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Sport: Der ruppige Herr Dutt

Mit seltsamen Personalentscheidungen bringt der neue Trainer Unruhe in die Leverkusener Idylle

Wenn es nach ihm ginge, würde Robin Dutt wohl ganz auf Interviews verzichten. Prominenz und Bekanntheit seien für ihn ein lästiges Übel, hat er einmal gesagt. Man glaubt es ihm aufs Wort: Wenn er als Trainer von Bayer 04 Leverkusen über seine Mannschaft sprechen muss, dann tut der 46-Jährige das meist mit angestrengtem Blick. Selbst der erste Sieg mit seinem neuen Klub, ein glückliches 1:0 am Sonntag gegen Werder Bremen, konnte kein Lächeln in sein Gesicht zaubern. Und dabei war er angeblich „sehr zufrieden“ mit einem „sehr guten Spiel“. Gut war die Bundesliga-Partie in Wahrheit nicht, sie war vielmehr zäh und frei von Höhepunkten. Die Spielfreude, die Bayer in der Vorsaison ausgezeichnet hat, fehlte völlig.

Die ersten drei Punkte, die Leverkusen dank eines Treffers von Michal Kadlec in der 85. Minute einfuhr, beruhigten aber immerhin die Gemüter der Bayer-Chefs. Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser hatte das 0:2 beim Bundesliga-Start in Mainz und das 3:4-Pokaldesaster in Dresden schon dazu veranlasst, im Stadion-Magazin „ein frühes Aufbäumen“ von seinem neuen Trainer zu fordern. Holzhäuser hatte den ehemaligen Freiburger verpflichtet, da er als akribischer Arbeiter gilt, der eine Mannschaft systematisch voranbringen kann – wie den SC Freiburg, mit dem er in der vergangenen Saison Neunter wurden.

Bestes Beispiel für Dutts in Leverkusen ungewohnt ruppigen Stil ist seine Behandlung des Falls Michael Ballack. Am Sonntag stand der Mittelfeldspieler als Kapitän in der Startelf, der planmäßige Spielführer Simon Rolfes kam in der 83. Minute aufs Feld. Ballack habe um seine Auswechslung gebeten, berichtete Dutt, der sich darauf festgelegt hat, dass immer nur einer der beiden Strategen im defensiven Mittelfeld spielen darf. Er brauche dazu einen Künstler wie Renato Augusto und einen Mischspieler wie Lars Bender. „Wer in einer Champions-League-Mannschaft spielt, dem darf es eine Ehre sein, auch mal auf der Bank zu sitzen“, sagt Robin Dutt. Und: „Wer nicht auf der Bank sitzen will, hat bei Bayer nichts verloren.“ Wie wenig Ballack das Bankdrücken schätzt, ist bekannt. Und dass sogar Rolfes, der freundlichste aller Leverkusener, murren kann, bewies er nach dem 0:2 in Mainz, als er nach seiner Auswechslung sagte: „Ich hätte mich nicht ausgewechselt.“

Auch das Torhüterproblem ging Dutt seltsam an. David Yelldell, 29, und Fabian Giefer, 21, durften den verletzten René Adler jeweils nur einmal vertreten. Da keiner von beiden den Trainer überzeugte, lieh Leverkusen den 19-jährigen Bernd Leno aus Stuttgart bis zur Winterpause aus. Auch andere Schritte Dutts verursachten atmosphärische Störungen. So verbannte er Teambetreuer Hans-Peter Lehnhoff vom Trainingsplatz, obwohl der seit mehr als zehn Jahren an den Einheiten der Profis teilnimmt. Zudem setzte Dutt seine Vorstellungen von gesunder Ernährung durch, indem er Milchreis, Schnitzel und Nutella aus den Büffets verbannte. Alles nur Kleinigkeiten, aber sie versetzten etliche Spieler in helle Aufregung, weil sie das alles schon mal so ähnlich erlebt haben. Die Mehrheit der aktuellen Profis hat noch die Ära Bruno Labbadia miterlebt (2008 bis 2009). Auch er war ein Trainer, der in Leverkusen alles neu erfinden wollte. Und scheiterte.

Mit dem menschlichen Trainer Jupp Heynckes lebten die meisten Bayer-Profis dagegen wie im Paradies. Vor allem die vielen jungen Spieler kamen mit ihm wunderbar aus, da er auf sie einging und einen freundlichen Umgangston pflegte. Sie dankten es ihm: Unter Heynckes gab es schöne und mitreißende Spiele. 2010 wurde Bayer Vierter, im Vorjahr sogar Zweiter. Dutt ist angetreten, um den nächsten Schritt zu schaffen, also möglichst Meister zu werden. Er wolle in den Verein „noch mehr Siegeswillen“ bringen, sagte er vor dem Saisonstart. Davon ist er noch weit entfernt.

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