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Größtes Talent Großbritanniens. Liam Kirk (rechts) vergangenes Jahr bei einem B-WM-Spiel gegen Ungarn.

© Laszlo Szirtesi/Imago

Deutschlands erster Gegner bei der Eishockey-WM: Großbritannien will sich nicht kampflos ergeben

Nach 25 Jahren nimmt Großbritannien erstmals wieder an einer WM teil. Sie haben nur Außenseiterchancen. Und der Sohn von Rod Stewart steht nicht im Kader.

Der Name Liam Kirk ist hierzulande wohl nur Eishockey-Fachleuten ein Begriff. Trotzdem hat Kirk mit 19 Jahren schon etwas Erstaunliches geschafft: Er ist erst der erste Engländer und zweite in Großbritannien geborene und ausgebildete Spieler, der von einem Team aus der National Hockey-League (NHL) gedraftet wurde. 2018 war das, inzwischen spielt Kirk bei den Peterborough Petes in der Ontario Hockey-League (OHL) in Kanada, und hofft eines Tages für die Arizona Coyotes in der besten Eishockey-Liga der Welt aufzulaufen. „Ein weiteres Jahr werde ich wohl noch in der OHL spielen, dann bekomme ich vielleicht einen Vertrag in Arizona“, erzählte der in Maltby unweit von Sheffield aufgewachsene Kirk kürzlich. Schon als Zweijähriger stand er auf dem Eis.

Der erste Brite, an dem sich ein Klub aus der NHL die Rechte sicherte, war Tony Hand. Das war 1984. Den Mann aus Edinburgh nannten sie „the Scottish Gretzky“, in Anlehnung an den bekanntesten Eishockeyspieler aller Zeiten. Hand war auch erster Brite, der im Trainingscamp eines NHL-Teams war, zu einem Einsatz bei den Edmonton Oilers reichte es für den Stürmer allerdings nie. In der Heimat wurde er trotzdem zu einem kleinem Idol: In den späten Achtzigern zierte sein Bild sogar die Bierdeckel in vielen Pubs seiner Heimatstadt in Edinburgh.

Tony Hand war eine Ausnahme, heute gibt es immer mehr gute Eishockeyspieler in Großbritannien. Und an einem möglichen Engagement in der NHL ist Liam Kirk näher dran als einst Tony Hand, der erst 2015 seine Karriere im Alter von 47 Jahren beendet hat. Nun steht für den torgefährlichen Kirk die Weltmeisterschaft in der Slowakei an und die Chance, sich der großen Eishockeywelt zu präsentieren. Die Briten nehmen erstmals seit 25 Jahren wieder an einem Turnier der besten Nationalmannschaften teil, entsprechend groß ist die Vorfreude. „Wir wollen zeigen, dass wir Eishockey spielen können und unser Land so gut wie möglich vertreten“, sagte Kirk.

Zum WM-Auftakt geht es am Samstag (16.15 Uhr/live bei Sport 1) gegen die deutsche Mannschaft. „Großbritannien gegen Deutschland – das verspricht immer einen guten sportlichen Wettkampf“, sagt Trainer Pete Russell. Das jüngste Spiel gab es 2006 bei der B-WM in Amiens. Damals siegte die deutsche Mannschaft gegen eine überforderte britische Auswahl 8:0 und stieg ein paar Tage später auf. „Euer Team hat hier bei der B-WM nichts zu suchen“, schimpfte Großbritanniens damaliger (kanadischer) Trainer Rick Strachan. „Meine armen britischen Baby-Boys so zu versohlen.“

Die Deutschen wollen sich fürs Viertelfinale qualifizieren

Auch diesmal erwarten die Briten keine Wunderdinge gegen Deutschland, kampflos ergeben wollen sie sich Russell zufolge aber nicht: „Wir haben keinen Druck. Wir können einfach ins Spiel gehen und versuchen, etwas mitzunehmen.“ Umgekehrt muss Deutschland gegen den Aufsteiger nicht nur etwas, sondern alle drei Punkte mitnehmen. Kapitän Moritz Müller sagt: „Wir haben einmal mit den Kölner Haien in der Vorbereitung schon mal in England gespielt, die gehen schon hart zur Sache dort.“ Teamkollege Leon Draisaitl dagegen sagt, das er wenig über die Briten wisse. „Aber wie das so ist bei solchen Teams, werden sie sehr hart arbeiten“, sagt der Starspieler von den Edmonton Oilers. Bundestrainer Toni Söderholm warnt seine Spieler vor dem Auftakt: „Das ist auf keinen Fall ein leichter Gegner. Ich kann das nicht deutlich genug sagen. Die sind organisiert. Man muss liefern.“

Während es für die Deutschen darum geht, sich für das Viertelfinale zu qualifizieren, geht es für die Briten um den Klassenerhalt. In der Vorbereitung haben sie gegen Gegner kleineren Kalibers gespielt, dabei immerhin gegen eine Auswahl des Klubteams von Dynamo Riga 3:1 gewonnen. „Der Klassenerhalt wäre ein riesiger Erfolg. Um das zu schaffen, müssen wir wenigstens ein Spiel gewinnen“, sagt Russell.

Mit ihm als Trainer ist das britische Team zuletzt zweimal in Folge aufgestiegen. „Dass wir jetzt an einer A-WM teilnehmen, ist wirklich sensationell. Das ist eine völlig neue Welt für uns, das müssen wir genießen“, sagte Russell. „Für unseren Sport ist die WM ein Schaufenster. Vielleicht können wir durch unsere Auftritte mehr Kinder in der Heimat davon überzeugen, es auch einmal mit Eishockey zu versuchen“, hofft Russell.

Der Sohn von Rocksänger Rod Stewart steht nicht im Kader

Eishockey in Großbritannien ist im Aufwind, auf Klubebene hat sich zuletzt etwa einiges getan. Die Zuschauerzahlen in der Eliteliga steigen, an der europäischen Champions Hockey League nehmen britische Teams seit der Neugründung 2014/15 teil – auch wenn die Erfolge noch überschaubar sind. Dabei sagt ja die Legende, dass britische Soldaten Vorläufer des Eishockeys im 19. Jahrhundert in Kanada erfanden – weil sie dort kein Feldhockey spielen konnten im strengen Winter. Eishockey spielte zu Anfang des 20. Jahrhundert dann eine Rolle in Großbritannien. Die Briten wurden 1936 in Garmisch Olympiasieger, was ihnen gleichzeitig den WM-Titel bescherte. 1937 und 1938 gewannen sie noch WM-Silber, doch nach dem Krieg kam nichts mehr.

Aber vielleicht können bald nicht mehr nur Experten mit dem Namen Liam Kirk etwas anfangen. Den prominentesten Namen im britischen Nationalteam trug zuletzt übrigens ein anderer Liam: Liam Stewart, Sohn von Rocksänger Rod Stewart und Schauspielerin Rachel Hunter und zuletzt Profi bei den Guildford Flames. Stewart ist nicht bei der WM dabei – erst vor wenigen Tagen hat er bei den Queenstown’s Southern Stampede unterschrieben, in Neuseeland, Heimat seiner Mutter. Die Eishockeywelt der Briten ist eben eine kleine Eishockywelt.

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