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Lang ist’s her. Der Torhüter des FC Bayern absolvierte sein bisher letztes Länderspiel im Oktober 2016.

©  dpa

Deutsche Fußball-Nationalelf: Wird Manuel Neuer rechtzeitig fit für die WM?

Manuel Neuer ist nach seiner schweren Verletzung wieder bei der Nationalmannschaft – doch ob es für die WM-Teilnahme reicht, ist fraglich.

Manuel Neuer ist am Dienstag zur deutschen Fußball-Nationalmannschaft zurückgekehrt. Und er hat sogar wie seine Kollegen das normale Tagesprogramm absolvieren können. Dummerweise standen für die deutschen Fußballer in Düsseldorf allerdings keine Einheiten auf dem Trainingsplatz an, sondern nur so genannte Marketingaktivitäten, Film- und Fotoaufnahmen also für die diversen Sponsoren der Nationalmannschaft. Damit ist gesichert, dass das deutsche Publikum Manuel bei der Weltmeisterschaft in diesem Sommer zumindest bei den Werbeunterbrechungen im Fernsehen zu Gesicht bekommt.

Ob der Torhüter, dann 32 Jahre alt, auch während der WM-Spiele auf dem Rasen zu sehen sein wird, das scheint immer mehr zu einer Glaubensfrage zu werden. „Ich glaube schon, dass er es packt“, sagt Thomas Müller, sein Kollege sowohl im Verein als auch in der Nationalmannschaft.

Je näher man an Manuel Neuer dran ist, desto größer fällt die Zuversicht aus; je weiter weg, desto stärker dominieren die Zweifel. Das interessierte Publikum scheint inzwischen deutlich skeptischer zu sein als Neuers Kollegen und seine Trainer bei den Bayern und der Nationalmannschaft. Als das Fachmagazin „Kicker“ dieser Tage seine Leser abstimmen ließ, wer denn Mitte Mai für den WM-Kader nominiert werden sollte, landete in der Kategorie Torhüter nicht etwa Manuel Neuer auf Position eins, sondern Marc-André ter Stegen vom FC Barcelona. Das hängt wohl weniger mit Zweifeln an Neuers fachlicher Kompetenz als Torhüter zusammen als mit der Ungewissheit um seine Gesundheit.

Mitte September hat Neuer sein bisher letztes Fußballspiel bestritten. Anschließend musste er wegen eines Mittelfußbruchs operiert werden, nachdem er schon am Ende der Vorsaison wegen der gleichen Verletzung wochenlang hatte pausieren müssen. Vielleicht war es auch deshalb ganz gut, dass der Torhüter, immerhin der Kapitän der Nationalmannschaft, am Dienstag mal wieder bei den Kollegen vorbeischaute – damit die noch wissen, wie er aussieht und wie seine Stimme klingt. Neuers letzter Länderspieleinsatz datiert vom Oktober 2016. Natürlich fehlt auch bei den beiden letzten Tests vor der Nominierung des WM-Kaders, an diesem Freitag in Düsseldorf gegen Spanien und am kommenden Dienstag in Berlin gegen Brasilien.

Manuel Neuer führte die Nationalelf 2014 in Brasilien zum WM-Titel.
Manuel Neuer führte die Nationalelf 2014 in Brasilien zum WM-Titel.

©  Guillaume Horcajuelo/dpa

Die Skepsis in Bezug auf seine WM-Teilnahme hat auch deshalb zugenommen, weil Neuer nach ersten Prognosen aus dem Herbst schon lange wieder auf dem Platz stehen sollte. Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München, hatte das Comeback des Torhüters ursprünglich für den Januar angekündigt. Joachim Löw, der Bundestrainer, war immerhin davon ausgegangen, dass der Torhüter „im Februar, März wieder vollumfänglich trainieren kann“. Der Februar ist längst vorüber, vom März bleiben nicht mal zehn Tage. Auch Löws Prognose muss inzwischen als zu optimistisch eingeschätzt werden.

