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Der härteste Kämpfer vor dem Zielstrich. Marcel Kittel gelangen bei dieser Tour schon drei Etappensiege.

© dpa

Die Deutschen bei der Tour de France: Dolph Lundgren und der Panzerwagen

Deutsche Radprofis sind bei der Tour de France so erfolgreich wie lange nicht – für einige ist es sogar bereits die erfolgreichste Frankreichrundfahrt des deutschen Radsports überhaupt. Die französische Presse würdigt es mit seltsamen Spitznamen.

Kaum lagen die Alpen hinter ihnen, fuhren die deutschen Radprofis wieder vorneweg bei der Tour de France. Anstelle von Marcel Kittel und André Greipel mischte Heinrich Haussler mit im Massensprint von Nimes und wurde am Sonntag Zweiter. Der Deutsch-Australier ist nach längerer Krise wieder auf dem Niveau, das ihm vor fünf Jahren einen Etappensieg bei der Tour und zweite Plätze bei den Klassikern Mailand–Sanremo und der Flandernrundfahrt bescherte. Nach den Siegen von Kittel, Greipel und Tony Martin sowie dem bravourösen Auftritt von John Degenkolb sorgt er für eine Fortsetzung der Tour der Deutschen im Nachbarland.

Für die „erfolgreichste Tour des deutschen Radsports überhaupt“ hält Enrico Poitschke die aktuelle Frankreichrundfahrt. Der sportliche Leiter des NetApp-Rennstalls steht mit dieser Einschätzung nicht allein. Zwar gab es fünf deutsche Etappensiege schon 1997. Drei Mal schlug damals Erik Zabel zu, zwei Mal Jan Ullrich. Am Ende sprangen sogar noch das Gelbe Trikot für Ullrich und das Grüne Trikot für Zabel heraus. 2014 ist die deutsche Radsportspitze aber breiter aufgestellt. Mit Kittel, Greipel und Martin teilten sich drei Rennfahrer die Etappensiege. Kittel (drei Mal) und Greipel (ein Mal) waren dabei im Sprint erfolgreich. Martin, der am Montag seinen Vertrag bei Rennstall Omega Pharma-Quickstep bis 2016 verlängerte, verblüffte im Mittelgebirge der Vogesen mit einer Solofahrt. Hinzu kommen Degenkolb und Haussler, die bei schwierigeren Bedingungen nur knapp den ganz großen Coup verpassten. Degenkolb war durch seine Sturzverletzungen beim welligen Etappenfinale in Oyonnax gehandicapt, wurde aber immerhin Zweiter. Haussler behielt beim chaotischen Finish in Nimes die Nerven und ließ seine einstige Klasse wieder aufscheinen. „Die Erschöpfung macht sich im Peloton bemerkbar“, sagte er. „Für uns, die wir hier mit einer Klassementmannschaft angetreten sind, war es in den ersten Tagen schwer, gegen Sprintermannschaften wie Giant, Omega oder Lotto, die mit sechs Mann ein Finale bestreiten, zu bestehen. Aber jetzt steigen unsere Chancen.“

Auch im Ausland wird die Renaissance des deutschen Radsports inzwischen wahrgenommen. „Es gab eine Durststrecke. Aber die ist nun vorbei. Es gibt jetzt einige sehr starke deutsche Profis und es kommen noch welche“, sagt Paolo Slongo. Der Italiener ist Coach des designierten Toursiegers Vincenzo Nibali. Kittel, Greipel und Martin zollt er Bewunderung. Er sieht aber auch eine gute Basis. „Ich hatte, als ich noch bei Cannondale war, Dominik Nerz im Kader. Der braucht noch etwas Erfahrung. Er hat aber einen starken Motor“, sagt Slongo. Und er hat sogar schon einen zukünftigen Rundfahrer entdeckt. „Die Deutschen haben da einen U-23-Fahrer. Der hat in diesem Jahr den Gran Premio Palio del Reciota gewonnen. Der ist richtig stark.“ Der Bursche, von dem Slongo spricht, heißt Silvio Herklotz und ist im Team Stölting des einstigen Ciolek- und Gerdemann-Förderers Jochen Hahn aktiv.

Jeder, der etwas herausragt, läuft Gefahr, ein „Panzer“ zu werden

Während Herklotz schon wieder darauf hoffen kann, seine Profi-Karriere in einem deutschen Rennstall zu bestreiten und damit auch mehr Aufmerksamkeit in der Heimat zu erlangen – der neue NetApp-Hauptsponsor Bora könnte eine solche Bewegung einleiten –, sind Greipel, Kittel und Martin vor allem internationale Stars. Und ihre Bewunderer im Ausland haben ihnen zum Teil merkwürdige Spitznamen zuerkannt.

Tony Martin firmiert seit seinem Bravourritt in den Vogesen als „Panzerwagen“. Löste dieses Prädikat in der Heimat Befremden aus, so dient es der internationalen Sportpresse sehr häufig zur Bezeichnung deutscher Leistungsträger. Jeder, der etwas herausragt, läuft Gefahr, ein „Panzer“ zu werden. Kaum weniger martialisch wird Sprintstar Marcel Kittel gefeiert. Er ist wegen seines kantigen Äußeren, der blonden Haare und des stahlharten Blicks der „Dolph Lundgren des Radsports“. Besonders die Rolle des Ivan Drago, die der blonde Schwede im Hollywood-Schmachtfetzen „Rocky IV“ verkörperte, dient als Blaupause der Kittelbewunderung. Kittel wird schon „Drago“ genannt. Der Chinese Cheng Ji, der Kittels Sprintattacken oft vorbereitet, hat sich aktuell den Titel des „Fluchtgruppenkillers“ verdient.

Doch auch seltsame oder martialische Spitznamen sind Zeichen von Bewunderung. Der deutsche Radsport hat sich bei dieser Tour de France schon sehr viele Namen gemacht. Und ein Ende der Erfolge ist noch gar nicht abzusehen. Nach den folgenden drei Pyrenäenetappen stehen wieder zwei Massensprints an. Dazwischen liegt das Zeitfahren, auf das Tony Martin, Weltmeister in dieser Disziplin, bereits ein Abonnement zu haben scheint.

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