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Am Boden. Den Liegestütz gibt es in Fitnessstudios derzeit nur auf Plakaten. Der Betrieb ruht während der Coronavirus-Krise.

© imago/Norbert Millauer

Die Fitness-Branche kämpft ums Überleben: Wer will künftig noch im Studio pumpen?

Die Fitness-Branche boomte lange. Nun liegt sie wegen der Coronavirus-Krise brach und es ist nicht absehbar, ob und wann sie wieder so starken Zulauf findet.

Kurt Heinz Reitz, 64 Jahre alt, hat sich in den vergangenen 18 Jahren richtig was aufgebaut. 2002 übernahm er das Fitnessstudio am Tempelhofer Berg in Berlin von seinem Vorgänger, der dies über 30 Jahre geführt hatte. Das Studio gehört damit zu den ältesten in diesem Land. Reitz machte aus dem Studio nicht eines dieser sterilen, testosterongetränkten Pumpkammern, sondern eine Trainingsanlage mit Charme, in welcher der persönliche Kontakt und die Beratung großgeschrieben werden. Das Anliegen von Reitz ist nicht der stupide Muskelaufbau, sondern die Gesundheit. „Wir arbeiten präventiv, gesundheitsorientiert und rehabilitativ“, heißt es auf der Homepage seines Fitness-Centers.

Allerdings arbeiten sie derzeit dort überhaupt nicht. Wegen der Coronavirus-Pandemie ist das Studio von Reitz und sind die Studios in ganz Deutschland geschlossen. Und mit jedem Tag mehr, mit dem die Center geschlossen sind, steigen die Schulden und die Sorgen. „Ich kann so erst einmal überleben. Die Frage ist nur, ob ich das will“, sagt Reitz. „Denn wenn die Schulden irgendwann in die Hunderttausende laufen sollten, wäre ein Konkurs wohl besser.“

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Doch noch ist es nicht so weit. Reitz hat die staatlichen Hilfen beantragt und schnell bekommen. Zudem erfährt er, eben weil sein Studio eine persönliche Ausrichtung hat, große Solidarität. „Die meisten unserer Kunden bezahlen für April das Abo einfach weiter, obwohl sie es nicht nutzen können“, erzählt er. „Das Verständnis für unsere Notlage ist schon sehr groß.“

Das alles ist der Grund, warum Reitz seinen drei fest angestellten Mitarbeitern, den drei Auszubildenden sowie den beiden Teilzeitkräften noch nicht kündigen musste. Doch was ist, wenn die Studios im – was wahrscheinlich ist – Mai und auch noch im Juni geschlossen bleiben müssen? „Dann wird es eng“, sagt Reitz. Er rechnet damit, dass er erst Ende 2021 wieder in die schwarzen Zahlen kommt. „Aber nur, wenn es wirklich perfekt läuft.“

2019 machte die Branche einen Umsatz von 5,51 Milliarden Umsatz

Die Fitness-Branche, für die es seit vielen Jahren hierzulande steil aufwärts ging, liegt also brach und die Frage ist jetzt schon, ob sie jemals wieder so stark sein wird, wie sie es vor der Krise war. Der Umsatz der Studios in Deutschland kletterte in den vergangenen Jahren kontinuierlich auf die inzwischen fast unglaubliche Summe von 5,51 Milliarden Euro, gezahlt von rund zwölf Millionen Kunden hierzulande. Es scheint fast so, als sei den Deutschen nichts wichtiger als ein gestählter und gleichermaßen gesunder Körper.

Viel Gerätschaften, aber kein Betrieb. Die Fitnessstudios haben derzeit geschlossen.
Viel Gerätschaften, aber kein Betrieb. Die Fitnessstudios haben derzeit geschlossen.

© REUTERS

Das wiederum könnte der Grund sein, warum der Fitness-Branche mehr als nur ein temporärer Knick droht. Denn die meisten Studios sind eng, weil jeder Meter Platz Geld kostet. Und natürlich ist schweißtreibender Sport auf engstem Raum in Coronavirus-Zeiten mit das Letzte, was die Menschen machen wollen. Zumal, wie auch Reitz zugibt, häufig in Muscle Shirts trainiert wird, in denen der Schweiß nicht aufgefangen wird. „Durch die Coronavirus-Krise werden die Menschen für dieses Thema sensibilisiert werden“, glaubt Reitz. „Die Angst spielt dabei natürlich eine entscheidende Rolle.“ Wie lange die Angst vor einer Infektion die Menschen noch umtreibt, „das wissen nur die Götter“, sagt er.

Fitnessstudios sind auf "Kante genäht"

Wenn es die Götter gut mit ihm und der Fitness-Branche meinen, wird die körperliche Selbstoptimierung in Deutschland in wenigen Monaten wieder anlaufen. Darauf hofft auch Birgit Schwarze. „Es sollte schnell wieder losgehen“, sagt die Präsidenten des Arbeitgeberverbandes deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen. „Für die vielen Millionen Menschen in unseren Studios bedeutet das Training auch eine große psychische Entlastung.“

Schwarze hätte sich dabei schon aktuell einen anderen Umgang mit den Fitness-Centern gewünscht. „Nicht einmal das Outdoor-Training war zulässig“, sagt sie. „Das haben die Behörden so beschlossen. Aber wenn ich an die vielen Baumärkte denke, deren Gartenabteilungen gerammelt voll sind, finde ich schon, dass man sich da eher anstecken kann als in einem Fitnessstudio.“

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Sollte der Betrieb nun bald wieder anlaufen, „würden wir, wenn Auflagen gemacht würden wie etwa eine verminderte Anzahl an Besuchern, diese auch erfüllen“, sagt Schwarze.

Doch das ist womöglich leichter gesagt als getan. Für den Berliner Studioinhaber Kurt Heinz Reitz jedenfalls sind viele Fitness-Center „auf Kante genäht“. So böten manche Anbieter ein Abonnement für 9,90 Euro im Monat an. „Wenn die jetzt die Hälfte ihrer Geräte herausräumen müssen, dann können die gleich zumachen“, sagt er. Der Kampf ums Überleben hat bei den Fitnessstudios gerade erst begonnen.

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