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Aufgabe der anderen. Wenn sie Männer besiegt, ist das für ihre Gegner oft schwer zu ertragen. Dabei gelingt Filiz Osmanodja das regelmäßig, in Deutschland ist sie laut Rangliste des deutschen Schachbundes die Nummer 16 bei den Frauen.

© Klaus Steffan

Deutsche Schach-Großmeisterin Filiz Osmanodja: „Wenn Männer gegen mich verlieren, ist die Aufregung groß“

Filiz Osmanodja spielt Schach, seitdem sie fünf Jahre alt ist. Inzwischen ist sie Großmeisterin – und nebenbei Hand-Double in der Serie „Das Damengambit“.

Es braucht keine profunden Schach-Kenntnisse, um sich für Beth Harmon, die Protagonistin der erfolgreichen Netflix-Serie „Das Damengambit“ begeistern zu können. Anya Taylor-Joy spielt darin eine Frau, die versucht, sich in der männerdominierten Schachwelt durchzusetzen. Dabei sind es größtenteils gar nicht ihre Hände, die in wenigen Zügen den Gegner Schachmatt setzen, sondern die eines Doubles.

„In den Szenen, wo schnell gespielt wird, war ich das Schach-Double", erklärt Filiz Osmanodja, „meine Hand ist dort in manchen Szenen zu sehen.“ Die 24-Jährige spielt bereits seit ihrer Kindheit Schach und ist in diesem Jahr sogar Großmeisterin geworden. Im vergangenen Jahr bewarb sie sich auf eine Ausschreibung als Schachdouble. „Vor allem für Szenen, in denen die Protagonistin schnell und hintereinanderweg ziehen muss, braucht es ein Double, damit es professionell aussieht“, erklärt Osmanodja.

Bereits im Alter von fünf Jahren fing sie mit dem Schachspielen an. Damals hätten ihr Vater und ihr Bruder immer gemeinsam gespielt, erinnert sich Osmanodja, aber sie habe das nicht groß beachtet, weil es ihr zu kompliziert erschien. Irgendwann nahm ihr Vater sie dann zu einem Vereinsabend mit, wo ihr die Regeln erklärt wurden und sie ihre erste Partie spielte. Das gefiel ihr so gut, dass sie beim USV TU Dresden weitertrainierte und bereits zwei Jahre später erste größere Turniere bestritt. W

enig später nahm sie sogar an der Jugendmeisterschaft teil. „Dort belegte ich bei den Mädchen den dritten Platz, das spornte mich natürlich an“, sagt Osmanodja. Im darauffolgenden Jahr wurde die Dresdnerin dann zur Deutschen Meisterin gekürt und ist aktuell bei den Frauen die Nummer 16 in der deutschen Rangliste.

Nach der Grundschule wechselte Osmanodja auf ein Dresdner Sportgymnasium, wo sie zweimal pro Woche Schachunterricht hatte. „Während die anderen aus meiner Klasse Leichtathletik- oder Fußball-Training hatten, saß ich im Zimmer und übte Schach“, sagt sie und lacht. Allerdings laufe das anders ab, als die meisten es sich vorstellten: So spiele man kaum gegen andere, sondern trainiere „ausgiebig“ die einzelnen Phasen des Spiels.

Die sogenannte Eröffnung, sei vor allem mit Auswendiglernen verbunden und für die meisten sehr unangenehm. Das Mittelspiel hingegen beschreibt Osmanodja als „hochspannend“: Einerseits könne man Aufgaben lösen und andererseits könne man sich die Partien von Großmeistern anschauen und dadurch Strategien erlernen. Beim Endspiel, wo nur noch wenige Spielfiguren übrig sind, spiele wiederum die Variantenberechnung eine wichtige Rolle. Als Kind trainierte Osmanodja vor allem mit Büchern, aber mittlerweile greift sie auf digitale Alternativen und Datenbanken zurück, in denen die Partien von Großmeistern analysiert werden. „Ich bin so nicht mehr auf Schachbücher angewiesen.“

Männer haben oft Schwierigkeiten damit, wenn sie von Frauen besiegt werden

Besonders in Erinnerung geblieben sind ihr die Partien, bei denen sie sich gegen einen Großmeister durchsetzen konnte. Anders als bei den Jugendmeisterschaften, bei denen sie ausschließlich gegen Frauen spielte, nimmt sie seit ihrem Studium in Berlin auch an internationalen Schachturnieren teil und spielt dort hauptsächlich gegen Männer.

