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Alles im Blick. In den vergangenen drei Spielen setzte Herthas Trainer Pal Dardai den Norweger Per Skjelbred nicht ein.

© Soeren Stache/dpa

Der Norweger ist derzeit nur Ersatz: Per Skjelbred: Eine Bank für Hertha BSC

Per Skjelbred wird bei Hertha BSC als Führungsspieler geschätzt. Trotzdem durfte er zuletzt nicht spielen. Gegen den Hamburger SV könnte es wieder soweit sein.

Am vergangenen Wochenende hat Per Skjelbred mal wieder gezeigt, warum er bei Hertha BSC von allen so geschätzt wird. Der Mittelfeldspieler denkt zuletzt an sich, er hat eine selbstlose Art und immer das Wohl des großen Ganzen im Blick. Nach Herthas Heimspiel gegen den SC Freiburg stand Karim Rekik mit nacktem Oberkörper in der Mixed-Zone des Olympiastadions. Der Holländer war vom Fernsehen als Gesprächspartner angefragt worden. Skjelbred kam des Weges, blieb stehen, zog seine wattierte Jacke aus und gab sie Rekik. Skjelbred brauchte sie nicht. Er ist schon länger nicht mehr ins Schwitzen gekommen, zumindest nicht an Spieltagen.

In den vergangenen drei Begegnungen hat der Norweger keine Sekunde gespielt. Skjelbred saß auf der Bank, durfte sich warmmachen – wurde aber kein einziges Mal eingewechselt. Das ist eine ganz neue Erfahrung für ihn. Seitdem er vor mehr als viereinhalb Jahren vom Hamburger SV zu Hertha gewechselt ist, hat er nur einmal länger pausieren müssen. In der Saison 2014/15 fehlte er vier Spiele hintereinander – wegen einer Verletzung.

Skjelbred ist ein positiver Mensch

„Was soll ich machen?“, fragt Skjelbred. „Ich gebe volle Pulle im Training, so wie immer.“ Von Missmut ist bei ihm nichts zu spüren. Skjelbred ist ein positiver Typ, einer, der auch in solchen Situationen nicht rumzickt, sondern einfach Spaß an seinem Job hat. „Wenn ich trainiere, sind alle Sorgen weg“, sagt er.

Was Skjelbred gerade erlebt, haben in dieser Saison auch schon andere Spieler erlebt, die sich in der Vergangenheit mehr oder weniger große Verdienste um Hertha erworben haben. Vedad Ibisevic, immerhin Kapitän der Mannschaft, stand am Wochenende zum ersten Mal nach sieben Wochen wieder in der Startelf des Berliner Fußball-Bundesligisten; Mitchell Weiser blieb ebenfalls mehrere Spiele hintereinander draußen. Und bei Fabian Lustenberger war es zu Beginn der Saison so, als er in den ersten vier Begegnungen nicht zum Einsatz kam. Jetzt ist es umgekehrt: Lustenberger spielt im defensiven Mittelfeld – und Skjelbred muss erst einmal zuschauen.

„Per ist trotzdem ein Führungsspieler. Er ist sehr wichtig, auch in der Kabine“, sagt Herthas Trainer Pal Dardai. Der Ungar hat sich in der Vergangenheit immer als großer Fan des Norwegers zu erkennen gegeben. Er schätzt Skjelbreds uneitle Art, seinen nimmermüden Eifer, seine Lust an der defensiven Drecksarbeit. Doch in der Defensive hat Hertha derzeit die geringsten Probleme. Deshalb erhält aktuell der Schweizer Lustenberger den Vorzug.

Dardai hält ihn für den besseren Strategen. „Momentan ist Lusti sehr frisch, seine Antennen sind draußen“, sagt Herthas Trainer. „Man sieht deutlich, dass er gute Leistungen zeigt.“ Der zweite Platz im defensiven Mittelfeld ist für den gerade 19 Jahre alten Arne Maier reserviert. Maier verfügt über andere Qualitäten als Skjelbred, ist spielerisch stärker und denkt mehr in Richtung Offensive.

