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Sie sucht den Abschluss. 2008 wurde Natascha Keller mit dem deutschen Team Vierte, in London will sie ihr zweites Gold holen. Foto: dpa

© picture-alliance/ dpa

Sport: Die Flamme brennt weiter

Hockeyspielerin Natascha Keller fährt mit einem vertrauten Kribbeln zu ihren fünften Spielen.

Nur alle vier Jahre finden Olympische Spiele statt, und beim Versuch, sich dafür zu qualifizieren oder als Favorit eine Medaille zu gewinnen, kann einiges dazwischenkommen. Wir stellen in unserer Serie Athleten vor, für die London die letzte olympische Chance ist. Heute zum Abschluss: Hockeyspielerin Natascha Keller.

Sie hat Olympia einiges gegeben. Treue zum Beispiel. Vor sechzehn Jahren in Atlanta war sie, mit 19, das erste Mal dabei und hat die Spiele seitdem kein einziges Mal verpasst. Ihren Ehrgeiz hat sie Olympia geschenkt und ihre Leidenschaft. Das hört sich so an: „Die ganze Welt schaut auf Olympia, und man selbst steht in der Mensa des Olympischen Dorfes und freut sich einfach unglaublich, dass man Teil davon sein darf.“ Jetzt gibt ihr Olympia noch einmal etwas. Eine Chance, die letzte, um ihre Karriere abzurunden.

Natascha Keller gehört zu den Berliner Athleten, die an diesem Donnerstag offiziell zu den Olympischen Spielen nach London verabschiedet werden. Es werden ihre fünften Spiele sein. Vor wenigen Tagen ist sie 35 geworden. Eigentlich wollte sie ihre Karriere schon längst beendet haben. Aber ging das so einfach? Mit der Hockeymannschaft war Natascha Keller bei den Spielen 2008 in Peking Vierte geworden. Das Spiel um die Bronzemedaille hatten sie verloren, und Keller war mit verweintem Gesicht vom Feld geschlurft. „So wie in Peking wollte ich nicht aufhören.“ Ein richtiges Ende ihrer Karriere konnte eigentlich nur ein gutes olympisches Ende sein.

Deshalb hängte sie noch einmal vier Jahre dran. „Ich habe das Größte schon erlebt, aber weil es so schön war, will ich es gerne noch einmal erleben.“ 2004 gewann Natascha Keller in Athen die Goldmedaille. So wie es sich für eine Hockeyspielerin aus ihrer Familie eben gehört, schließlich war ihr Vater 1972 in München Olympiasieger geworden, ihr älterer Bruder Andreas holte 1992 Gold, ihr jüngerer Bruder Florian schaffte es dann vier Jahre nach ihr in Peking.

Natascha Kellers Erfolg, die geteilte Freude der deutschen Hockeyspielerinnen, war ein emotionaler Höhepunkt jener Spiele von Athen 2004. Die ganze Wucht dieses Erfolgs bekamen sie und ihre Mannschaftskolleginnen erst nach der Siegerehrung zu spüren. „Da war im Bus zehn Minuten absolute Ruhe. Wir waren alle so erschlagen. Es waren einfach zu viele Gefühle.“ Und noch etwas hat sie 2004 erfahren. „Olympia ist nicht vorbei, wenn die Flamme ausgeht.“ Olympia ging zu Hause in Berlin weiter. „Als wir gelandet sind, sind wir mit unglaublich viel Lärm empfangen worden. Es gab zwei Doppeldecker und einen Autokorso für uns, und das Klubhaus beim Berliner HC war ganz in Gold geschmückt. Das gehört für mich zu den Spielen dazu: die Ankunft und dass so viele Menschen Anteil nehmen.“ Die Feierlichkeiten erstreckten sich für sie bis Ende 2004, bis zur Wahl des Hockeyteams zu Deutschlands Mannschaft des Jahres.

Bei ihren fünften Spielen in London werden sich für sie nun Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft treffen. Denn einerseits hat sie schon angefangen, zurückzuschauen. „Rückblickend bin ich sehr zufrieden mit meiner Karriere. Ich konnte Sport mit meinem Leben immer super verbinden.“ Einmal spielte sie mit dem Gedanken, Hockeyprofi in Holland zu werden. Doch sie blieb Hockeyamateur in Deutschland. „Profisport war wahrscheinlich nicht mein Weg.“ Weil Natascha Keller weiß, dass es ihre letzten Spiele sein werden, sammelt sie auch schon Erinnerungen. „Ich drehe Filmchen, ich mache Fotos. Und ich habe dabei den Eindruck, dass ich alles noch mehr genieße.“

Andererseits lebt sie ganz in der Gegenwart einer olympischen Athletin. „Bei der Präsentation der Olympiamannschaft im April in Düsseldorf hatte ich schon wieder dieses Kribbeln.“ Eine Olympiateilnahme, das sei für sie auch das Zusammenwachsen einer Mannschaft, das gemeinsame Weiterentwickeln. Olympia kann sie als Hockeyspielerin ohnehin noch intensiver erleben als manche Sportarten, die früh bei Olympia aufhören oder erst spät anfangen. „Wir sind von Anfang an da, vom Einleben im Dorf, von den Anfängen des Deutschen Hauses bis zum Ende. Wir sehen, wie die Stadt sich entwickelt.“

Im Gegensatz zu manchen ihrer Kolleginnen hat für sie aber auch schon mehr Zukunft begonnen. Keller hat ihr Studium der Betriebswirtschaft schon lange abgeschlossen und arbeitet nun beim Sportmarketing- und Merchandising-Unternehmen M.A.X. „Ich weiß schon, wie es für mich nach dem Sport weitergeht“, sagt sie.

Kann man mit Olympia irgendwann fertig sein, abschließen, sagen, dass es vorbei ist? „Mir wird gerade bewusst, wie endlich alles ist“, sagt Keller, „aber das hört sich melancholischer an, als es sich anfühlt. Ich werde auf jeden Fall nervös sein, wenn ich bei den ersten Spielen in London auf dem Platz stehe.“

Bisher erschienen: Marcel Hacker (9. Mai), Markus Steuerwald (13. Mai), Dorothea Brandt (20. Mai).

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