zum Hauptinhalt
Die Saison 1971/72 ist auch die Saison einer jungen Schalker Mannschaft, die das Establishment herausfordert. Am letzten Spieltag verspielt sie durch ein 1:5 bei den Bayern die Meisterschaft, sichert sich aber drei Tage später den DFB-Pokal.

© Imago

Die besten Sportbücher des Jahres: Muhammad Ali, eine Saison zum Träumen und die Nacht von Sevilla

Noch auf der Suche nach den passenden Weihnachtsgeschenken? Wie wäre es denn mit einem Buch zum Sport? Hier sind unsere Empfehlungen.

Am 6. Juni 1971 feiert Horst-Gregorio Canellas seinen 50. Geburtstag. Der Präsident des Bundesliga-Absteigers Kickers Offenbach hat zur Gartenparty in sein Haus geladen. Helmut Schön, der Bundestrainer, ist gekommen, auch einige Vertreter der Presse sind anwesend. Für die hat Canellas eine ganz besondere Überraschung vorbereitet.

„Meine Herren“, verkündet er seinen Gästen, „ich muss Ihnen sagen, dass mein Verein, die Offenbacher Kickers, durch Betrug aus der Bundesliga abgestiegen ist.“ Dann lässt er ein Tonband ablaufen, das belegt, was in den vergangenen Wochen in der Bundesliga offenbar gang und gäbe war. Spiele wurden verschoben, fast eine Million Mark an Schmiergeld war in dieser Zeit im Umlauf. Canellas hat zum Schein mitgespielt – und wird, obwohl mit seinem Klub ein Opfer der Machenschaften, selbst zum Beschuldigten.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]

Mit Lug und Trug beginnt im Sommer 1971 das vielleicht aufregendste Jahr des deutschen Fußballs, „die Saison der Träumer“ wie der Untertitel des Buches „71/72“ von Bernd-M. Beyer lautet. „Die Saison 1971/72 ist fußballhistorisch eine außerordentliche, im Guten wie im Schlechten“, schreibt er. Die Koinzidenz fußballerischer, gesellschaftlicher und politischer Ereignisse macht aus ihr, wie er schreibt, „ein vielschichtiges Drama“.

Während Bundestrainer Schön Canellas’ seltsame Party nach der Enthüllung zur Mittagszeit geradezu angeekelt verlässt, erfassen längst nicht alle die Bedeutung des Ganzen. Der Deutsche Fußball-Bund, damals noch mehr als heute eine verschnarchte Ansammlung vermeintlicher Honoratioren, hat die Hinweise auf massive Manipulationen im Abstiegskampf der Bundesliga schlicht ignoriert. Und nach Canellas’ Enthüllung prophezeit Rudolf Gramlich, früherer SS-Mann, ehemaliger Präsident von Eintracht Frankfurt und Vorsitzender des DFB-Bundesliga-Ausschusses: „In ein paar Wochen spricht kein Mensch mehr über den Fall.“

Aufstieg und Fall liegen dicht beieinander

Dass er damit dramatisch falsch liegt, kann man in dem Buch „Die Canellas-Tapes“ nachlesen. Denn Canellas hat bei seiner ausschweifenden Suche nach der Wahrheit auch weiterhin das Tonband mitlaufen lassen. „Die Canellas-Tapes“ enthalten bisher unveröffentlichte Abschriften von Telefonaten, die Canellas zwischen Oktober 1971 und Februar 1972 geführt hat, insgesamt 58. Das Buch ist eher etwas für Freaks, die Quellensammlungen lieben, und auf Dauer etwas ermüdend. Aber es beleuchtet eben die dunkle Seite der glänzenden Saison 1971/72.

Horst-Gregorio Canellas enthüllte 1971 den Bundesligaskandal. Er galt zunächst als betrogener Betrüger.
Horst-Gregorio Canellas enthüllte 1971 den Bundesligaskandal. Er galt zunächst als betrogener Betrüger.

