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Regionalligist SV Eichede (in roten Trikots) aus Schleswig-Holstein hätte sein Erstrundenspiel im DFB-Pokal gegen Kaiserslautern gerne im heimischen Stadion ausgetragen. Doch der Klub muss nach Lübeck ausweichen.

© imago/Michael Schwarz

DFB-Pokal: Die großen Anforderungen an die kleinen Vereine

Das Dorf ist nicht genug: Wegen der hohen Anforderungen an die Amateurvereine im DFB-Pokal ziehen immer mehr Klubs bei ihren Heimspielen um.

Der 4. August 1990 war ein großer Fußballtag im badischen Weinheim. In der ersten Runde des DFB-Pokals empfing der FV Weinheim 09 den FC Bayern mit Trainer Jupp Heynckes. Deutschland hatte wenige Wochen zuvor in Rom die WM gewonnen und nun standen gleich fünf Weltmeister auf dem Platz, auf dem sonst nur drittklassiger Oberligafußball gespielt wurde. Vor 8000 begeisterten Zuschauern im Sepp-Herberger-Stadion siegten die Amateure 1:0, es war eine der größten Sensationen der Pokalgeschichte.

Überraschungen gibt es im DFB-Pokal immer wieder, das macht den Reiz aus und liegt in der Natur des Wettbewerbs begründet. Anders als in Spanien, Italien oder Frankreich steigen die Erstligisten schon in der ersten Runde ein. Das bedeutet eine klare Rollenverteilung sowie einen Festtag für den Amateurverein und seine Fans. Die großen Stars kommen aufs Dorf und sind ganz nah an an der Basis.

Das wird jedoch immer seltener. Denn die Anforderungen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sind seit Jahren so hoch, dass viele Landespokalsieger die Hoffnung auf ein echtes Heimspiel schnell aufgeben. Von den 32 gastgebenden Vereinen in der an diesem Freitag beginnenden ersten Runde müssen neun in ein fremdes Stadion ausweichen. Die kleine Dorfsportanlage ist schon lange nicht mehr genug. Das gilt erst recht, seit Sky alle Pokalspiele live überträgt.

Andreas Mittelstädt hat dazu eine klare Meinung – und die äußert er ebenso offen wie lautstark. „Wenn der DFB sich immer dafür rühmt, was er für die Amateure tut, dann ist das eine absolute Unverschämtheit“, sagt der Vorsitzende des BFC Preussen, der Berlin in der vergangenen Saison im DFB-Pokal vertrat. Der Sechstligist verlor 0:7 gegen den 1. FC Köln, musste aus seinem kleinen Stadion in Lankwitz aber in die Alte Försterei umziehen. Der Klub hatte sogar beim DFB angefragt, ob er das Heimrecht tauschen und in Köln spielen könne – doch der Verband lehnte ab, die Amateure müssen laut Regularien ein Heimspiel haben. „Für uns war das aber auch ein Auswärtsspiel“, schimpft Mittelstädt.

Der Anforderungskatalog des DFB umfasst 80 Seiten

Dass der Berlin-Ligist für den Pokal umziehen musste, war den Verantwortlichen schnell klar, spätestens als eine E-Mail vom DFB mit dem 80-seitigen Anforderungskatalog einging. „Gewisse Sicherheitsstandards müssen erfüllt sein“, sagt Mittelstädt. „Der DFB schreibt aber alles bis ins kleinste Detail vor.“ Das sei für Amateure schlicht nicht zu erfüllen und unnötig. „Der Anforderungskatalog gibt sogar vor, wie groß die Schiedsrichterkabine sein muss und wie weit die Kleiderhaken voneinander entfernt sind“, sagt Mittelstädt. Das sei „Wahnsinn“ und stelle die Vereine vor hohe finanzielle Belastungen.

