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Marina Hegering (l.) will am Samstag noch ein letztes Mal mit Essen jubeln.

© Matthias Koch/Imago

DFB-Pokalfinale der Frauen: Die SGS Essen kämpft gegen das Naturgesetz VfL Wolfsburg

Die SGS Essen ist im Pokalfinale gegen das Star-Ensemble des VfL-Wolfsburg Außenseiter und sieht dennoch ihre Chance.

Außenseiter, David, Underdog. Markus Högner kennt sie alle – die Attribute, mit denen die Chancen seiner SGS Essen beschrieben werden, am Samstag in Köln den DFB-Pokal zu gewinnen (16:45 Uhr, live in der ARD).

Sie illustrieren die Aussichten gegen den haushohen Favoriten: Dass der frisch gebackene deutsche Meister VfL Wolfsburg mit seinem Ensemble von Nationalspielerinnen erneut die Trophäe und somit das Double holt, scheint so sicher wie ein Naturgesetz. „Das heißt aber nicht, dass wir wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen“, verheißt der Essener Trainer und versichert: „Wir werden unsere Stärken einbringen.“

Im Viertelfinale gewann Essen bei Turbine Potsdam nach starker Leistung

Es sind vor allem die Erfahrungen der vier Essener Nationalspielerinnen Lena Oberdorf, Turid Knaak, Marina Hegering und Lea Schüller, auf die der SGS-Trainer baut. „Sie haben große Turniere gespielt, wissen, worauf es ankommt“, sagt Högner. Mit Siegen gegen den SV Meppen (5:1), den 1. FC Köln (3:1), Turbine Potsdam (3:1) und Bayer 04 Leverkusen (3:1) spielte sich die SGS nach Köln ins Finale. Und das auf souveräne Art und Weise, immer auswärts.

In der Tat war es dabei das Quartett der Nationalspielerinnen, das der Mannschaft eine sichere Statik und ein ansteckendes Selbstvertrauen gab. Während die SGS Essen in der Bundesliga bis zum letzten Spieltag mit dem 1. FFC Turbine Potsdam um den vierten Tabellenplatz konkurrierte und letztlich Fünfte wurde, war der 3:1-Viertelfinalsieg in Potsdam eine Demonstration individueller Klasse und einer reifen Teamleistung. Die vier Auswahlspielerinnen sind die Säulen, auf denen Högner äußerst fachmännisch ein starkes mannschaftliches Gebilde konstruiert hat.

Doch die Säulen brechen weg. Der Freude, dass Spielerinnen wie Lea Schüller, die mit 15 Jahren zur SGS kam, in Essen zu Nationalspielerinnen reifen, folgt in steter Regelmäßigkeit Ernüchterung. Die 22-Jährige wechselt, genauso wie Kapitänin Marina Hegering, nach dem Finale zum FC Bayern München, um künftig im Zweikampf mit Wolfsburg um die deutsche Meisterschaft sowie in der Champions League zu spielen. Lena Oberdorf, eines der größten deutschen Fußballtalente, spielt in der kommenden Saison beim VfL Wolfsburg. Und auch Turid Knaak verlässt den Verein.

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Für Essens Trainer und Manager Högner ist es jedoch kein Fluch der guten Tat, sondern „unser normales Tagesgeschäft“. Er hat sich damit abgefunden, dass „wir ein Ausbildungsverein sind“, bei dem die Spielerinnen „ihren ersten und zweiten Schritt machen können, Spielpraxis bekommen, sich etablieren und ihren dritten Schritt dann bei Top-Vereinen wie Bayern oder Wolfsburg machen“.

In der Zwei-Klassen-Gesellschaft der Frauen-Bundesliga findet sich die SGS als temporärer Spielverderber im Niemandsland: Zu gut, um Abstiegssorgen zu haben, zu schwach für ganz oben. Da dominieren die potenten Lizenzklubs München und Wolfsburg, zu denen sich in diesem Jahr die TSG Hoffenheim gesellt hat.

Der 1. FFC Frankfurt und frühere Champions-League-Sieger will seine einstige Erfolgsstory mit neuer Finanzkraft fortschreiben und fusionierte daher in dieser Woche mit Eintracht Frankfurt.

Der Pokalsieger bei den Frauen hieß seit 2015 immer VfL Wolfsburg

Und im Eiltempo rast ein neuer Mitbewerber heran: Die Frauen von RB Leipzig sind in der zweiten Bundesliga angekommen und werden sich dort nicht lange aufhalten. Und auch wenn der 1. FFC Turbine Potsdam sich weiter als eigenständiger Frauen-Fußballklub sieht, rüstet er sich mit Hilfe des Bundesligisten Hertha BSC als neuem Kooperationspartner für den Konkurrenzkampf im Oberhaus des deutschen Frauenfußballs.

Högner sieht das als „normale, internationale Entwicklung des Frauenfußballs“. Für Klubs wie die SGS Essen werde da „die Luft dünner“. Auch wenn für den Revierverein immer wieder mögliche Kooperationspartner wie Schalke 04 oder Borussia Dortmund ins Gespräch gebracht würden, „habe ich bis jetzt da keine ernsthaften Absichten festgestellt“, sagt er.

Es bleibe daher „nichts anderes übrig, als mit bescheidenen Mitteln“ die Ausbilderrolle anzunehmen, immer wieder Talente zu entwickeln und ein neues Team zu formen. „Das ist unser Auftrag“, formuliert der 52-Jährige das Essener Selbstverständnis.

[Eine Stadt, zwei Bundesligisten: Alle Entwicklungen rund um den 1. FC Union und Hertha BSC finden Sie bei uns in jeweils eigenen Newsblogs.]

Die Mission ist erfüllt, wenn junge Spielerinnen wie Lea Schüller und Lena Oberdorf mit ihrem Reifezeugnis in der Tasche ihre Karriere in den Top-Vereinen vorantreiben. Als Lohn und Trost bleibt – alle Jahre mal wieder – ein Endspiel im Pokalfinale. Zuletzt schaffte das Essen in der Saison 2013/14. Das Endspiel gegen den 1. FFC Frankfurt ging mit 0:3 verloren, ein Jahr später gewann Frankfurt die Champions League.

Seit 2015 hat der Pokalsieger nur einen Namen: VfL Wolfsburg. Für Högner ist es aktuell der beste Frauenklub der Welt. Viermal gewannen die Wolfsburgerinnen das Endspiel nur knapp mit einem Tor. Eine Statistik, die Högner ein bisschen Mut macht: „Wir haben unsere Chance.“

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