© Imago

Ihre Geschichte ist mit Betrug grundiert, und dafür steht exemplarisch der FC Schalke 04. Die Schalker fordern mit ihrer aufregend jungen Mannschaft das fußballerische Establishment heraus – und scheitern am Ende doch, weil sie als Mit-Manipulateure in der eigenen Schuld gefangen sind.

Aufstieg und Fall leben in dieser Saison der Träumer quasi Tür an Tür, und das nicht nur im Fußball. Als die Schalker im Frühjahr 1972 von der Tabellenspitze stürzen, übersteht Willy Brandt im Bundestag nur denkbar knapp ein konstruktives Misstrauensvotum der Opposition. Zwei Tage später gewinnt die Nationalmannschaft im Wembley-Stadion mit 3:1 gegen England.

Es ist nicht nur der erste Sieg der Deutschen auf englischem Boden, es ist auch eine fußballerische Verheißung, das vielleicht beste Spiel der Nationalmannschaft überhaupt, wie in der Folge immer wieder behauptet wurde. Die Deutschen, so schreibt es die „Times“ aus London, spielten in Wembley „eine Art Sonnenscheinfußball“.

Das Land erlebt einen Aufbruch, fußballerisch, politisch und gesellschaftlich. Erstmals wird 1971 das Wort des Jahres gekürt. Es lautet: aufmüpfig. Das passt zu einer Generation selbstbewusster Fußballer, die nach mehr Einfluss (und auch Geld) streben. Zur prägenden Figur dieses Aufbruchs wird Günter Netzer, der mit Borussia Mönchengladbach das große Inter Mailand mit 7:1 zerlegt und die Nationalmannschaft 1972 zum EM-Titel führt. „Netzer ist der beste Spieler unseres Erdteils“, schreibt „L'Équipe“ nach dem 3:0 im Finale gegen die Sowjetunion.

Bernd-M. Beyer verknüpft die großen und kleinen Geschichten, so dass ein grandioses Panorama entsteht – mit all seinen Widersprüchen. Die Saison, in der das Publikum in Deutschland den vielleicht aufregendsten Fußball zu sehen bekommt, ist eben auch die Saison, in der sich das Publikum vom Fußball abwendet, weil er für ein paar Mark seine Unschuld verkauft hat. Als sich die Dinge im Kampf um die Meisterschaft am vorletzten Spieltag der Saison 1971/72 zuspitzen, kommen nur 78.500 Zuschauer in die Stadien. Zu allen neun Spielen zusammen.

Bernd-M. Beyer: 71/72. Die Saison der Träumer. Die Werkstatt, 346 Seiten, 22 Euro.

Andreas Lampert: Die Canellas-Tapes. Die Tonbänder, die den Bundesligaskandal auslösten. Die Werkstatt, 335 Seiten, 19,90 Euro.

Ein Sittenbild des Profifußballs

Marius Wolf ist einer der drei Jungen, die Autor Reng begleitet hat. Er hat es in die Bundesliga geschafft und unter anderem für Hertha BSC gespielt.
Marius Wolf ist einer der drei Jungen, die Autor Reng begleitet hat. Er hat es in die Bundesliga geschafft und unter anderem für Hertha BSC gespielt.

© dpa

Deutschland ist das Land der Fußball-Nachwuchsleistungszentren, ordentlich zertifiziert, wie sich das in Deutschland gehört. Nachwuchsleistungszentren haben Deutschland wieder groß gemacht im Fußball. Ohne Nachwuchsleistungszentren wäre der WM-Titel 2014 nicht möglich gewesen. Nachwuchsleistungszentren sind eine einzigartige Erfolgsgeschichte.

So wird die Geschichte am liebsten und immer wieder erzählt. Doch das Gegenteil ist der Fall. Nirgendwo scheitern so viele fußballerische Existenzen wie in Deutschlands Nachwuchsleistungszentren. Nur einer kommt durch – einer von tausend.