Denn dem Startgeld von mehr als 100 000 Euro, das jeder Teilnehmer erhält, stehen enorme Kosten gegenüber. Die Schiedsrichter erhalten 6000 Euro, der Gegner 7000 Euro für Anfahrt und Unterbringung, der Berliner Fußballverband kassiert einen Anteil in fünfstelliger Höhe und die Miete für das Ausweichstadion sowie der Sicherheitsdienst müssen auch bezahlt werden. Im Fall von Preussen waren das mehr als 60 000 Euro. Das wenige Geld, das bei einer Zuschauerzahl von etwa 6300 übrigblieb, wurde dann zwischen den zwei Vereinen aufgeteilt. „Finanziell ist uns von dem Spiel nichts geblieben“, sagt Mittelstädt. Einige Vereine hätten in der ersten Pokalrunde sogar Verlust gemacht. „Es wäre gut gewesen, wenn sich die großen DFB-Funktionäre mal zu uns ins Stadion auf die Holztribüne gesetzt hätten, um auf den Boden zurückzukommen“, sagt der 52-Jährige.

Auch wenn Mittelstädt die Kritik mit Abstand am deutlichsten äußert, ist die Unzufriedenheit bei vielen Amateurvereinen groß. Der Bremer SV war im vergangenen Jahr zum dritten Mal in Folge qualifiziert und musste jedes Mal umziehen, obwohl das eigene Stadion 5500 Zuschauern Platz bietet. „Wir hätten in eine Mixed-Zone, einen Anti-Dopingraum und Zäune investieren müssen“, sagte Vorstand Peter Warnecke der „Fußball-Woche“. Die Maßnahmen des DFB seien „mehr als heftig“.

Viele Amateurklubs sind unzufrieden und enttäuscht

Auch der SV Eichede hätte sein Erstrundenspiel am Samstag gegen den 1. FC Kaiserslautern gerne im heimischen Stadion ausgetragen, wo in der vergangenen Saison problemlos Regionalliga-Fußball gespielt wurde. Spätestens mit der Platzinspektion durch den DFB musste der Klub aus Schleswig-Holstein diese Hoffnung allerdings aufgeben. „Theoretisch wäre es möglich gewesen, wenn wir massive Umbauarbeiten durchgeführt hätten“, sagt der Medienbeauftragte Sören Bachmann. Das hätte jedoch die zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten von Verein und Ehrenamtlichen weit überstiegen. Selbst im Ausweichstadion in Lübeck müsse der SVE noch einige Auflagen erfüllen, was schnell mal ein paar Tausend Euro kostet. „Den Anforderungskatalog eins zu eins zu erfüllen, ist für Vereine unterhalb der Dritten Liga fast unmöglich“, sagt Bachmann.

Doch längst nicht alle Klubs sehen die Anforderungen negativ. Der badische Pokalsieger FC Nöttingen ist bereits zum vierten Mal in den vergangenen fünf Spielzeiten im DFB-Pokal dabei. Wie im Vorjahr gegen den FC Bayern trägt der Klub seine Erstrundenbegegnung gegen den VfL Bochum am Sonntag in Karlsruhe aus. „Der Aufwand, um unser Stadion tauglich zu machen, wäre zu groß“, sagt Vorstand Dirk Steidl. Die hohen Anforderungen des DFB kann er aber verstehen. „Die Sponsoren zahlen dem Verband viel Geld, dafür wollen sie auch gute Bedingungen.“

Wie schwierig die Koordinierung der Spielpläne unter Berücksichtigung all der Interessen der Sponsoren, Medien und der Sicherheitsaspekte ist, zeigt das Beispiel Würzburger Kickers. Der Drittligist muss für sein Spiel gegen Werder Bremen nach Offenbach ausweichen. Grund ist eine Lärmschutzklage von Anwohnern, die eine Austragung im Würzburger Stadion nach 19.30 Uhr verbietet. Als Anstoßzeit war jedoch 20.45 Uhr festgesetzt worden. Eine Verlegung lehnte der DFB ab. Grund sei neben sicherheitsrelevanten Bedenken, dass die Begegnung von Sky als Topspiel ausgewählt wurde und als einzige um 20.45 Uhr beginnt.

Die Würzburger kommentierten die Entscheidung sehr vorsichtig. „Dass dieser Umzug nicht nur organisatorisch eine extreme Herausforderung darstellt, sondern auch erhebliche wirtschaftliche Nachteile mit sich bringt, ist selbsterklärend“, sagt der Kickers-Vorsitzende Daniel Sauer. Andreas Mittelstädt wählt deutlichere Worte: „Es geht nur noch um Geld, nicht um den Sport.“

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