Beim HSV hatte er "eine geile Zeit"

„Ich bin alt genug, ich weiß, wie das Geschäft läuft“, sagt Skjelbred, der im Juni 31 wird. Er habe fünf überragende Jahre bei Hertha erlebt, in denen er fast immer gespielt habe. „Vielleicht ist jetzt eine Phase, in der ein anderer Spielertyp den Vorzug erhält. Das muss ich einfach akzeptieren.“ Das Spiel in München war das erste, in dem Skjelbred draußen blieb. Hertha erkämpfte sich gegen die Bayern ein 0:0. „Die Mannschaft hat das gut gemacht, vor allem defensiv“, sagt Skjelbred. Wen also hätte man rausnehmen sollen von denen, die es gegen die Bayern gut gemacht hatten? Vielleicht aber, so hat es Dardai unter der Woche angedeutet, kehrt Skjelbred an diesem Samstag beim Auswärtsspiel gegen den Hamburger SV (15.30 Uhr, live bei Sky) in die Startelf zurück.

Es wäre eine nette Pointe – weil Skjelbred eine Hamburger Vergangenheit hat. Zwischen 2011 und 2013 hat er 26 Bundesligaspiele für den HSV bestritten. „War eine geile Zeit“, sagt er, „ist aber auch schon weit weg.“ Das letzte Mal in Hamburg war er vor mehr als einem Jahr, als er mit Hertha im Volksparkstadion gespielt hat. „Ich bin noch einmal mit den Kindern durchgefahren“, erzählt Skjelbred. Er mag Hamburg, der HSV aber spiele keine Rolle mehr. Skjelbred kennt kaum noch jemanden, weder aus der Mannschaft, noch aus dem Betreuerstab oder der Geschäftsstelle. Der Busfahrer ist noch derselbe wie zu seiner Zeit.

Bei Hertha war er vom ersten Tag Leistungsträger

Anhand von Skjelbreds Werdegang kann man gleich zwei Geschichten erzählen: Zum einen die, wie Hertha mit dem Bekenntnis zu mehr Kontinuität zu einem stabilen Bundesligisten geworden ist. Und die, wie es mit dem HSV durch den steten Wandel immer weiter bergab gegangen ist. „Das mit den vielen Wechseln ist nicht nur in dieser Saison so“, sagt Skjelbred. „Das geht seit fünf Jahren so.“ Seitdem der Norweger 2013 nach Berlin gekommen ist, hat er bei Hertha unter zwei Trainern gearbeitet – Jos Luhukay und Pal Dardai; beim HSV darf sich seit dieser Woche der neunte Coach seit Skjelbreds Weggang versuchen.

Der Norweger steht auch exemplarisch für die erratische Personalpolitik der Hamburger. Beim HSV haben sie zwei Jahre lang vergeblich nach der passenden Position für ihn gesucht, in Berlin war Skjelbred vom ersten Tag an Stammspieler. So wie Spieler beim HSV verlässlich schlechter werden, werden die, die den Klub verlassen, eher besser. Das war bei Skjelbred so. Bei Michael Gregoritsch, der in Augsburg Tor um Tor erzielt. Oder bei Kerem Demirbay, der in Hoffenheim zum Nationalspieler geworden ist.

Die Rechnung für die verfehlte Personalpolitik könnte der Hamburger SV am Ende der Saison erhalten, wenn er tatsächlich zum ersten Mal aus der Bundesliga absteigt. Diesmal klappt es ganz bestimmt. Oder vielleicht doch nicht? „Wir reden jedes Jahr darüber, und trotzdem schafft es der HSV immer wieder, ich weiß nicht, wie“, sagt Per Skjelbred. „Die holen Punkte, wenn es keiner erwartet.“

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