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Geht doch. Timo Kastening und Johannes Bitter konnten im Nationaldress überzeugen.

© imago images/Agentur 54 Grad

Deutschland bei der Handball-EM: Bitter und Kastening sind die Gewinner unter den Verlierern

In der Handball-Nationalmannschaft sind trotz der enttäuschenden EM kaum Veränderungen zu erwarten. Dabei gibt es gerade in der Offensive einige Optionen.

Johannes Bitter, den alle nur Jogi nennen, ist bei der Handball-Europameisterschaft in unterschiedliche Rollen geschlüpft. Der Nationaltorhüter war regelmäßig als Antreiber und Motivator auf der Bank zu bestaunen, der Kontakt zum Publikum aufnimmt, mit den Armen rudert und mitreißen will. Wie ein Animateur. Ein anderes Mal lief der 2,05-Meter-Mann durch die Mixed Zone und verteidigte Bundestrainer Christian Prokop mit großer Vehemenz und Überzeugung.

„Er hat das ganze Turnier schon eine hervorragende Aura in diese Mannschaft gebracht“, sagt Prokop über seinen Torhüter, der – wie zuvor schon gegen Österreich – auch im bedeutungslosen letzten Hauptrundenspiel gegen Tschechien am Mittwochabend fast die gesamte Spielzeit über im Kasten stand. Beim letztlich souveränen 26:22 (13:10)-Sieg der Deutschen war der 37-Jährige einmal mehr ein starker Rückhalt und wurde in der Wiener Stadthalle im Anschluss als bester Spieler ausgezeichnet.

Timo Kastening hat erst vier Bälle verworfen

Bitter, der älteste Nominierte im deutschen Kader, zählt zu den positiven Überraschungen im deutschen Team. Der Keeper ist gewissermaßen ein Gewinner unter den Verlierern, die beim vierten Turnier in Folge eine Medaille verpassen. Neben Bitter spielte sich auch Timo Kastening in den Vordergrund.

Der 24-Jährige von der TSV Hannover-Burgdorf hat seit dem EM-Startschuss erst vier Bälle verworfen, mit einer herausragenden Quote von 86 Prozent (26 aus 30) ist er obendrein bester Deutscher unter den Top-Torschützen des Turniers. Am Samstag kann er diese Quote im abschließenden Spiel um Platz 5 in Stockholm gegen Portugal (16 Uhr/ARD One) letztmals ausbauen.

Die Chancen, dass Kastening und Bitter im Sommer zu den Olympischen Spielen fahren dürfen, sind in diesen Tagen in Wien also exponentiell gestiegen – unter der Voraussetzung natürlich, dass Team Germany beim Qualifikationsturnier in Berlin (17. bis 19. April) die Reise nach Tokio klarmacht.

Ein Gewinner des Turniers: Deutschlands Torhüter Johannes Bitter.
Ein Gewinner des Turniers: Deutschlands Torhüter Johannes Bitter.

© dpa

Vor der EM war davon nicht unbedingt auszugehen: Bitter, der Weltmeister von 2007, war nach sechsjähriger Abstinenz im Nationalteam erst wieder reaktiviert worden – und Kastening reiste als EM-Debütant an, als Herausforderer von Tobias Reichmann auf Rechtsaußen. Im Turnier fand schließlich ein Rollentausch statt: Reichmann erhielt erst gegen Tschechien seine Spielzeit, zuvor kam er nur für die Siebenmeter aufs Feld.

Auf anderen Positionen sind ähnliche Überraschungen in den nächsten Wochen und Monaten eher nicht vom Bundestrainer zu erwarten. Der Kern des Nationalteams steht ja seit einigen Jahren. Das fängt bei Andreas Wolff im Tor an, der auch künftig gesetzt sein sollte, obwohl er seit einem halben Jahr in der eher zweitklassigen polnischen Liga spielt – bei Vive Kielce, einer international zusammengestellten, mit Stars gespickten Mannschaft, die zum Favoritenkreis in der Champions League gehört.

Keine Experimente im Mittelblock zu erwarten

Im vielleicht wichtigsten Teil jeder Handball-Mannschaft, dem Mittelblock, sind ebenfalls keine Experimente zu erwarten: Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek, die beiden Abwehrstrategen vom THW Kiel, spielen auch im Verein auf höchstem Niveau zusammen. Mit EM-Debütant Johannes Golla (SG Flensburg-Handewitt) hat sich im Turnier zudem ein Spieler in Position gebracht, der perspektivisch eine echte Alternative sein könnte.

In der Defensive kann sich der Bundestrainer also auf ein solides Fundament inklusive Option verlassen. Wesentlich spannender dürfte da in Zukunft die Bestzung der Offensive sein. Prokop musste bei der EM sieben Rückraumspieler ersetzen, von denen einige bis zur Olympia-Qualifikation in Berlin im April wieder einsatzbereit sein dürften.

Die vielleicht größten Hoffnungen ruhen dabei auf Fabian Wiede von den Füchsen Berlin. Prokop hatte den Linkshänder als Spielgestalter, Regisseur und Mittelmann aufgebaut – bis er Ende Dezember, also wenige Tage vor dem EM-Start, die verletzungsbedingte Absage aus Berlin kam.

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