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Eishockey? Haben wir auch in Deutschland: Bundeskanzlerin Angela Merkel schenkte dem damaligen kanadischen Premierminister Stephen Harper im Jahr 2012 ein Trikot der Eisbären.

© Bundesregierung/Bergmann/dpa

Die Deutsche Eishockey-Liga im Abseits: Keine Ideen, keine Zukunft

Die Deutsche Eishockey-Liga verschiebt ihren Saisonstart ins Ungewisse und hat keine Konzepte für die Krise. Das ist fatal. Ein Kommentar

Die Idee der Verantwortlichen der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), ein „Ultimatum“ an „die Politik“ zu stellen, sie war in etwa so vielversprechend, als wenn man der katholischen Kirche mit Austritt droht – falls sie nicht umgehend die Gleichberechtigung in ihren Strukturen einführt und auch Frauen hohe Ämter bekleiden lässt. Wobei: Die devote Haltung hat ja dem Profifußball auch nicht nur Gutes gebracht, in der Bundesliga wird ein munteres Zuschauer-Bingo gespielt. Mal mit Fans, mal ohne und so weiter: Planungssicherheit sieht anders aus, aber genau die wollte die deutsche Eishockey-Profiliga.

Ihr Konzept lautet: Bitte erlaubt uns mehr als 20 Prozent der Zuschauerkapazitäten in den Hallen, sonst können wir nicht spielen, sonst gehen wir pleite. Denn wir finanzieren uns zum großen Teil über die Zuschauer. Doch die Zusage für mehr Fans in den Hallen gab es bis zum 2. Oktober – das Ultimatum lief einen Tag vor dem Einheitstag ab, Heidewitzka – natürlich nicht.

Also verschob die Liga ihren für November anvisierten Saisonstart noch einmal. Diesmal auf unbestimmt und vielleicht auf Dezember, was auch heißen kann: Es wird nicht mehr gespielt. Irgendwann macht es ja keinen Sinn mehr, die Saison würde schon jetzt seit vier Wochen laufen – ohne die Krise.

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Aber es gibt die Krise und es wirkt so, als sei die DEL nie in ihr angekommen. Seit dem Abbruch der jüngsten Saison im März gab es sehr viel Zeit, sich auf die neue Realität einzustellen. Mit Ideen und Konzepten – es ist aber wenig passiert. Einige Klubs haben weiter teures, oft ausländisches, Spielerpersonal verpflichtet. So geplant wie immer und irgendwann auf den Staat und dessen Hilfe gehofft. Und dann wurde mal nach 60 Millionen Euro Hilfe gebrüllt und wohl auch – nur menschlich in diesen Zeiten – gehofft, dass sich irgendwie das Virus und die Panik darum herum verflüchtigen würden.

Das ist naiv. Der Staat ist in zurzeit erster Linie für die Gesundheit seiner Bürger zuständig. Das kulturelle Wohlbefinden im Lande ist allerdings auch wichtig, zumal es materiell essenziell ist –<TH>und dann eben doch wieder für das Wohlbefinden und die Gesundheit der Bürger eine Rolle spielt. Es gibt nun Menschen in der DEL, die um ihre Existenz zittern – was auf die Gesundheit schlagen kann. Aber logisch: Es muss kein Profieishockey in Deutschland gespielt werden, an der großen Politik geht das vorbei, die hat andere, größere Sorgen.

Gut, Angela Merkel hat Kanadas damaligem Präsident Stephen Harper mal ein Trikot der Eisbären Berlin überreicht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Nationalmannschaft ins Schloss Bellevue eingeladen 2018 nach dem Gewinn der Olympischen Medaille.

Aber Eishockey ist in Deutschland nicht Fußball – und selbst dem geht es immer schlechter. Klubs, Kinos, Kneipen, Kabaretts – geschenkt, alle leiden. Der sportlich-kulturelle Kahlschaden wird die Stimmung im Land nicht bessern. Eine Reaktion, ein Verhandeln mit den Vertretern der DEL – wäre in diesem Moment schön gewesen. Aber: Eine Liga, dessen Personal zur Hälfte und mehr teuer aus dem Ausland eingekauft ist, muss sich auch selbst hinterfragen. Würde es in dieser Situation der 18 Jahre alte deutsche Nachwuchsstürmer nicht besser tun als der erfahrene Center aus Kanada, der weit mehr verdient? Es wäre eine Idee gewesen, um die Etats zu senken. Warum denn spielen sie nun bald unterhalb der DEL, selbst in der DEL2: Auch weil dort die Personalkosten geringer sind.

Das deutsche Eishockey wird nicht untergehen

Warum spielen die Ligen in der Schweiz und Österreich? Weil sie entweder mehr Fernsehgelder bekommen als die DEL oder einen Weg gefunden haben, mit der Krise umzugehen. Warum gibt es keine Idee, warum wird nicht mal gesponnen: Wie wäre es mit Winter Games im Freien, in Fußballstadien, mit mehr Zuschauern als in der Halle? Denkbar auch in den Bundesländern, in den das Infektionsgeschehen gewinnträchtig viele Zuschauer in den Stadien erlaubt.

Der Verweis einiger DEL-Klubs, dass die nun startenden anderen Hallensportarten Handball und Basketball angesichts der Vorgaben aus der Politik Probleme bekommen werden ist richtig: Ja, es wird im Handball und Basketball krachen, ohne die gewohnten Zuschauereinnahmen. Es wird Klubs geben, die das Saisonende nicht erleben werden. Aber: Mit solchen Szenarien sind diese Ligen auch schon in der Vergangenheit klargekommen. Sie versuchen wenigstens am Leben zu bleiben, die DEL dagegen verzieht sich.

Dabei können die Klubs nun die Chance nutzen, ihre Kader umzustellen, auf den Nachwuchs zu setzen und mit einer anderen Struktur so in die Saison 2021/2022 zu gehen, die einen Start erlaubt. Das deutsche Eishockey muss in dieser Situation nicht untergehen. Die besten Nationalspieler werden einen Klub im Ausland finden, einige spielen schon in Österreich, andere junge Talente werden, sobald wieder möglich, ihr Glück in Nordamerika versuchen. Die Nationalmannschaft, das hat Bundestrainer Toni Söderholm schon angekündigt, wird durch die Lande tingeln, um sich auf die WM – sofern sie im Mai 2021 stattfindet – vorzubereiten.

Wie sagte der Kölner Leon Draisaitl erst vor wenigen Tagen nachdem er zum besten Spieler der nordamerikanischen Profiliga NHL gekürt worden war: „Ich kann nur hoffen, dass nun so viel Mädels und Jungs wie möglich in Deutschland Eishockey spielen werden.“ Das ist eine schöne Hoffnung in einer Zeit, in der sich Deutschlands größte Profiliga nach den Fußballligen in die Bedeutungslosigkeit verzogen hat.

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