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Ein Weg dran vorbei. Bereits zum Saisonstart konnten die Berliner (hier rechts Vedad Ibisevic gegen Bayerns Niklas Süle) in München einen Punkt mitnehmen.

© Sven Hoppe/dpa

Dietmar Hamann im Interview: „Die Bayern sind nicht mehr unantastbar“

Der ehemalige Nationalspieler Dietmar Hamann über den Rückrundenstart in der Bundesliga, das spannende Titelrennen und warum es Hertha noch nach Europa schafft.

Dietmar Hamann, 46, hat unter anderem für den FC Bayern, den FC Liverpool und Manchester City gespielt. 2002 stand er mit dem DFB-Team im WM-Finale. Er ist als Experte für Sky tätig. Im Interview spricht er über den Kampf um die Meisterschaft, den Rückrundenstart und die Aussichten der zwei Berliner Bundesligisten.

Herr Hamann, Tabellenführer Leipzig und der FC Schalke auf Platz fünf trennen nur sieben Punkte. Erinnern Sie sich, wann es zum letzten Mal vor dem Rückrundenstart der Fußball-Bundesliga so eng war?
Das muss lange her sein. Vor zwölf bis 15 Jahren?

Es war die Saison 2009/10. Herbstmeister Leverkusen hatte fünf Punkte mehr als der Tabellenfünfte Borussia Dortmund. Meister wurde am Ende …
… der FC Bayern.

Mit fünf Punkten Vorsprung auf Schalke.
Dass sie dieses Jahr mit fünf Punkten Vorsprung Meister werden, glaube ich nicht. Ich sehe die Münchner generell nicht mehr in der Favoritenrolle. Gefühlt haben fünf oder sechs Teams Chancen. Mit den besten Aussichten für RB Leipzig.

Hat Sie Leipzig überrascht?
Ich dachte vor der Saison, dass sie mit Julian Nagelsmann als Trainer innerhalb von drei Jahren Meister werden können. Dass sie es jetzt schon schaffen können, hat mich tatsächlich überrascht. Sie hatten viele Verletzte und haben es trotzdem toll hingekriegt.

Allerdings ist der Druck in der Rückrunde noch einmal größer.
Wenn Leipzig nach 26 Spielen weiterhin oben steht, gibt es acht Endspiele. Darauf kannst du dich nicht vorbereiten. Die Bayern haben ganz viel Erfahrung mit solchen Situationen, Leipzig nicht. Aber ich traue Julian Nagelsmann zu, den Spielern zu vermitteln, dass sie ihre Leichtigkeit und Unbekümmertheit behalten, wenn es um alles geht.

Kann noch ein Team ganz oben eingreifen?
Leipzig und die Bayern sehe ich ein Stück über dem Rest. Aber Dortmund sollten wir nicht vergessen. Erling Haaland ist eine große Verstärkung, seine Verpflichtung wird auch den Spielern um ihn herum helfen.

Los geht es an diesem Freitagabend mit Schalke gegen Mönchengladbach.
Gewinnt Schalke, was ich für nicht unwahrscheinlich halte, wird es oben noch enger. Unten haben einige Vereine am Ende der Hinrunde gut gepunktet, da wird es auch eng. Möglicherweise bekommen wir eine der spannendsten Rückrunden der letzten 20 Jahre.

Dietmar Hamann, 46, hat unter anderem für den FC Bayern, den FC Liverpool und Manchester City gespielt. 2002 stand er mit dem DFB-Team im WM-Finale. Er ist als Experte für Sky tätig.
Dietmar Hamann, 46, hat unter anderem für den FC Bayern, den FC Liverpool und Manchester City gespielt. 2002 stand er mit dem DFB-Team im WM-Finale. Er ist als Experte für Sky tätig.

© imago/ActionPictures

Welche Rolle trauen Sie Union zu?
Der 1. FC Union war eine der positiven Überraschungen. Trainer Urs Fischer macht einen super Job. Union wird die Klasse sicher halten.

Die Bundesliga ist spannend wie selten. Spannend ist jedoch auch immer, wie gut sie im internationalen Vergleich dasteht.
Vor einem Jahr hieß es, sie ist zweit- oder sogar drittklassig. Natürlich ist es schwer, vor allem mit den Engländern Schritt zu halten, die völlig andere finanzielle Möglichkeiten haben. In dieser Saison zeigt die Bundesliga aber, dass sie noch dabei ist bei den Großen. Die Bayern haben in der Champions League alle Spiele gewonnen, Leipzig und Dortmund haben es hervorragend gemacht. In der Europa League lief es ebenfalls sehr gut. Alle bis auf die Gladbacher sind weiter. Die haben jedoch eine unglückliche Figur abgegeben, vor allem beim 0:4 gegen Wolfsberg zu Beginn.