Effizienz sieht anders aus. „Um die allerbesten zu finden, wird systematisch eine große Zahl an Talenten aufwendig ausgebildet, für die kein Bedarf vorhanden ist. Das wissen mehr oder weniger alle, die in eines der 57 deutschen Nachwuchsleistungszentren eintreten. Bloß alle verdrängen es“, schreibt Ronald Reng in „Der große Traum“.

Sein neues Buch füllt diese Statistik gewissermaßen mit Leben. Mit drei Leben. Fast zehn Jahre lang hat Reng, einer der renommiertesten Sportautoren des Landes, drei Jungs aus der fränkischen Provinz – Foti, Niko und Marius – begleitet. Drei Jungs, die es wegen ihrer offenkundigen Begabung in eines der Nachwuchsleistungszentren (NLZ) geschafft haben.

Eine spätere Profikarriere? Möglich, vielleicht sogar wahrscheinlich. Am Ende aber wird es nur einer, Marius Wolf, bis ganz nach oben schaffen, mit Eintracht Frankfurt den DFB-Pokal gewinnen und mit Borussia Dortmund in der Champions League spielen.

Ein Kampf gegen die Statistik

Einer von drei – eine herausragende Quote. „Das ist eigentlich ein Wahnsinn, wie viele gute Spieler aus den NLZ um die wenigen Plätze im Profibetrieb kämpfen“, wird Christian Preußer zitiert, der damals noch Trainer der U 23 beim SC Freiburg ist und heute die Profis von Fortuna Düsseldorf trainiert. „Das ist fast schon tragisch für den Einzelnen.“

Reng hebt drei Einzelschicksale aus der anonymen Masse heraus. Aber natürlich sind es mehr als nur drei. Denn an jedem der drei Jungen hängen auch noch Eltern und Geschwister, die dem Traum ihres Sohnes oder Bruders vom Profifußball (fast) alles unterordnen (müssen).

Und im Fall von Foti, Niko und Marius gibt es auch noch Petra Steinhöfer, die Reng nach einer seiner Lesungen angesprochen und ihn gefragt hat, ob er nicht Lust habe, ein Buch über drei Jungs zu schreiben, die von ihr beraten und betreut werden. Petra Steinhöfer ist keine klassische Beraterin, sie versteht sich eher als Mentorin. Und so ist „Der große Traum“ auch die Geschichte einer Idealistin, die wahrscheinlich von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.

„Der große Traum“ ist viel mehr als eine Dreifachbiografie dreier talentierter Nachwuchskicker. Das Buch ist ein Sittengemälde des Profifußballs, das von der Unbarmherzigkeit dieses Geschäfts erzählt, in dem es nur so wimmelt von zwielichtigen Mäzenen und hinterhältigen Beratern.

In seinen früheren Büchern hat Ronald Reng nicht immer der Versuchung widerstanden, sich in Nebensächlichkeiten zu verlieren. Bei „Der große Traum“ hat diese Gefahr natürlich erst recht bestanden, weil die Geschichte nicht nur einen Protagonisten hat, sondern gleich drei. Dass man bei all den Fäden trotzdem nicht den Überblick verliert, das hat etwas durchaus Meisterhaftes.

Ronald Reng: Der große Traum. Drei Jungs wollen in die Bundesliga. Piper, 523 Seiten, 22 Euro.

Die prägenden Jahre eines prägenden Boxers

1960 kam Muhammad Ali nach Miami. Damals hieß er noch Cassius Clay.
1960 kam Muhammad Ali nach Miami. Damals hieß er noch Cassius Clay.

© Imago

Im November 1960 kommt ein junger Bursche aus Louisville in Kentucky mit dem Zug in Miami an. Er hat das Ziel, Weltmeister im Schwergewichtsboxen zu werden, aber bis dahin ist es noch ein weiter und vor allem harter Weg. Er fängt damit an, dass dieser junge Bursche mit dem Namen Cassius Marcellus Clay in seiner ersten Nacht in Miami das Bett mit dem kubanischen Boxer Luis Rodriguez teilen muss – mit dessen Füßen im Gesicht.

