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Auftrag erfüllt. Davie Selke erzielte in der Nachspielzeit mit seinem ersten Saisontor das 2:0 für Hertha.

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Der Trainerwechsel scheint zu wirken: Was läuft da gerade bei Hertha BSC?

Zwei Spiele, vier Punkte: Der Trainerwechsel bei Hertha BSC scheint zu wirken. Die Mannschaft spielt besseren Fußball. Und jetzt trifft auch noch Davie Selke.

Davie Selke bog nach links ab, dann wieder nach rechts, und zwischendurch köpfte er noch einen Ball aus der Gefahrenzone, der aus dem Nichts angeflogen kam. Das war gar nicht so einfach, weil Selke die rechte Hand immer noch zum militärischen Gruß an die Schläfe gelegt hatte. Mission accomplished, Sir! Auftrag ausgeführt.

Vier Minuten Nachspielzeit musste Hertha BSC gegen Arminia Bielefeld bis zum ersten Sieg seit Ende Oktober noch überstehen. Die fünfte Minute war gerade angebrochen, als Selke, kurz zuvor eingewechselt, im Bielefelder Strafraum einen Fehlpass erlief, sich in Position brachte und den Ball dann aus gut 18 Metern mit Wucht, Wut und Präzision ins Tor der Arminia beförderte.

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Es war die fast ein bisschen unglaubwürdige Pointe auf eine ohnehin schon eher unmögliche Geschichte. Selke? Echt jetzt? Der Stürmer, im Sommer nur wegen des Abstiegs von Werder Bremen zu Hertha zurückgekehrt, war mehr und mehr zur traurigen Gestalt in einer ohnehin schon recht traurigen Mannschaft geworden. Notorisch erfolglos, von manchen verspottet, von anderen sogar ein bisschen bemitleidet. Als Selke nach der Derby-Niederlage gegen Union sein Trikot in die Fankurve warf, kam es postwendend zurückgeflogen.

Und jetzt also: sein erstes Tor seit der Rückkehr zu Hertha, sein erstes seit Ende Januar und nach – saisonübergreifend – 21 Spielen für Werder und Hertha. „Das 2:0 war pure Freude, pure Erleichterung“, sagte er. „Es ist einfach nur schön, dass der Scheißknoten geplatzt ist.“

Der 2:0-Sieg gegen Bielefeld, das erste Saisontor von Davie Selke, dazu Ansätze von stringentem Offensivfußball: All das ließ die rund 4000 Hertha-Fans das graue, kalte und weitgehend kahle Olympiastadion mit einem zuletzt weitgehend unbekannten Hochgefühl und beinahe sommerlicher Beschwingtheit verlassen. Was läuft da eigentlich gerade bei Hertha BSC?

Mit Herz und gutem Fußball

„Wir haben Herz gezeigt und guten Fußball gespielt“, sagte Kevin-Prince Boateng. „In den letzten zwei Wochen sind wir sehr eng zusammengerückt.“ Vor zwei Wochen ist Tayfun Korkut als neuer Trainer und Nachfolger von Pal Dardai zu Hertha BSC gekommen. Ein Zusammenhang zwischen dieser Personalentscheidung und dem Auftreten der Mannschaft ist wohl nicht von der Hand zu weisen.

Unter Korkut hat Hertha in zwei Spielen vier Punkte geholt, der Negativtrend ist fürs Erste gestoppt, die Stimmung in und um die Mannschaft herum wieder deutlich gelöster. Und auch wenn man das Ganze nach Spielen gegen den Fünfzehnten und den Siebzehnten der Fußball-Bundesliga nicht überbewerten sollte, so lassen sich doch die Ansätze zum Besseren nicht ignorieren. Es sind vor allem Ansätze zum besseren Fußball. „Genau das wollten wir“, sagte Korkut, „dass wir hinten rauskombinieren.“

Mit Optimismus an der Seitenlinie. Tayfun Korkut feiert ein erfolgreiches Heimdebüt bei Hertha BSC.
Mit Optimismus an der Seitenlinie. Tayfun Korkut feiert ein erfolgreiches Heimdebüt bei Hertha BSC.

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Diese Fortschritte im Spiel kommen nicht von ungefähr. „Wir probieren Fußball zu spielen“, sagte Mittelfeldspieler Suat Serdar. „Seit der ersten Trainingseinheit hat der Trainer von uns gefordert, dass wir von hinten rausspielen, egal wie eng es ist und wie viel Gegnerdruck wir bekommen.“

Gegen die Bielefelder war Serdar pro forma auf dem linken Flügel aufgeboten worden, de facto aber hatte er den Auftrag, von dort immer wieder ins Zentrum vorzustoßen. Serdar setzte diese Vorgabe mit Lust und Laune um. „Es macht Spaß, dass der Trainer so flexibel ist“, sagte er.

Tayfun Korkut hat alles auf null gestellt

Bei Hertha ist in diesen Tagen geradezu prototypisch zu beobachten, welchen Effekt ein Trainerwechsel im Idealfall haben soll: Alles wird einmal auf null gestellt.

Während Dardai immer mit einem konditionierten Blick auf seinen Kader geschaut hat, stets im Hinterkopf hatte, was war (Matheus Cunha, Jhon Cordoba) und was hätte sein sollen oder können (Ihlas Bebou, Maxwel Cornet), ist Korkut komplett unvoreingenommen an die Aufgabe herangegangen. Für ihn ist Stevan Jovetic eben kein Spieler, der zu alt ist und nicht richtig und der darüber hinaus zu Verletzungen neigt; und für ihn ist auch Ishak Belfodil kein richtig austrainierter Tanzbär, für den es eigentlich keine richtige Position gibt.

Bei Korkut spielen Jovetic und Belfodil als Doppelspitze – und es funktioniert. Jovetic hat drei der vier Tore in den beiden Spielen unter dem neuen Trainer erzielt, zwei davon bereitete Belfodil vor.

Pal Dardai war zum Schluss gefangen in seiner Defensivhaltung, auch der eigenen Mannschaft gegenüber. Das ist ihm letztlich zum Verhängnis geworden. Tayfun Korkut hingegen steht im Moment für Offenheit, für Optimismus und Mut zur Offensive. Zumindest ist das nach den beiden Spielen gegen den Fünfzehnten und den Siebzehnten der Tabelle so.

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