zum Hauptinhalt
Erster! Dem 100-Meter-Sprinter Christian Coleman droht eine Sperre.

© John Thys/AFP

Dopinggerüchte um Christian Coleman: Die Leichtathletik bangt um den Nachfolger von Usain Bolt

Christian Coleman ist derzeit der schnellste Mann der Welt. Nun droht ihm eine Sperre. Er wäre nicht der erste prominente Sünder im Sprint.

Er soll doch der Nachfolger von Usain Bolt werden, der Sprinterlegende. Aber für Christian Coleman beginnen Tage des Zitterns. Wie britische Medien berichteten, soll der US-Amerikaner innerhalb von einem Jahr drei Dopingtests versäumt haben. Sollten sich die Meldungen bestätigen, droht Coleman eine zweijährige Sperre. Er würde die Leichtathletik-Weltmeisterschaften in diesem Jahr in Doha sowie die Olympischen Spiele im nächsten Jahr in Tokio verpassen. Doch so weit ist es noch nicht. Es gibt noch keine Bestätigung dafür. Auch auf Tagesspiegel-Anfrage reagierte die US-amerikanische Anti-Doping-Agentur (Usada) nicht.

Colemans Anwälte bestreiten die Vorwürfe. Tatsächlich sind verpasste Trainingskontrollen in der Welt des Spitzensports gang und gäbe. Es muss nicht bei jedem Versäumnis gleich ein Dopingfall vorliegen. Die Athleten sind verpflichtet, für jeden Tag ihren Aufenthaltsort anzugeben. Doch im Leben gibt es Unwägbarkeiten, Termine oder Ereignisse, die kurzfristig dazwischenkommen. Ein Punkt ist sicher auch, dass die Sportler genervt sind von der totalen Kontrolle der Dopingaufseher und diese hin und wieder bewusst im Unklaren über Standort lassen. Nun herrschte im Fall Christian Coleman im Freitag noch völlige Ungewissheit. Eine Sperre würde die Leichtathletik schwer treffen, auch wenn damit noch kein konkreter Dopingfall belegt wäre.

Es gibt keinen anderen Sprinter derzeit auf der Welt, der nur annähernd so beschleunigen kann wie Christian Coleman. Der 23-Jährige ist ein Naturereignis im Sprint. Sein explosiver Start erinnert an den einstigen Weltrekord- und Skandalläufer Ben Johnson. Coleman gewann in der vergangenen Saison die Diamond-League-Serie, zudem stellte er einen neuen Weltrekord über 60 Meter in 6,34 Sekunden auf. In diesem Jahr läuft es ähnlich. Coleman gewinnt fast alle wichtigen Rennen und mit einer Zeit von 9,81 Sekunden, erzielt bei leichtem Gegenwind in Palo Alto (USA) Ende Juni, führt er auch die Weltjahresbestenliste an. Coleman also ist der unumstrittene König über die 100 Meter, der große Favorit auch auf den Sieg bei den Weltmeisterschaften in diesem Herbst in Doha - vorausgesetzt natürlich, er ist startberechtigt.

Sein größtes Problem bislang war, dass er der schnellste Mann nach der Sprinterlegende Bolt ist. Bolt war über zehn Jahre die Überfigur in der Leichtathletik. Er pulverisierte die Weltrekorde über 100 und 200 Meter. Der 1,96 Meter große Athlet rannte Zeiten, die kaum jemand für möglich gehalten hatte. Zudem war Bolt eine Rampensau. Er machte schon eine gute Show, bevor er auf der Bahn loslegte. Wegen Bolt wurden in der Leichtathletik die Stadien voll und wegen ihm schalteten Millionen die Fernseher ein.

Coleman konnte bislang bei weitem nicht einen solchen Hype entfachen. Er gewann ein Rennen nach dem anderen und am Ende kam doch wieder die Frage, ob er seinem Vorgänger Bolt nacheifere. "Ich will nicht Usain Bolt sein", sagte er vor wenigen Wochen einem Reporter der britischen "Sun". "Ich will überhaupt niemand anderes sein. Ich will die beste Version von Christian Coleman sein."

Der Sprint hat eine belastete Vergangenheit

Coleman ist ein stiller, zurückhaltender Mann mit einem Wahnsinns-Antritt, aber nicht unbedingt mit der Verheißung, dass er irgendwann einmal an die besten Zeiten von Bolt herankommt. Dessen Weltrekord liegt über 100 Meter bei 9,58 Sekunden, gelaufen bei den Leichtathletikweltmeisterschaften 2009 in Berlin. Colemans Bestleistung sind die 9,79 aus dem vergangenen Jahr in Brüssel. Es fehlt also noch ordentlich was zur Legende. Auf der anderen Seite: Coleman ist erst 23 Jahre alt. „Ich glaube nicht, dass ich schon auf dem Höhepunkt bin“, sagt er. „Ich habe noch ein paar Jahre vor mir, um besser zu werden.“ Nun also kann es sein, dass der neue Überflieger im Sprint erst einmal raus ist aus dem Rennen.

Der 100-Meter-Sprint hat dabei eine ausgesprochen belastete Vergangenheit. Immer wieder war es zu prominenten Dopingfällen gekommen. Ben Johnson, Linford Christie, Justin Gatlin, Tyson Gay oder Asafa Powell und Nesta Carter, um nur wenige zu nennen – sie alle sprinteten mit Substanzen im Blut, die sie nicht im Blut haben durften. Auch um Usain Bolt gab es Gerüchte. Das lag in der Natur der Sache. Denn warum also sollte der Allerschnellste sauber sein? Zumal etliche Berichte vorlagen über die laxen Dopingkontrollen in Bolts Heimatland Jamaika.

Der Name Christian Coleman fiel in diesem Zusammenhang so gut wie nie. Er galt als Saubermann, als Athlet einer neuen, sauberen Generation im Sprint. Als er vor zwei Jahren bei den Weltmeisterschaften in London am Start stand, wurde er laut bejubelt. Sein Landsmann, der bereits wegen Dopings gesperrte Justin Gatlin, wurde dagegen vom Londoner Publikum gnadenlos ausgebuht. Gatlin gewann das Rennen trotzdem. Auch in diesem Jahr in Doha könnten nach dem 100-Meter-Sprint die Pfiffe den Jubel übertönen. Denn wer weiß, sollte Coleman nicht teilnehmen, reißt im Ziel vielleicht erneut der alte Buhmann Gatlin die Hände nach oben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false