Erst im vergangenen Jahr gewann sie bei den Europameisterschaften bereits in der ersten Runde gegen den bulgarischen Großmeister Kiril Georgiev. „Eigentlich sah es gut aus für ihn, aber ich war zäh und hab weitergespielt“ erzählt Osmanodja. Irgendwann habe ihr Gegner angefangen, Fehler zu machen, so dass sie gewann.

Bis heute hat keine Frau den Titel bei den offenen Weltmeisterschaften gewonnen und noch immer spielen deutlich weniger Frauen als Männer bei den Profis. Für Frauen sei es nicht leicht, sich in der männerdominierten Schachwelt zu behaupten, sagt Osmanodja. Sie selbst sei oft nicht ernst genommen worden – vor allem als sie noch jünger war und gegen erwachsene Männer spielte. „Sie haben damals sehr schnell gespielt und sind immer aufgestanden, aber wenn sie verloren haben, war die Aufregung natürlich groß.“

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Auf die Frage danach, warum so wenige Schachspielerinnen bekannt seien, hat Osmanodja zwar keine Antwort parat. Sie könnte sich allerdings vorstellen, dass grundsätzlich weniger Frauen Schach spielten und dadurch auch weniger bis an die Spitze gelangten. „Wenn man sich Vereine anschaut, gibt es da kaum junge Frauen.“ Das könnte für Außenstehende eine „abschreckende Wirkung“ haben.

Dass sie in diesem Jahr zur Großmeisterin gekürt wurde, findet Osmanodja „mehr als überfällig“. Voraussetzung für den höchsten Titel für Turnierschachspielende sind drei Normen, von denen sie zwei bereits vor einigen Jahren schaffte. Die entscheidende dritte Norm erlangte sie nun zu Beginn des Jahres. „Das war natürlich ein guter Start ins Jahr“, sagt Osmanodja. So gut wie das Jahr für sie angefangen hatte, ging es allerdings nicht weiter, denn aufgrund der Corona-Pandemie mussten von März an fast alle Wettkämpfe abgesagt werden, darunter die Europameisterschaft und die Mannschaftsolympiade.

Zwar seien einige Turniere ins Virtuelle verlagert worden, dort bestehe allerdings das Risiko, das jemand schummle und Computerhilfe benutze, sagt Osmanodja. „Und wenn ich zuhause am Laptop sitze und gerade aufgestanden bin, dann kommt auch keine richtige Turnieratmosphäre auf.“

Schachstar. Anya Taylor-Joys Hände sind nicht in der Serie "Das Damengambit" immer ihre eigenen.
Schachstar. Anya Taylor-Joys Hände sind nicht in der Serie "Das Damengambit" immer ihre eigenen.

©  Netflix/Imago

Osmanodja nutzte die neu gewonnene Zeit stattdessen dafür, um ihr Medizinstudium an der Charité zu beenden. So ganz will sie sich dem Schach nämlich nicht verschreiben. Natürlich habe sie schon darüber nachgedacht, hauptberuflich Schach zu spielen, sagt Osmanodja, aber für sie sei das nichts. „Man geht viel freier an eine Partie heran, wenn man weiß, dass man es auch genießen kann“, sagt sie.

Stattdessen würde sie gern anfangen an der Charité zu arbeiten, am liebsten in der Radiologie. Mit dem Schach wolle sie zwar weitermachen, aber sie versuche auch realistisch bleiben: „Ein paar Ziele, die ich für mein Schachleben hatte, muss ich aufgeben – zum Beispiel Weltmeisterin werden.“ Sie hofft, trotzdem im deutschen Kader zu bleiben und weitere Europameisterschaften bestreiten zu können. Außerdem will sie ihr Rating verbessern und vielleicht ein paar internationale Meistertitel gewinnen.

„Das Damengambit“ hat Osmanodja mittlerweile angefangen zu schauen. Sie freut sich darüber, dass dadurch zunehmend Menschen auf den Sport aufmerksam würden. Natürlich seien einige Szenen unrealistisch und eine Person, die „zweimal ins Schachbuch guckt“, könne nicht alle Gegner schlagen. Trotzdem motiviere sie die Serie: „Sie vermittelt einem, dass man immer Erste werden kann – auch als Frau.“

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