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Ernste Gesichter: Mesut Özil (l) und Ilkay Gündogan traf scharfe Kritik, aus der Özil jetzt seine Konsequenzen zeiht und aus der Nationalmannschaft zurücktritt.

© dpa

Die Erklärung von Mesut Özil im Wortlaut: "Grindels Verhalten ist unverzeihlich"

Mesut Özil erklärte seinen Rücktritt in drei ausführlichen Briefen bei Twitter und Facebook. Eine Dokumentation seiner Kritik an Grindel, dem DFB und den Medien.

Mesut Özil hat seine ersten Einlassungen zum Foto mit dem türkischen Präsidenten in einem dreiteiligen Brief veröffentlicht, den er auf Englisch bei Facebook und Twitter verbreitete. Hier können Sie Auszüge in deutscher Übersetzung lesen.

"In den vergangenen Wochen hatte ich die Zeit zu reflektieren und über die Ereignisse der vergangenen Monate nachzudenken. Als Folge möchte ich meine Gedanken und Gefühle, über das was passiert ist, teilen."

"Während ich in Deutschland aufgewachsen bin, liegen die Wurzeln meiner Familie fest in der Türkei. Ich habe zwei Herzen, ein deutsches und ein türkisches."

"In meiner Kindheit hat mich meine Mutter gelehrt, immer respektvoll zu sein und nie zu vergessen, woher ich komme, und das sind Werte, über die ich bis heute nachdenke."

Der Stein des Anstoßes: Das Foto von Mesut Özil und Erdogan in London während eines Gipfels im Mai 2018.
Der Stein des Anstoßes: Das Foto von Mesut Özil und Erdogan in London während eines Gipfels im Mai 2018.

© dpa

"Im Mai habe ich Präsident Erdogan in London bei einer Wohltätigkeits- und Bildungsveranstaltung getroffen. Wir haben uns zum ersten Mal 2010 getroffen, nachdem er und Angela Merkel zusammen das Spiel Deutschland gegen die Türkei in Berlin angeschaut haben. Mir ist bewusst, dass das Bild von uns eine große Resonanz in den deutschen Medien hervorgerufen hat, und auch wenn mich einige Leute der Lüge bezichtigen oder der Täuschung, hatte das Foto keine politische Intention."

Lediglich "Respekt vor dem Amt" Erdogans

"Ein Foto mit Präsident Erdogan zu machen, hatte für mich nichts mit Politik oder Wahlen zu tun, es war aus Respekt vor dem höchsten Amt des Landes meiner Familie. Mein Beruf ist der des Fußballers, nicht des Politikers, und unser Treffen war keine Unterstützung irgendeiner Politik. Tatsächlich haben wir über dasselbe Thema gesprochen, wie wir es immer tun, wenn wir uns treffen – Fußball – weil er in seiner Jugend auch ein Spieler war."

"Obwohl die deutschen Medien etwas anderes dargestellt haben, ist die Wahrheit, dass nicht den Präsidenten zu treffen, bedeutet hätte, die Wurzeln meiner Vorfahren nicht zu respektieren, von denen ich weiß, dass sie stolz darauf wären, wo ich jetzt bin. Für mich ist es nicht von Bedeutung gewesen, wer Präsident war, es war von Bedeutung, dass er Präsident war."

"Der Respekt vor dem politischen Amt ist eine Betrachtungsweise, von der ich sicher bin, dass sie auch von der Königin und Premierministerin Theresa May geteilt wurde, als sie Erdogan in London empfangen haben." "Ob es der türkische oder der deutsche Präsident gewesen wäre, meine Taten wären nicht anders gewesen."

"Ich weiß, dass das schwer zu verstehen ist, da in den meisten Kulturen der politische Anführer nicht von der Person getrennt gedacht werden kann. Aber in diesem Fall ist es anders."

"Was auch immer der Ausgang der vorangegangenen Wahl gewesen wäre oder auch der Wahl zuvor, ich hätte dieses Foto gemacht."

"Medien messen mit zweierlei Maß"

"Ich finde es enttäuschend, dass die Medien mit zweierlei Maß messen. Als Lothar Matthäus einen anderen Präsidenten von Welt traf, musste er kaum Kritik einstecken"

"Ein Sponsor des DFB hat mich nach dem Foto aus der Kampagne gestrichen. Für sie war es nicht länger gut, mit mir gesehen zu werden. (...) Was hat der DFB zu all dem zu sagen?"

"In den Augen Grindels und seiner Unterstützer bin ich deutsch, wenn wir gewinnen, aber türkisch, wenn wir verlieren."

"Ich wurde in Deutschland geboren und ausgebildet, warum akzeptieren die Leute also nicht, dass ich deutsch bin?"

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"Grindels Haltungen kann man auch anderswo finden. Ich wurde von Bernd Holzhauer (einem deutschen Politiker) wegen des Bildes mit Präsident Erdogan und meines türkischen Hintergrunds ein 'Ziegenf***er' genannt. Außerdem hat mir Werner Steer (der Direktor des Deutschen Theaters in München) gesagt, ich solle mich 'nach Anatolien verpissen', ein Ort in der Türkei, aus dem viele Einwanderer kommen. Wie schon gesagt, mich wegen meiner familiären Herkunft zu kritisieren und zu beschimpfen ist eine schandhafte Linie, die überschritten wird und Diskriminierung als Instrument für politische Propaganda zu benutzen ist etwas, das im sofortigen Rücktritt dieser respektlosen Personen resultieren sollte. Diese Leute haben mein Bild mit Präsident Erdogan als eine Möglichkeit, ihre vormals versteckten rassistischen Meinungen auszudrücken, missbraucht, und das ist gefährlich für die Gesellschaft."

Fan bei Schweden-Spiel beleidigte ihn rassistisch

"Sie sind kein Stück besser als der deutsche Fan, der mir nach dem Spiel gegen Schweden sagte 'Özil, verpiss dich, du scheiss Türkensau. Türkenschwein, hau ab.' Ich möchte nicht einmal reden über die Hasspost, Drohanrufe, und Social-Media-Kommentare, die meine Familie und ich erhalten haben. Sie alle stehen für ein Deutschland der Vergangenheit, ein Deutschland, das nicht offen ist für neue Kulturen und ein Deutschland, auf das ich nicht stolz bin. Ich glaube, dass viele stolze Deutsche, die eine offene Gesellschaft wollen, mir in diesem Punkt zustimmen."

"An Sie, Reinhard Grindel: Ich bin enttäuscht, aber nicht überrascht von Ihren Taten. Als Sie 2004 ein Mitglied des Bundestages waren, behaupteten Sie, dass Multikulturalismus in Wirklichkeit ein Mythos und eine Lebenslüge’ sei, während Sie gegen Gesetze für doppelte Staatsbürgerschaft und die Bestrafung von Korruption stimmten und zudem sagten, dass die islamische Kultur zu prägend in deutschen Städten geworden sei. Das unverzeihlich und kann nicht vergessen werden"

"Menschen mit rassistisch diskriminierenden Haltungen sollten nicht im größten Fußballverband der Welt, bei dem viele Spieler mit Familien doppelter Herkunft spielen, arbeiten dürfen."

"Mit schwerem Herzen und nach langer Überlegung werde ich wegen der jüngsten Ereignisse nicht mehr für Deutschland auf internationaler Ebene spielen, so lange ich dieses Gefühl von Rassismus und Respektlosigkeit verspüre." (Tsp/dpa)

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