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Die Kieler Mannschaft feiert mit Kiels Trainer Alfred Gislason (r) den Pokalsieg.

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DHB-Pokalfinale: Der THW Kiel feiert mit Alfred Gislason den sechsten Titel

Zum Abschluss seiner herausragenden Karriere gewinnt Trainer Gislason mit Kiel noch einmal den DHB-Pokal – zwei weitere Titel könnten folgen.

Es dauert keine fünf Minuten, dann ist er am Sonntagnachmittag zum ersten Mal zu sehen: der typische Alfred Gislason. Oberkörper leicht nach hinten gelehnt, Arme in den Hosentaschen der Jeans vergraben, die Lippen leicht zusammengepresst, stets Kontakt und Augenkontakt suchend mit den Schiedsrichtern. Gislason, der Trainer des THW Kiel, hat die Geste in seiner Karriere so oft zur Aufführung gebracht, dass man sie mühelos in Bronze gießen könnte – selbst wenn der Isländer nicht Modell steht. Es ist eine Geste, die man in Erinnerung behalten wird. Genau wie Gislason selbst.

Womöglich stellen sie ihrem Alfred eines Tages ja wirklich eine Statue vor die Handball-Halle in Kiel. Verdient hätte es der Erfolgstrainer nach mehr als einem Jahrzehnt beim norddeutschen Traditionsklub allemal – und einen Anlass gibt es am Ende dieser Spielzeit auch: nach insgesamt 14 Titeln mit dem THW – sechs Meisterschaften, sechs Pokalsiegen und zwei Erfolgen in der Champions League seit 2008 – beendet der 59-Jährige seine Karriere im Sommer. Und seit Sonntag, seit dem Endspiel um den DHB-Pokal 2019 gegen den SC Magdeburg, ist klar: es könnte tatsächlich ein perfekter Abgang werden für Gislason, ein Abgang mit drei Titeln.

Der DHB-Pokal ist den Kielern nach ihrem 28:24 (14:13)-Sieg gegen den SCM ohnehin nicht mehr zu nehmen, im EHF-Pokal gelten sie als Topfavorit, zumal das Finalturnier um den Europapokal im Mai in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt stattfindet. Und selbst in der Bundesliga ist der Zug bei nunmehr vier Punkten Rückstand auf Tabellenführer Flensburg noch nicht abgefahren. „In wenigen Wochen ist Schluss. Schluss mit dem Endlos-Rhythmus, Schluss mit dem endlosen Videoschauen“, sagt Gislason. Nach 40 Jahren als Handball-Profi und Trainer hat der studierte Historiker seiner Ehefrau versprochen, spätestens zum 60. Geburtstag im September kürzer zu treten. „Noch freut sich meine Frau“, sagt er und grinst.

Gislason galt seinerzeit als Pionier der Videoanalyse

Nach dem Halbfinalsieg gegen die Füchse war das siegreiche Endspiel gegen seinen Ex-Klub aus Magdeburg war für Gislason so etwas wie das Ende einer Parabel, die um die Jahrtausendwende begonnen hat. Damals verpflichtete der SCM den weitgehend unbekannten jungen Trainer, der die Magdeburger zum ersten und bis heute einzigen gesamtdeutschen Meistertitel der Vereinsgeschichte und kurz darauf zum ersten Champions-League-Titel eines deutschen Klubs führte. Gislason galt seinerzeit als Pionier der Videoanalyse – in einer Zeit, in der Zusammenschnitte noch nicht digital und omnipräsent waren, sondern VHS-Kassetten zum neuesten Stand der Technik zählten. Diese Verbissenheit, diese Detailversessenheit, so erzählen es Gislasons Freunde und Wegbegleiter, hat er sich bis heute bewahrt.

Kiels Rune Dahmke (l) und Kiels Domagoj Duvnjak feiern einen Treffer.
Kiels Rune Dahmke (l) und Kiels Domagoj Duvnjak feiern einen Treffer.

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2008 ging Gislason schließlich nach Kiel – und prägte die vielleicht erfolgreichste Phase in der an erfolgreichen Phasen nicht gerade armen Historie des Rekordmeisters- und Pokalsiegers. Unvergessen die Spielzeit 2011/12, in der die Kieler die nationale wie internationale Konkurrenz komplett überrollten: am Ende stand eine Bundesliga-Saison mit 68:0 (!) Punkten, der DHB-Pokalsieg und – wie sollte es anders sein – natürlich auch der Triumph in der Champions League.

Als sich die große Kieler Mannschaft langsam auflöste, stand Gislason vor seiner vielleicht größten Herausforderung als Trainer. Oft hatte sich der strenge Coach den Vorwurf gefallen lassen müssen, nur mit fertigen Mannschaften arbeiten zu können und die Entwicklung junger Spieler zu vernachlässigen. Die Kritik an seiner Person, die selbst aus dem engsten Kieler Umfeld kam, ging ihm damals ziemlich nahe. Vier Jahre ohne Meistertitel entsprechen nicht dem Selbstverständnis der erfolgsverwöhnten Kieler. Spätestens durch den neuerlichen Pokalsieg, erzielt mit einer jungen, von Gislason zusammengestellten und entwickelten Mannschaft, hat er seine Kritiker Lügen gestraft.

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