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Mit Intuition. Frenkie de Jong (r.) beherrscht den Ball.

© Piroschka van de Wouw/Reuters

Die Hoffnung des holländischen Fußballs: Frenkie de Jong denkt immer nach vorn

Hollands Nationalspieler Frenkie de Jong gilt als das nächste große Ding im Weltfußball - dabei spielt er gegen Deutschland erst zum zweiten Mal für sein Land.

Vor einem Monat hatte die Vergangenheit des holländischen Fußballs ein erstes Date mit der Zukunft. Es dauerte nur eine Viertelstunde, und es wird auch kein zweites mehr geben. Im Länderspiel gegen Peru verließ Rekordnationalspieler Wesley Sneijder nach einer guten Stunde das Feld. In seinem 134. und letzten Länderspiel für die Elftal hatte er seit Beginn der zweiten Halbzeit mit Frenkie de Jong auf dem Platz gestanden. Dessen Debüt im Nationalteam fiel mit Sneijders Abschied zusammen. „Es war eine Ehre, noch mit dir spielen zu dürfen“, schrieb der 21 Jahre alte de Jong später bei Instagram. Vielleicht wird er davon später mal seinen Enkeln erzählen. Vielleicht ist es aber auch umgekehrt. Vielleicht wird Wesley Sneijder eines Tages seinen Enkeln erzählen: Stellt euch vor, ich habe noch mit Frenkie de Jong zusammengespielt.

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Der Mittelfeldspieler von Ajax Amsterdam gilt gerade als das nächste große Ding. Nicht nur im holländischen, sondern im Weltfußball. Alle europäischen Topklubs sollen hinter ihm her sein, auch Bayern und Dortmund. Der FC Barcelona hat in diesem Sommer erst 25 Millionen Euro geboten, später 30; Tottenham wollte 50 Millionen zahlen, und aktuell liegt das Höchstgebot angeblich bei 80 Millionen von Real Madrid. Gleich zweimal hat es de Jong inzwischen auf den Titel der spanischen Sportzeitung „Marca“ geschafft. „Mich wundert es nicht wirklich, dass um ihn so ein Hype entstanden ist“, sagt der deutsche Nationalspieler Amin Younes vom SSC Neapel, der mit de Jong bis zum Sommer bei Ajax gespielt hat. „Frenkie ist sehr ballsicher, kreativ, hat ein sauberes Passspiel. Für einen zentralen Spieler bringt er darüber hinaus ein enormes Tempo mit.“

De Jong steht für Kreativität

Wenn man ihn sieht – schmale Schultern, stahlblaue Augen, braver Seitenscheitel, weiche Gesichtszüge –, käme man kaum auf die Idee, de Jong für einen Dominator auf dem Feld zu halten. Die „Volkskrant“ aber sieht in ihm bereits das „Symbol für die neuen Zeiten“ – weil er immer nach vorne denkt und, anders als bisher im holländischen Fußball üblich, Tiefe statt Breite sucht. „Mit Frenkie de Jong kehrt die Kreativität ins Mittelfeld zurück“, hat die Zeitung nach seinem Länderspieldebüt geschrieben. De Jong ist anders, er entzieht sich den herkömmlichen Kategorien. Ist er nun ein offensiver Sechser? Oder ein defensiver Achter? Vielleicht sogar ein stürmender Verteidiger? „Frenkie kann tatsächlich so gut wie überall spielen“, sagt Amin Younes dem Tagesspiegel. „Aber ich sehe ihn am ehesten auf der Sechserposition, weil er überragend ist, wenn er das Spiel vor sich hat.“

Bei Ajax hat de Jong zeitweise sogar als Innenverteidiger gespielt, aber das war nur eine vage Positionsbeschreibung. „Am Ende lande ich sowieso im Mittelfeld“, sagt er. Dort fühlt er sich auch besser aufgehoben und stärker als in der Abwehr. Der typische Frenkie-de-Jong-Move sieht so aus: Ball annehmen, ihn am Gegenspieler vorbeilegen, kurzer Sprint – und schon tun sich neue Wege auf. Wenn er ins Dribbling geht, trägt de Jong ein Lächeln auf dem Gesicht. Man hat nicht das Gefühl, dass er in solchen Momenten in irgendeiner Weise gestresst ist, obwohl ihm sein riskantes Spiel durchaus Kritik eingebracht hat. „Mir macht es einfach Spaß zu dribbeln“, entgegnet er seinen Kritikern. „Fußball muss doch auch Spaß machen und den Leuten Freude bereiten.“

Seine Stärke: Spielverständnis

Sein Spiel ist trotzdem mehr als eine Zirkusvorstellung – weil de Jong weiß, wann er sich was erlauben kann und vieles intuitiv richtig macht. Dazu ist er ausreichend zweikampfstark und damit pressingresistent. Vor allem aber vermag de Jong mit seinen Dribblings ebenso wie mit seinen präzisen Pässen das zu schaffen, was im modernen Fußball so selten und deshalb das höchste Gut ist: Räume. „Gerade für das Offensivspiel ist er in der zentralen Rolle besonders wichtig, weil er von dort aus die Angreifer immer wieder in Szene setzen kann“, sagt Younes.

Bei seinem Länderspieldebüt vor einem Monat gab es eine Szene, die de Jong perfekt charakterisiert. Im Mittelfeld eroberte er den Ball, mit einem vertikalen Pass filetierte er anschließend die peruanische Abwehr und spielte Memphis Depay frei, der zum 1:1 traf. „Er hat auch defensive Qualitäten, weil er das Spiel lesen und viele Aktionen des Gegners antizipieren kann“, sagt Younes über seinen früheren Mitspieler, der gegen Peru gerade mal eine Halbzeit benötigte, um zur prägenden Figur im holländischen Spiel aufzusteigen. „Frenkie ist ein großartiger Fußballer mit großem Spielverständnis“, sagt Bondscoach Roland Koeman.

Nachdem die Holländer zuletzt zwei große Turniere verpasst und die Trainer schneller gewechselt haben als der HSV, regt sich im Land nun wieder zarte Zuversicht. Das hängt auch mit Frenkie de Jong zusammen. „Wir sind gesegnet mit solchen Talenten“, sagt Koeman, der für das Nations-League-Spiel am Samstag gegen Deutschland vier Neulinge nominiert hat. Vor allem aber scheint sich bei der Elftal gerade eine stabile Achse herauszubilden: mit Torhüter Jasper Cillessen (Barcelona), den Innenverteidigern Virgil van Dijk (Liverpool) und Matthijs de Ligt (Ajax), de Jong im Mittelfeld und Depay (Lyon) in der Offensive.

Nur drei Tage nach seinem Debüt für Oranje stand de Jong in der Nations League gegen Frankreich gleich in der Startelf. Der Weltmeister brauchte ein wenig, um sich auf sein grenzgängerisches Spiel zwischen Defensive und Offensive einzustellen. In der zweiten Hälfte stellten die Franzosen einen Spieler ab, der sich ein bisschen um de Jong kümmern sollte. Es war niemand Geringeres als Antoine Griezmann.

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