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Endlich dabei. In anderen Sportarten, wie hier beim Volleyball, haben iranische Frauen schon Zulass. Für den Besuch von Fußballspielen wurden sie bisher bestraft.

© Nazanin Tabatabaee/Reuters

Die späte Erkenntnis: Warum iranische Frauen endlich zum Fußball dürfen

Der Tod des „Blauen Mädchens“ hat die Regierung im Iran unter Druck gesetzt. Am Donnerstag sollen erstmals Frauen ein Fußballspiel besuchen dürfen.

Sahar Khodayari wollte ein Spiel ihres Lieblingsvereins sehen. Doch dafür musste sich die 29-jährige Iranerin als Mann verkleiden. Als einziges Land der Welt hat der Iran Frauen den Besuch in Fußballstadien bisher verboten – angeblich, um sie vor dem Anblick halbbekleideter Männer auf dem Rasen zu schützen. Rechtzeitig vor einem WM-Qualifikationsspiel der Iraner am kommenden Donnerstag hat sich das nun geändert.

Für das Heimspiel gegen Kambodscha werden auf der Webseite des Teheraner Asadi-Stadions erstmals Karten für zwei Sondertribünen angeboten, die nur für Frauen vorgesehen sind. Unbestätigten Berichten zufolge sollen bereits mehr als 90 Prozent der Tickets verkauft worden sein. Unter dem Hashtag „Frauen-Stadion“ feiern zahlreiche Iranerinnen in den sozialen Medien den Ticketverkauf als einen großen Erfolg für ihren Kampf gegen die Diskriminierung der Frauen im Land.

Für Khodayari kommt die Reform jedoch zu spät. Als sie sich im März in ein Stadion in Teheran schlich, weil dort ihr Klub Esteghlal gegen eine Mannschaft aus den Vereinigten Arabischen Emiraten antrat, war sie keinesfalls die erste Iranerin, die auf diese Weise zu einem Spiel wollte. Viele Frauen ziehen Männerkleider an, um ein Spiel zu sehen. Menschenrechtsorganisationen sagen, dass derzeit mehrere Iranerinnen im Gefängnis sitzen, weil sie in Stadien entdeckt und festgenommen wurden. Allein im August wurden Medienberichten zufolgen sechs Frauen eingesperrt.

Auch bei Khodayari funktionierte der Trick nicht. Zwar kleidete sie sich ganz in Blau, der Vereinsfarbe von Esteghlal, doch die Sicherheitsleute im Stadion erkannten sie als Frau und ließen sie festnehmen. Nach zwei Tagen im Gefängnis kam sie auf Kaution frei, doch die Justiz bereitete eine Anklage gegen sie vor. Der Vorwurf lautete auf „sündhafte Tat“, weil Khodayari in der Öffentlichkeit ohne Kopftuch angetroffen wurde, wie Amnesty International berichtet.

Die junge Frau musste deshalb Anfang September vor einem Gericht in Teheran erscheinen. Dort erfuhr sie, dass sie bei einer Verurteilung bis zu sechs Monaten ins Gefängnis müsse. Nach der Anhörung übergoss sich Khodayari vor dem Gerichtsgebäude mit Benzin und zündete sich an. Sie starb eine Woche später im Krankenhaus.

Das "Blaue Mädchen" verbrannte sich nach ihrer Anhörung

Das Schicksal des „Blauen Mädchens“, wie Khodayari seit ihrem Tod genannt wird, löste im Iran und international Empörung aus. Iranische Frauenrechtlerinnen trafen sich vor einem Stadion zu einer Protestkundgebung, auf Twitter machte der Hashtag #BlueGirl Furore, Fußballerinnen in Italien traten aus Zeichen ihrer Verbundenheit mit Khodayari mit blauen Armbändern auf. Masoud Shojaei, der Kapitän der iranischen Nationalmannschaft, nannte das Stadionverbot für Frauen das Produkt einer „verfaulten und ekelhaften Denkweise“. Die iranische Führung brachte zunächst nicht mehr zustande, als die Ankündigung einer Untersuchung und Ausflüchte.

Die „üble Sprache“ von Fußballfans im Stadion sei nun einmal nichts für Frauen, wurde ein Mitarbeiter von Präsident Hassan Ruhani zitiert. Solche Sprüche brachten die Regierung nur noch mehr in die Bredouille. Sogar im streng islamisch regierten Saudi-Arabien werden Frauen in die Fußballstadien gelassen. Der Iran stand als drakonischer Steinzeit-Staat da, der selbst hinter dem östlichen Nachbarn und Bürgerkriegsland Afghanistan zurückgeblieben war. Nur einmal im vergangenen Jahr durften Frauen ein Spiel in Teheran sehen, doch das war die Ausnahme: Weil Gianni Infantino, Präsident des Weltfußballverbandes Fifa, unter den Zuschauern war, wollten die iranischen Behörden offenbar eine Liberalisierung vortäuschen. Nach Infantinos Abreise wurde das Stadionverbot wieder durchgesetzt.

Die ersten Lockerungen. Während der WM 2018 durften iranische Frauen an Public-Viewing-Veranstaltungen teilnehmen.
Die ersten Lockerungen. Während der WM 2018 durften iranische Frauen an Public-Viewing-Veranstaltungen teilnehmen.

© AFP

Die Benachteiligung von Frauen verletzt das Diskriminierungsverbot der Fifa, doch die Funktionäre hatten das Regime in Teheran jahrelang gewähren lassen. Acht Briefe habe sie an Infantino geschrieben, ohne dass etwas geschehen sei, sagte die Frauenrechtsaktivistin Maryam Shojaei, eine Schwester von Mannschaftskapitän Shojaei, dem US-Sender CNN. Wenn die Fifa gehandelt hätte, wäre das „Blaue Mädchen“ noch am Leben.

Infantino und die anderen Fifa-Funktionäre mussten handeln und schickten eine Delegation in den Iran. Anschließend erklärte der Fifa-Chef, die Iraner hätten „zugesichert“, dass Frauen künftig im Stadion zugelassen seien. Beim WM-Qualifikationsspiel des Landes am Donnerstag ist es nun offenbar tatsächlich so weit.

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