Insgesamt drei Jahre lebte der junge Boxer in Miami, an einem Ort, „an dem sein Leben eine neue Richtung nahm“. Hier begann ganz am Anfang der aufwühlenden 1960er- Jahre für Cassius Marcellus Clay ein „Transformationsprozess, an dessen Ende sein Image, seine religiösen Überzeugungen und schließlich auch sein Name nicht mehr die gleichen sein sollten wie zuvor“, schreibt der britische Journalist Stuart Cosgrove in seinem Buch „Cassius X“.

Aus Cassius Marcellus Clay wurde in Miami zunächst Cassius X und später Muhammad Ali, die wohl schillerndste Figur in der Geschichte des Boxsports. Ein Mensch mit tiefen Widersprüchen, der sich immer wieder auch mit Widersprüchen konfrontiert sah. Er „wurde zur selben Zeit gefeiert, überwacht und stigmatisiert“, schreibt Cosgrove.

„Cassius X“ widmet sich den prägenden Jahren Alis. Einer Zeit, in denen er auf Tuchfühlung war „mit den finsteren Untiefen von Miamis Unterwelt“, sein politisches Bewusstsein eine feste Form erhielt und er „die ersten hoffnungsvollen Tage des Soul“ aus nächster Nähe erlebte. An Ali, dessen Persönlichkeit unter anderem durch schwarze Radiostationen geprägt war, sei ein Soul-DJ verloren gegangen, glaubt Cosgrove „Im Februar 1962, als er zum ersten Mal im Madison Square Garden kämpfte, gab es nur wenige, die von Aretha Franklin, Otis Redding und Marvin Gaye gehört hatten“, schreibt er. „Doch Cassius’ Ruhm wuchs parallel zu ihrem. Und so entwickelten auch sie sich zu ikonischen Gestalten ihrer Ära.“

Stuart Cosgrove versteht es perfekt, den Geist der Zeit einzufangen, die Entwicklungen in Sport, Musik und Politik zu einem stimmigen Bild zu verknüpfen – und das alles auch noch grandios zu erzählen.
Stuart Cosgrove: Cassius X. Die Entstehung einer Legende. Aus dem Englischen von Kristof Hahn. Wilhelm Heyne Verlag, 400 Seiten, 24 Euro.

Das Drama von Sevilla

Mon Dieu! Karl-Heinz Rummenigge (Nummer 11) erzielt das zwischenzeitliche 2:3.
Mon Dieu! Karl-Heinz Rummenigge (Nummer 11) erzielt das zwischenzeitliche 2:3.

© imago images/Sportfoto Rudel

Wo warst du, als …? Als Kennedy ermordet wurde? Als John Lennon erschossen wurde? Als die Mauer fiel? Vermutlich hat fast jede Generation einen dieser Momente, der sich für immer in die kollektive Erinnerung eingefräst hat. Für die Generation X, zumindest ihren fußballinteressierten Teil, ist das Halbfinale der WM 1982 in Spanien ein solcher. Wo warst du, als Klaus Fischer in der Verlängerung gegen Frankreich per Fallrückzieher zum 3:3-Ausgleich traf?

Stephan Klemm, Jahrgang 1967 und Sportredakteur beim „Kölner Stadt-Anzeiger“, gehört zu dieser Generation X. Und dieses Halbfinale im Stadion Sanchez-Pizjuan von Sevilla hat ihn offenbar so sehr fasziniert, dass er jetzt ein ganzes Buch darüber verfasst hat. „Dieses Match geht weit über die zwei Stunden und 41 Minuten Spieldauer im Sanchez-Pizjuan hinaus“, schreibt er. „Für die Franzosen ist Séville 82 mit einer generationenübergreifenden traumatischen und seelischen Erschütterung verbunden. Sie verzweifeln weiterhin daran, trotz ihrer Fußballkunst noch verloren zu haben.“

Ein Kampf der Fußballkulturen

Dieses Halbfinale – das wird an diesem heißen Sommerabend noch einmal auf dramatische Weise bestätigt – ist eben auch ein Kampf der Fußballkulturen. „Sie spielten mit der Geige und wir mit der dicken Trumm“, sagt Toni Schumacher, Deutschlands Torhüter. „Sie kamen mit Florett und wir mit der großen Axt.“ Niemand hat die Axt so lustvoll geschwungen wie Schumacher, der den Franzosen Patrick Battiston mit seiner rechten Hüfte in die Bewusstlosigkeit rammt, unmittelbar danach scheinbar teilnahmslos in seiner Ecke steht und dadurch in Frankreich zum Staatsfeind Nummer eins aufsteigt.

