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Dortmunds Trainer Peter Bosz und sein Team spielen im neuen Jahr bestenfalls noch in der Europa League mit.

© Reuters

Dortmund vor dem Gastspiel in Madrid: Sie waren mal auf Augenhöhe

Der schwer angeschlagene BVB ist in der Champions League schon raus - es geht nur noch um die Europa League. Und auch insgesamt ist die Begegnung in Madrid wichtig.

Immerhin, das Wetter passt. Bei Dauerregen verließ die Delegation von Borussia Dortmund am Dienstagmorgen die Heimat, blauer Himmel und Sonnenschein empfingen sie mittags in Madrid. Das fügt sich nicht so recht in die emotionale Verfasstheit des schwer angeschlagenen Fußball-Unternehmens. Im Normalfall geht es um nichts mehr im letzten Gruppenspiel der Champions League. Das Achtelfinale ist nach nur zwei Punkten in fünf Spielen außer Reichweite, die Europa League kann kaum noch verpasst werden. Aber Borussia Dortmund ist Borussia Dortmund, ständig im Fokus einer kritischen Öffentlichkeit, die noch jede Trainingseinheit als Charaktertest wertet – und erst recht ein Champions-League-Spiel bei Real Madrid (Mittwoch 20.45 Uhr, live bei Sky).

Keine leichte Situation für Peter Bosz. Der niederländische Trainer muss im Estadio Santiago Bernabéu mal wieder das machen, was er so oft in dieser Saison getan hat. Improvisieren. So etwas wie eine eingespielte Mannschaft gibt es bei Borussia Dortmund nicht. Das mag auch der Sprunghaftigkeit des Trainers geschuldet sein, aber selbst seine größten Kritiker verweisen auf das nicht enden wollende Verletzungspech. In Madrid werden Gonzalo Castro und Maximilian Philipp fehlen, beide haben sie sich am Samstag beim 1:1 in Leverkusen schwer verletzt und werden 2017 nicht mehr auf den Rasen zurückkehren, für Philipp ist vielleicht die gesamte Saison beendet. Vorher hatte sich schon Mario Götze verletzt abgemeldet, von Marco Reus, Lukasz Piszczek, Sebastian Rode oder Erik Durm redet schon kaum jemand mehr.

Die hohe Ausfallquote steht für das Problem, mit dem Bosz in Dortmund zu kämpfen hat. Über seinen Hang zum in der Heimat geliebten 4-3-3-System ist in den vergangenen Wochen oft und erregt debattiert worden. Man mag das als Prinzipientreue loben oder als Beratungsresistenz geißeln. Aber der BVB wusste, was er bekommt, wie Bosz-Fußball funktioniert. Doch er hat ihm dafür keine geeignete Mannschaft zur Verfügung gestellt. Keine schnellen Flügelspieler, keine modernen Innenverteidiger, gesegnet mit der Fähigkeit zur passsicheren Spieleröffnung.

Bosz hat eine Tuchel-Mannschaft

Auch Thomas Tuchel hatte in seinem ersten Dortmunder Jahr eine Mannschaft vorgefunden, die weitgehend dem auf frühes Gegenpressing basierenden Stil Jürgen Klopps verpflichtet war. Erst im zweiten Jahr hat er die Umbaumaßnahmen für sein taktisch variables Spiel vornehmen dürfen. Bosz muss seine grundverschiedene Fußball-Idee mit einer Tuchel-Mannschaft umsetzen. Ohne den zukünftigen Weltstar Dembélé, ohne den verhinderten Weltstar Marco Reus, mit einem lustlos über den Platz spazierenden Pierre-Emerick Aubameyang, ohne dessen Tore die erfolgreiche Saison unter Tuchel kaum möglich gewesen wäre.

Der Lokaltermin in Madrid erinnert die Dortmunder noch einmal an diese spektakuläre Vergangenheit, die doch ein Versprechen in die Zukunft hatte sein sollen. Auch vor einem Jahr spielte der BVB in der Vorrunde gegen Real Madrid, und wie! Da war zunächst die Ouvertüre daheim im September. Nebenan in der Westfalenhalle sang Helene Fischer „Atemlos durch die Nacht“, eine Art Soundtrack für ein atemberaubendes Fußballspiel. André Schürrle schaffte kurz vor Schluss das Tor zum 2:2, das allerdings eher Real als Erfolg für sich verbuchen durfte. Es war der Abend des gerade 18-jährigen Ousmane Dembélé, der mit seinen Hochgeschwindigkeitsdribblings die hochdekorierte Abwehr des Gegners von einer Verlegenheit in die nächste stürzte.

Auch im vergangenen Dezember gastierte Dortmund beim Vorrundenfinale im Bernabéu. Wieder gab es ein 2:2, Aubameyang und Reus kurz vor dem Abpfiff glichen mit ihren Toren noch einen 0:2-Rückstand aus und bescherten den Dortmundern den Gruppensieg, vor dem späteren Champions-League-Sieger Real Madrid.

Aubameyang sorgt für Irritationen

Wenig erinnert heute noch an den Glanz dieser Tage. Dembélé hat sich im Sommer seinen Wechsel zum FC Barcelona erstreikt, Reus ist derzeit mal wieder verletzt, Aubameyang irritiert mit seinen Kapriolen jenseits des Platzes die eigenen Kollegen mehr als die Gegner im eigentlichen Kerngeschäft. Der Rest ist gezeichnet von der Verunsicherung der anhaltenden Misserfolgsserie. Seit sieben Bundesligaspielen ist Dortmund ohne Sieg. Wer will da schon auf eine Trendwende in Madrid hoffen? Immerhin, das Wetter passt.

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