich längst verselbstständigt. Philipp Lahm, Ehrenspielführer der Nationalmannschaft und EM-Botschafter des DFB, hat Löw zu einem anderen Führungsstil geraten, was nun wiederum Rudi Völler, der Sportdirektor von Bayer Leverkusen, und Jürgen Klopp, der Trainer des FC Liverpool, in der „Sportbild“ kritisiert haben – während Ottmar Hitzfeld Lahm zugestimmt hat. Der frühere Trainer der Bayern hat in einem Interview mit der „Abendzeitung“ auch die Untätigkeit des Bundestrainers kritisiert.

Es erschien genau an dem Tag, an dem Löw überraschend in der DFB-Zentrale auftauchte. „Ganz Deutschland hat gehofft, dass Jogi Löw sich gleich mit Bierhoff und dem DFB zusammensetzt und analysiert. Das ist ja eigentlich nicht so schwierig“, hat Hitzfeld gesagt – und damit wohl die Mehrheitsmeinung im Fußballvolk wiedergegeben. „Im Vereinsleben könnte man auch nicht sagen: ,Ja, in zwei Monaten werden wir die Analyse dann bekannt geben.’ Da muss man eigentlich schnell handeln. Das sollte auch beim DFB der Fall sein, weil auch die Fans einen berechtigten Anspruch darauf haben.“

Der DFB will, dass der DFB schweigt

Schon wegen solcher Wortbeiträge aus der großen Fußballfamilie sollte der DFB eigentlich daran interessiert sein, die Angelegenheit möglichst schnell vom Tisch zu bekommen. Die Debatte lässt sich für den Verband nur schwer kontrollieren. Mit dem Präsidenten des Sächsischen Fußball-Verbandes hat sich dieser Tage sogar der erste DFB-Funktionär gegen den Bundestrainer ausgesprochen.

Für Reinhard Grindel, den Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes, ist das so etwas wie das Worst-Case-Szenario: dass sich nun die Provinzfürsten nach und nach zu Wort melden und dadurch das Bild vom einigen DFB beschädigt wird. Nach dpa-Informationen sollen sich die übrigen Landesverbandspräsidenten auf Bitten des DFB nicht mehr zu dem Thema äußern, bevor sie an diesem Donnerstag zu einem turnusgemäßen Treffen zusammenkommen.

Das beste Mittel den ausschweifenden Diskussionen die Grundlage zu entziehen wäre aber auch weiterhin vor allem eins: eine schnelle und ehrliche Analyse des Bundestrainers.

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