Verlegenheit und Feigheit sei das gewesen, sagt Schumacher über sein Verhalten nach dem Foul an Battiston. „Ich hatte Angst um ihn, wusste aber nicht, was ich tun sollte.“ Klemm hat mit allen deutschen Spielern gesprochen, die damals in Sevilla auf dem Platz standen, dazu mit etlichen der französischen, so dass sich ein Bild ergibt, das beiden Seiten und allen Facetten gerecht wird.

Denn dieses Spiel mit seinen irren Wendungen, seiner fast unglaubwürdigen Dramaturgie, dieses Spiel, das die Deutschen nach einem 1:3 in der Verlängerung doch noch im Elfmeterschießen gewinnen, bietet tatsächlich Stoff für ein ganzes Buch, selbst wenn es Klemm mit seiner fast schon minutiösen Schilderung gelegentlich übertreibt. Wenn er etwa auch noch die Form der Wimpel beschreibt, die vor dem Anpfiff getauscht werden, obwohl auf derselben Seite ein Foto vom Wimpeltausch der beiden Kapitäne zu sehen ist. Aber das gibt allenfalls leichte Abzüge in der B-Note.

Stephan Klemm: Die Nacht von Sevilla '82. Ein deutsch-französisches Fußballdrama. Verlag Eriks Buchregal, 192 Seiten, 24,90 Euro.

Kurioses über Hertha BSC

Autor Michael Jahn hat ein neues Buch zu Hertha BSC vorgelegt.
Autor Michael Jahn hat ein neues Buch zu Hertha BSC vorgelegt.

© dpa

Bundesliga-Rekordspieler für Hertha BSC? Klar, Pal Dardai. Aber Rekordspieler in der Zweiten Liga? Die Antwort sowie viele weitere Fakten und Anekdoten finden sich in „Hertha BSC. Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten“, dem neuesten Buch von Michael Jahn. Nicht nur für Klugscheißer, heißt es explizit auf dem Cover.

Die Texte hat der Autor, der fast ein Vierteljahrhundert für die „Berliner Zeitung“ über den Klub berichtete, mit einer Vielzahl schöner Fotos garniert.

[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Eingefleischten Hertha-Fans wird einiges bekannt vorkommen, etwa die Geschichte von Gabor Kiralys Jogginghose oder die kurze Amtszeit von Trainer Dettmar Cramer. Doch wenn es um den Spieler geht, der binnen sieben Minuten drei Mal gegen die Bayern traf, kann bestimmt auch manch langjähriger Anhänger etwas Neues mitnehmen – und alle anderen Leser sowieso.

Auch die dunklen Seiten rund um Hertha werden thematisiert, Stichwort Bundesliga-Skandal. Am Ende gibt es ein großes Quiz. Nach dem Zweitliga-Rekordspieler wird dort nicht gefragt, daher hier die Auflösung: Mike Lünsmann. ses

Michael Jahn: Hertha BSC. Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten. Klartext Verlag, 104 Seiten, 14,95 Euro.

Bekenntnisse eine Spielerberaters

Großer Moment. Volker Struth (links) transferiert Toni Kroos (rechts) zu Real Madrid.
Großer Moment. Volker Struth (links) transferiert Toni Kroos (rechts) zu Real Madrid.

