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Sami Khedira tut alles dafür, um konkurrenzfähig zu bleiben.

© dpa/Christian Charisius

DFB-Nationalmannschaft: Der Geist der Weltmeister ist willig

Khedira, Neuer, Hummels: Die prägenden Spieler der deutschen Nationalmannschaft sind in die Jahre gekommen – und streben umso mehr nach dem WM-Titel.

Sami Khedira ist ein sehr ehrgeiziger Mensch. Seit zwei Jahren umgibt er sich mit einer kleinen Gruppe von Leuten, die sich um sein Wohlbefinden kümmert – unter leistungssportlichen Gesichtspunkten versteht sich. Das fängt mit der Ernährung an, geht über die Körperpflege und Regeneration bis hin zur mentalen Präparation für eine optimale Leistungsbereitschaft.

Sami Khedira tut viel dafür, seine Karriere zu erhalten und zu verlängern. Denn er ist – wie man so schön sagt – in die Jahre gekommen. Das ist keinesfalls ehrenrührig für einen Profifußballer jenseits der Dreißig, der seit über einer Dekade auf höchstem Niveau spielt. Auf all seinen Profistationen ist er Meister geworden, anfangs in Stuttgart (2006/07), später bei Real Madrid (11/12) und seit drei Jahren bei Juventus Turin. Das alles kommt nicht von ungefähr.

Doch auch Khedira weiß, dass er die Zeit nicht so leicht ausspielen kann wie so manchen Gegner auf dem Platz. Als frischer Double-Gewinner mit Juve verzichtete er auf das Angebot des Bundestrainers, wie andere viel beanspruchte Spieler ein paar Tage später in das WM-Trainingslager des deutschen Nationalteams anzureisen. Im Gegenteil, für seine dritte WM absolvierte er bei Klaus Eder, einem der Physiotherapeuten des DFB, ein individuelles Regenerations- und Aufbauprogramm.

In gewisser Weise steht Khedira für eine Gruppe von deutschen Nationalspielern, die an der Schwelle der 30 stehen. Zusammen haben sie das zurückliegende Fußball-Jahrzehnt geprägt, einige von ihnen stehen vielleicht vor ihrer letzten WM-Endrunde. Es ist jene Gruppe, die im Sommer 2009 den Titel bei der U-21-EM gewonnen hat.

Angeführt vom damaligen Kapitän Khedira, mit Torhüter Manuel Neuer, inzwischen 32, Mats Hummels, Jerome Boateng und Mesut Özil, die alle in diesem Jahr noch 30 werden. In ihrem ersten WM-Jahr 2010 kamen dann noch Thomas Müller und Toni Kroos hinzu, beide sind heute 28. In Südafrika erreichten sie mit einem frischen und verwegenen Fußball Platz drei – vier Jahre später verliehen sie ihrer Generation mit dem WM-Sieg das Attribut „golden“.

Fragt sich nur, ob sie alle noch die Energie für einen solchen Kraftakt haben?

Joachim Löw glaubt fest an einen letzten großen WM-Sommer seiner „goldenen Generation“, er sieht sie im Zenit ihrer Schaffenskraft. „Ich habe ein sehr gutes Gefühl“, sagt der Bundestrainer. Der 58-Jährige sei überzeugt, dass die vier Jahre älter gewordenen Champions von Brasilien noch einmal zur Höchstform auflaufen können. Was allerdings nach dem Turnier passiert, wisse er nicht, „es ist denkbar, dass es danach einen Umbruch gibt“.

In Russland wird die Gruppe um Khedira noch einmal die Achse der WM-Mannschaft bilden. „Wir, die wir ins dritte WM-Turnier gehen, haben die Erfahrung, wir werden hier von den jungen Spielern gepusht, aber wir wissen, worauf es ankommt“, sagt Khedira.

Sami Khedira steht vergleichsweise prächtig im Saft

Gleich zu Beginn der Mission Titelverteidigung hatte der Bundestrainer darüber sinniert, dass einige der alten Garde nach der WM womöglich ihre Nationalmannschaftskarrieren beenden könnten. „Ich glaube, dass sich einzelne Spieler mit dem Gedanken auseinandersetzen, ich spiele vielleicht bei der WM ein letztes Mal bei einem Turnier“, sagte Löw in Eppan. Er selbst würde vorab dieses Thema nie von sich aus ansprechen. „Ich habe auch mit Miroslav Klose vor der WM 2014 in Brasilien nicht vorher darüber gesprochen, auch nicht mit Philipp Lahm oder Per Mertesacker. Es ist vorher kein Thema“, sagte Löw. Diese drei Spieler hatten nach dem Titelgewinn ihre Laufbahn im Nationaldress beendet.

„Ich werde noch nicht aufhören“, sagt nun Jerome Boateng, selbst wenn eine erfolgreiche Titelverteidigung gelänge. Der Innenverteidiger kann derzeit nur Lauftraining absolvieren. Im Hinspiel des Champions-League-Halbfinals gegen Real Madrid hatte sich der Münchner einen Muskelbündelriss zugezogen. Für ihn aber wird Löw die Tür zur WM noch länger offen halten als für Manuel Neuer, der wegen seiner ungewöhnlich langen Spielausfallzeit bereits in Südtirol volle Einsatzfähigkeit nachweisen muss. Boateng wolle man in den ersten WM-Tagen „spielfähig“ bekommen.

Sami Khedira steht vergleichsweise prächtig im Saft. Im Frühjahr des WM-Sommers 2010 hatte er sich einen Anriss des Kreuzbandes zugezogen, weshalb sein Start bis zuletzt in den Sternen stand. Als dann noch Kapitän Michael Ballack verletzungsbedingt ausfiel, gab es einen heiligen Aufschrei. Wer sollte den damals einzigen deutschen Spieler von Weltformat ersetzen? Die Wahl fiel auf Khedira, der davon auf der Massagebank von Klaus Eder erfuhr. Zusammen mit dem späteren WM-Torschützenkönig Müller sollte er zu den Entdeckungen der Endrunde in Südafrika werden.

Damals war Khedira 23 Jahre jung. Hier in Eppan sitzt Leon Goretzka neben ihm. Der ist jetzt 23. Er hat im vorigen Sommer den Confed-Cup in Russland gewonnen und gilt als kommender Mann im zentralen Mittelfeld. Er ist auch ein Konkurrent für Khedira.

Vieles spricht für Khedira, bis auf die Jugend. Die spricht für Goretzka. Der Platzhalter nimmt es gelassen. Als er jung war, habe er gesagt, dass es kein Jung oder Alt gebe. Das Gleiche sage er heute. Es gehe darum, ob du – je nach Alter – schon oder noch die nötige Power hast.

Sami Khedira hat vor allem den Willen. Nach einem weiteren Kreuzbandriss stand für ihn auch die WM 2014 auf der Kippe. „Es wurde langsam knapp“, sagt er. Doch dann gewann er zum Erstaunen vieler erst mit Real Madrid das Champions-League-Finale, wenig später überzeugte er in Brasilien, musste erst im WM-Finale beim Aufwärmen passen. Er würde zu gern ein weiteres Endspiel bestreiten.

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