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Vom Abstiegskampf in die Champions League. 2003 wird Felix Magath mit dem VfB Stuttgart Vizemeister und anschließend von seinen Spielern auf Händen getragen.

© DPA/DPAWEB

Die Verwandlung von Felix Magath: Vom Feuerwehrmann zum Entwickler und wieder zurück

Felix Magath trifft mit Hertha BSC auf den VfB Stuttgart. Die Schwaben haben in seiner Karriere als Trainer eine entscheidende Rolle gespielt.

Timo Hildebrand erinnert sich noch genau daran, wo und wie er von der Nachricht erfahren hat, die einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Verlauf seiner Karriere als Fußballer nehmen sollte. Es war in Vigo, im Frühstücksraum des Mannschaftshotels des VfB Stuttgart.

Hildebrand und der VfB waren am Abend zuvor durch ein 1:2 gegen Celta Vigo aus dem Uefa-Pokal ausgeschieden, und es war absehbar, dass es für Trainer Ralf Rangnick nach dieser Niederlage keine Zukunft mehr geben würde. Der VfB hatte sogar schon Vorkehrungen für diesen Fall getroffen, und wie die aussahen, das konnten Hildebrand und seine Kollegen nun auf dem Fernseher im Frühstücksraum des Mannschaftshotels nachlesen, Weiß auf Schwarz im Videotext. Felix Magath, so hieß es dort, solle ihr neuer Trainer werden.

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„Da sind bei vielen Spielern die Gesichtszüge entglitten“, erinnert sich Hildebrand, der damals 21 Jahre alte Torhüter des VfB. „Bei mir auch." Der Name des neuen Trainers löste bei den Stuttgartern „einen Riesenrespekt, ja sogar eine Riesenangst“ aus. Magath galt als Schleifer, wurde Quälix genannt – und das nicht zu Unrecht, wie die Stuttgarter Profis schnell merken. „Es war eine harte Zeit für uns“, erinnert sich Hildebrand 21 Jahre später, „aber auch eine erfolgreiche.“

An diesem Sonntag (17.30 Uhr/Dazn) trifft Felix Magath als Trainer von Hertha BSC auf den VfB, seinen ehemaligen Klub. Und auch wenn er sich Sentimentalitäten im Abstiegskampf nicht leisten kann, äußert er sich vor diesem Duell mit ausgesucht warmen Worten über seinen einstigen Verein. „Der VfB Stuttgart war für mich rundherum die schönste Phase“, sagt der 68-Jährige. „Eine tolle Zeit. Ich denke gern dran zurück.“

Von Februar 2001 bis zum Ende der Saison 2003/04 war Magath Trainer bei den Schwaben, dreieinhalb Jahre lang. Das ist Rekord, sowohl für Magath als auch für den VfB. „Dreieinhalb Jahre Trainer beim VfB Stuttgart, das ist etwas Besonderes. Da ziehe ich den Hut vor“, sagt Fredi Bobic, Herthas Sportgeschäftsführer, der selbst beim VfB gespielt hat und später dort Sportdirektor war.

„Beim VfB Stuttgart habe ich die Kurve gekriegt“, sagt Magath

Aber nicht nur deshalb nimmt der Klub in Magaths Trainerkarriere eine besondere Rolle ein. „Das war für mich die Station, wo ich die Kurve gekriegt habe“, sagt er. „Bis dahin habe ich immer nur Abstiegskandidaten übernommen. Ab dem Zeitpunkt hat sich das verändert.“ Vom VfB ging er 2004 zu den Bayern und holte dort zweimal nacheinander das Double. „Der VfB hat ihm die Chance gegeben, sich von seinem Image als Feuerwehrmann zu befreien. Diese Chance hat er genutzt“, sagt Timo Hildebrand.