© imago/Alterphotos

Auf den ersten Blick mag es ein wenig seltsam anmuten, dass sich jetzt offenbar sogar Spielerberater bemüßigt fühlen, ihre Autobiografien zu veröffentlichen. Andererseits: Spielerberater sind längst wichtige Player im milliardenschweren Fußball-Business, und Volker Struth aus Pulheim bei Köln ist einer der prominentesten Vertreter seines Fachs. Nach eigener Einschätzung ist er sogar „der erfolgreichste deutsche Spielerberater“.

Struth zählt und zählte viele prominente Fußballer wie Toni Kroos, Mario Götze oder Marco Reus zu seinen Klienten; aber darüber hinaus besitzt seine Geschichte bedingt durch seine Herkunft auch eine gewisse Fallhöhe: Mutter Alkoholikerin, Vater so gut wie unbekannt. Der Enge der Kohlensiedlung, in der er bei seinen Großeltern in prekären finanziellen Verhältnissen aufwächst, entkommt Struth nur zweimal im Jahr, wenn es mit dem Kleidergutschein vom Sozialamt zu C&A geht.

Natürlich ist vieles in diesem Buch auch ein wenig selbstverliebt, aber neben dem üblichen Branchen-Gossip enthält „Meine Spielzüge“ auch kluge und pointierte Gedanken zum eigenen Berufsstand, der generell nicht den besten Leumund hat. „Manche Berater arbeiten durchaus emsig für den schlechten Ruf aller“, heißt es da. Aber eben auch: „Ein schlechter Ruf kann durchaus hilfreich sein.“ Oder zu dem immer wieder erhobenen Vorwurf, dass Spielerberater viel zu viel Geld abschöpften: „Die einzige wahre Begründung, warum ich im Fußball so viel verdiente, lautete: Das Geld war da.“

Volker Struth: Meine Spielzüge. Aus der Kohlensiedlung zum erfolgreichsten Spielerberater Deutschlands. Piper, 335 Seiten, 22 Euro.

Das Prinzip Hansi

Die Geschichte von Aufstieg des Hansi Flick ist eine der spannendsten in der jüngeren Vergangenheit des deutschen Fußballs.
Die Geschichte von Aufstieg des Hansi Flick ist eine der spannendsten in der jüngeren Vergangenheit des deutschen Fußballs.

© dpa

Der Aufstieg von Hansi Flick vom weitgehend unscheinbaren Assistenten der deutschen Fußball-Nationalmannschaft über die Zwischenstation als Allesgewinner mit dem FC Bayern München zum Nachfolger von Joachim Löw als Bundestrainer zählt vermutlich zu den interessantesten Geschichten, die der deutsche Fußball in jüngerer Vergangenheit geschrieben hat.

Und trotzdem ist es eine nicht zu unterschätzende Herausforderung, eine Biografie von Flick zu verfassen. Der neue Bundestrainer hat einfach viel zu lange in der zweiten Reihe gestanden. Und da es für Flick in dieser Rolle immer selbstverständlich war, sich nicht in den Vordergrund zu drängen, hat er in einigen Phasen seines Berufslebens schlicht keine nennenswerten Geschichten geliefert, die man unbedingt aufschreiben müsste.

Mit diesem Problem hat sich wohl auch Günter Klein konfrontiert gesehen, der die erste Biografie über Hansi Flick geschrieben hat. In dem Kapitel zum Beispiel, in dem dessen Zeit als Co-Trainer in der Nationalmannschaft abgehandelt wird, kommt Flick so gut wie gar nicht vor. „Er verrichtete seinen Job in aller Stille“, schreibt Klein.

Weil er Flick als Sportredakteur des „Münchner Merkurs“ schon seit vielen Jahren aus relativer Nähe begleitet, ist es ihm trotz allem gelungen, das Wesentliche seiner Persönlichkeit zu erfassen. Der schönste Satz des Buches über Hans-Dieter Flick steht gleich im ersten Kapitel, das nur mit „Hansi“ überschrieben ist: „Flick will bewusst Hansi sein, weil Hansi zu sein ein Prinzip ist.“

Günter Klein: Hansi Flick. Die Biografie. Riva, 221 Seiten, 18,99 Euro.

Zur Startseite