Hertha startet am Sonntag mit einem Heimspiel gegen Bayern in die Rückrunde. Wie viel Aussagekraft hat Bayerns 2:5-Niederlage im Testspiel beim abstiegsbedrohten Zweitligisten Nürnberg?
Wenn beide in der zweiten Halbzeit ihren zweiten Anzug spielen lassen und der der Nürnberger ist drei Tore besser, dann ist das alarmierend. Du brauchst Tiefe im Kader. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Bayern wahrscheinlich noch mehr als 25 Spiele bis Saisonende bestreiten. Da erscheint auch die Diskussion um Neuverpflichtungen noch einmal in einem anderen Licht.

Trainer Hansi Flick hatte bereits zuvor öffentlich Verstärkungen gefordert.
Er ist nicht mehr Interimstrainer, er muss jetzt sein Profil schärfen. Denn wenn es nicht läuft, werden wir ihn im Sommer nicht mehr als Trainer sehen. Wenn er der Meinung ist, dass Verstärkungen nötig sind, hat er natürlich das Recht, das öffentlich zu äußern.

Sportdirektor Hasan Salihamidzic hatte ihn dafür jedoch kritisiert.
Der Sportdirektor kann Dinge anders sehen als der Trainer, das ist keine Frage. Aber der FC Bayern hat in der jüngeren Vergangenheit einige Sachen medial nicht so transportiert, wie es für diesen Verein würdig wäre. Sei es die Diskussion um Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen in der Nationalmannschaft oder die Pressekonferenz mit Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und Hasan Salihamidzic im Herbst 2018. Sie sind dünnhäutiger geworden bei den Bayern.

Wären denn Verstärkungen nötig?
Auf der Rechtsverteidigerposition sehe ich den Bedarf nicht so groß. Die offensive Außenbahn ist eher ein Problem. Serge Gnabry und Kingsley Coman gehören dort zu den fünf oder sechs besten Spielern der Welt. Aber beide sind verletzungsanfällig. Das schwächt die Mannschaft gewaltig. Und wenn junge Spieler bereits eine Verletzungshistorie haben, werden die Probleme im weiteren Karriereverlauf meist nicht weniger.

Was erwarten Sie für das Spiel in Berlin?
Die Bayern haben viele Verletzte. Außerdem ist der erste Spieltag nach der Pause immer schwierig, da kannst du eher einen der Favoriten ärgern als fünf Wochen später. Hertha hat eine große Chance, nicht ohne Punkte aus dem Spiel zu gehen.

Welche Folgen hätte das für die Bayern?
Im Falle einer Niederlage wären sie vielleicht sieben Punkte hinter Leipzig und die Diskussionen gingen gleich wieder los. Früher waren viele Gegner der Münchner zufrieden, mit 0:2 oder 0:3 aus dem Spiel herauszukommen. Diese Angst ist weg. Die Bayern sind nicht mehr unantastbar.

Nicht nur bei den Bayern war in der Winterpause einiges los. Auch rund um Hertha. Der neue Performance Manager Arne Friedrich sagt, dass für das Erreichen großer Ziele Größenwahn dazugehört. Manager Michael Preetz sagt, er werde auch auf die Bremse treten. Welche Strategie ist richtig?
Am Ende geht es um die Mischung zwischen Visionen auf der einen Seite und Leuten, die auch mal bremsen wie Michael Preetz. Letztlich müssen Punkte her, sonst hilft die beste Strategie nichts. Das hat Hertha bisher unter Trainer Jürgen Klinsmann sehr gut gemacht. Jürgen ist einer, der Euphorie entfachen kann.

Wo kann Hertha in dieser Saison landen?
Hertha kann in die obere Hälfte kommen, vielleicht geht sogar noch etwas Richtung Europa League. Und durch eine gute Rückrunde kannst du dir Selbstvertrauen holen und den Stellenwert des Vereins verbessern. Wenn Hertha jetzt einen Spieler will, sind auch fünf andere Klubs dran. Sportlicher Erfolg würde die eigene Position deutlich verbessern. Dann wollen die Spieler zum Klub und man muss nicht mehr sagen: Bitte, komm doch zu uns.

Ist das eine kurz- oder eine langfristige Sache?
Alles muss Schritt für Schritt gehen. Von Position zwölf aus kann man schlecht sagen, wir wollen nächste Saison Meister werden. Aber eines ist klar: In Berlin ist die Strahlkraft für dieses Projekt eine andere als in anderen Städten.

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