Vor dem VfB war Magath das, was er auch jetzt bei Hertha wieder ist: ein Mann für die aussichtslosen Fälle. Vor dem Engagement in Stuttgart war er viermal in nur vier Jahren entlassen worden, zuletzt gerade vier Wochen zuvor bei Eintracht Frankfurt. Doch das schreckt Rolf Rüssmann nicht ab. „Wir brauchen einen Trainer mit Kenntnissen im Abstiegskampf“, sagt der Sportchef der Stuttgarter, die nach dem 22. Spieltag mit 21 Punkten auf dem vorletzten Tabellenplatz liegen. Magath ist dafür genau der Richtige: „Der ist windgegerbt, der hatte schon ganz andere Baustellen, der steht wie eine Eins.“

Für Timo Hildebrand war Felix Magath einer der wichtigsten Trainer seiner Karriere. Unter ihm schaffte es der Torhüter des VfB Stuttgart in die Nationalmannschaft.
Für Timo Hildebrand war Felix Magath einer der wichtigsten Trainer seiner Karriere. Unter ihm schaffte es der Torhüter des VfB Stuttgart in die Nationalmannschaft.

© imago/Sportfoto Rudel

Als Magath beim VfB die Arbeit aufnimmt, ist sein Image längst da. Die „Stuttgarter Zeitung“ begleitet die Anfangszeit mit einer Rubrik, die „Wellness mit Felix“ heißt und Zeugnis darüber ablegt, was Magath seinen Profis Tag für Tag abverlangt.

Gleich bei einer der ersten Einheiten muss sich Roberto Pinto vor Erschöpfung in eine Hecke neben dem Trainingsplatz übergeben. Auf dem Weg in die Kabine raunt er einem Journalisten zu: „Hier kann ich nicht bleiben.“

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Die meisten Spieler aber folgen dem Trainer. Denn weil der VfB am Rande des finanziellen Ruins steht, ist Magath gezwungen, auf Talente aus dem eigenen Nachwuchs zu setzen. Und die jungen Spieler tun, was der Trainer von ihnen verlangt. Das ist einiges. „Er hat das Maximale gefordert“, sagt Hildebrand.

Auch das ist Teil der Geschichte, die zu einem modernen Fußballmärchen wird. Magaths junge Wilde verzücken das Publikum. Aus dem Feuerwehrmann wird ein Projektentwickler. In der ersten Saison rettet Magath den VfB vor dem Abstieg, in den drei Jahren danach qualifiziert er sich jeweils für den Europapokal, einmal sogar für die Champions League.

Lahm und Gomez schafften den Durchbruch

„Und unter ihm sind viele superinteressante junge Spieler groß geworden“, sagt Herthas Sportchef Bobic über Magaths Wirken in Stuttgart. Mario Gomez zum Beispiel, der es aus der Jugend des VfB zu den Profis schafft. Oder Philipp Lahm, den die Stuttgarter aus der U 23 des FC Bayern ausgeliehen haben.

Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch Magaths geschickter Umgang mit den routinierten Spielern, in diesem Fall Zvonimir Soldo und Krassimir Balakow. Vor allem den Bulgaren Balakow, der unter seinem Vorgänger Rangnick arg in der Kritik stand, stärkt Magath mit allem, was er hat. So ähnlich, wie er es aktuell bei Hertha mit Kevin-Prince Boateng tut, den viele schon nicht mehr auf dem Schirm hatten und der an diesem Sonntag gegen den VfB erneut in der Startelf stehen wird. Balakow hat das Vertrauen mit Leistung und Engagement zurückgezahlt, so wie es auch Boateng vor einer Woche beim Sieg in Augsburg getan hat.

Timo Hildebrand wird unter Magath Nationaltorhüter, unter ihm stellt er den bis heute gültigen Bundesligarekord von 884 Minuten ohne Gegentor auf. Zur Bedeutung des Trainers Magath für seine Karriere sagt er: „Er war schon einer der wichtigsten, auf jeden Fall. Dass er der härteste war, das steht ja außer Frage.“

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