Hinter Neuer haben sich andere Torhüter in Position gebracht

Nicht mal mehr drei Monate sind es bis zum ersten WM-Spiel der Deutschen gegen Mexiko, nur noch zweieinhalb, bis Joachim Löw seinen endgültigen Kader für das Turnier in Russland benennen muss. Dass Neuer, vorausgesetzt er verletzt sich nicht erneut, dem vorläufigen Aufgebot angehören wird, darf als gesichert gelten. „Er ist der beste Torhüter der Welt, unser Kapitän, und mit seiner Ausstrahlung brauchen wir ihn unbedingt“, sagt Löw.

Bei solchen Aussagen könnte man fast glauben, ohne Neuer würden die Chancen des Weltmeisters auf eine erfolgreiche Titelverteidigung auf ein Minimum sinken; als gäbe es jenseits des Münchners keinen deutschen Torhüter mehr von internationalem Format. Doch zu genau dem hat sich Marc-André ter Stegen, 25, beim FC Barcelona entwickelt. Der gebürtige Mönchengladbacher erhält inzwischen in Spanien regelmäßig überragende Kritiken. Und nachdem er sich in seiner ersten Saison bei den Katalanen noch hinter Claudio Bravo mit der Position 1b und Einsätzen lediglich in den Pokalwettbewerben zufrieden geben musste, ist er bei Barça inzwischen zur klaren Nummer eins aufgestiegen.

Auch in Deutschland wandelt sich sein Bild langsam, aber sicher. Hinter ter Stegens Name wurde anfangs immer noch eine Fußnote gesetzt, in der – bei allem offensichtlichen Talent – auf seine wenig erbauliche Bilanz in der Nationalmannschaft verwiesen wurde. In seinem Länderspieldebüt gegen die Schweiz kurz vor der EM 2012 kassierte er fünf Gegentore.

Überhaupt hatte ter Stegen bei seinen raren Einsätzen für die Nationalmannschaft immer wieder ein unerklärliches Zitterhändchen. In seinen ersten drei Spielen kam er auf einen Schnitt von vier Gegentoren. In den 15 Begegnungen seitdem waren es nur noch sieben. Sieben insgesamt. Mit ter Stegen im Tor hat die Nationalmannschaft nicht nur den Confed-Cup gewonnen, sondern sich auch souverän für die WM qualifiziert.

Trotzdem müsste er im Fall der Fälle hinter Manuel Neuer zurücktreten und sich in Russland mit der Rolle als dessen erster Vertreter begnügen. Neuer als Stammtorhüter bei der WM – das ist immer noch der Plan A bei der Nationalmannschaft. „Wir hoffen es natürlich und wünschen es auch“, sagt Manager Oliver Bierhoff. „Wir sind weiterhin positiv gestimmt, er auch.“ Neuer arbeitet aktuell an seiner Rückkehr ins Mannschaftstraining. Sein Vereinstrainer Jupp Heynckes hat vor einer Woche erklärt, Neuer könne inzwischen wieder bis zu 80 Prozent des Körpergewichts belasten, und angedeutet, dass er Anfang April auf den Trainingsplatz zurückkehre.

Neuer brach er sich gleich zweimal hintereinander den Mittelfuß.
Neuer brach er sich gleich zweimal hintereinander den Mittelfuß.

© AFP

Nach allgemeiner Einschätzung sollte das reichen, um bis zur WM wieder das alte Niveau zu erlangen. „Ich glaube, dass er relativ schnell wieder in seinen Rhythmus kommt“, sagt Bierhoff. Immerhin gibt es ein historisches Vorbild in der Geschichte der Nationalmannschaft, das Neuer Hoffnung machen sollte. Es ist Neuer selbst.

Vor vier Jahren konnte er in der WM-Vorbereitung wegen einer Schulterverletzung nur eingeschränkt trainieren. Auch damals war die Öffentlichkeit skeptisch, ob es reichen würde. Neuer war tatsächlich erst unmittelbar vor dem ersten Gruppenspiel wieder komplett hergestellt – und anschließend einer der Garanten für den Titelgewinn der Deutschen. Auch wegen dieser Erfahrung glaubt Thomas Müller: „Er wird sich die Zeit nehmen, die er braucht.“

Der große Unterschied ist: Vor vier Jahren verletzte sich Manuel Neuer erst im Pokalfinale, im letzten Spiel der Saison. Diesmal fehlt er schon fast die komplette Spielzeit.

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