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Dardai kennt den Weg. Herthas neuer Trainer muss eine Situation meistern, die er schon 2015 gemeistert hat.

© imago images/Matthias Koch

Der neue Trainer von Hertha BSC macht Hoffnung: Pal Dardai ist einer fürs Gefühl

Nahbar, emotional, geradeheraus: Bei seiner Vorstellung als neuer Trainer deutet Pal Dardai an, wie er die Mannschaft von Hertha BSC voranbringen will.

Wer Pal Dardai ein bisschen kennt, der weiß, dass er viel Wert auf ausreichenden Schlaf legt. Abends geht er zeitig zu Bett, in der Regel um zehn, und das selbst dann, wenn ein wichtiges Champions-League-Spiel im Fernsehen gezeigt wird. Dardai braucht das für sein inneres Wohlbefinden und die maximale Leistungsfähigkeit.

Insofern hat er ein hartes Wochenende hinter sich. Nicht nur, weil Hertha BSC, sein Leib- und Magenklub, am Samstag in der Fußball-Bundesliga gegen Werder Bremen eine bittere Niederlage kassiert hat; sondern vor allem weil diese Niederlage zu gravierenden Veränderungen bei den Berlinern geführt hat. Michael Preetz, der Manager, wurde in ihrer Folge entlassen, Trainer Bruno Labbadia ebenso. Und Pal Dardai sah sich plötzlich mit der Frage konfrontiert, ob er nicht zum zweiten Mal nach 2015 als Cheftrainer einspringen könne.

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„Ich habe nicht gewusst, soll ich es machen, oder soll ich es nicht machen“, erzählt Dardai in einer Medienrunde am Dienstag, kurz nach seiner ersten Trainingseinheit mit Herthas Profis. Die Frage hat ihm die Nachtruhe geraubt. „Ich habe nicht geschlafen, weil ich gedacht habe, hier sind 20 Alligatoren, die mich auffressen werden“, sagt er.

Es waren dann doch nur ganz normale Fußballspieler und keine gefährlichen Raubtiere, denen Dardai am Dienstag gegenüberstand. Am Montag hatte er schließlich zugesagt und einen Vertrag bis zum Sommer 2022 unterschrieben, am Nachmittag leitete er noch das letzte Training von Herthas U-16-Junioren inklusive einer emotionalen Verabschiedung. „Ich habe angefangen, richtig zu weinen“, erzählt er. „Mein Herz ist fast rausgeflogen.“

Pal Dardai steht zu seinen Emotionen

Das ist Pal Dardai. Geradeheraus, emotional, irgendwie menschlich. „Wenn ich etwas mache, mache ich es mit Herz“, sagt er. „Ich finde es nicht peinlich, wenn Menschen Emotionen haben.“

Ein Training, ein Medientermin mit dem neuen, alten Trainer, und schon lässt sich feststellen: Die Sprache wird jetzt wieder blumiger und Hertha gefühliger und nahbarer. Sollte das mit dem Klassenerhalt klappen, „dann können wir uns auf die Schultern hauen und Rotwein trinken“, sagt er. Dardai, 44, versteht es, die geschundene Seele der Fans zu streicheln, das Hertha-Gefühl zu bedienen, das seit dem Einstieg des kühl kalkulierenden Investors Lars Windhorst – bei aller Freude über die ungeahnten finanziellen Möglichkeiten – doch ein wenig gelitten hat.

„Man merkt: Er sprudelt förmlich, er ist sehr motiviert“, sagt Arne Friedrich, der acht Jahre lang zusammen mit Dardai für Hertha BSC gespielt hat und jetzt als Sportdirektor in der Nachfolge von Michael Preetz die sportliche Gesamtverantwortung trägt. „Pal ist nicht immer angenehm gewesen. Auch wir haben uns zwischendurch mal gefetzt“, sagt Friedrich, 41, über ihre gemeinsame Profizeit. „Aber ich weiß, was Pal kann. Er wird die Truppe wieder auf den richtigen Weg bringen.“ Schon beim ersten Training unter dem neuen Coach hat Friedrich „eine sehr, sehr gute Energie“ gespürt.

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Es wird eine Menge Energie nötig sein, wenn Dardai seinen Auftrag zu einem erfolgreichen Ende bringen will. „Ich bin extrem motiviert“, sagt der Ungar, der Herthas taumelnder Mannschaft Halt geben und einen weiteren Absturz verhindern soll. So wie 2015, als er für Jos Luhukay einsprang, unter dem Hertha zu Beginn der Rückrunde auf den vorletzten Tabellenplatz abgestürzt war. Im Vergleich zu damals erscheint die Lage jetzt in fast jeder Hinsicht komfortabel. In der Tabelle steht Hertha besser da, und der Kader verfügt über mehr Qualität. Pal Dardai sieht das anders. „Die Situation wird von einigen unterschätzt“, sagt er.

Als er 2015 vom U-15-Trainer zu den Profis aufstieg, sei er positiv euphorisch gewesen. „Ich habe gedacht: Locker, das schaff’ ich“, erzählt Dardai. „Jetzt schaffe ich das auch, aber die Situation ist schwieriger.“ Der jugendliche Leichtsinn und der naive Fortschrittsglaube von einst sind verflogen, Dardai kann nun besser einschätzen, was ihn und die Mannschaft in den nächsten Wochen erwartet: eine Menge Stress, dem das Team wird standhalten müssen.

Ein Team oder eine Ansammlung von Individualisten?

Den Nachweis, besonders widerstandsfähig zu sein, hat Herthas Mannschaft bisher noch nicht erbringen können. Im Gegenteil. Sie gilt als Ansammlung mehr oder weniger talentierter Individualisten und nicht als echtes Team. Pal Dardai hat das bisher aus einer gesunden Halbdistanz verfolgt, hat aber natürlich auch die großen Veränderungen im Verein mitbekommen: den plötzlichen Reichtum durch den Einstieg des Investors und die daraus resultierenden Ansprüche. „Es war für mich auch eine negative Überraschung, dass es nicht funktioniert“, sagt er über den Absturz der für viel Geld verstärkten Mannschaft.

Der erste persönliche Eindruck von seinem neuen Team war dafür sehr gut, „sogar besser, als ich gedacht hatte“, sagt Dardai. Er habe keine Individualisten gesehen. „Die Mentalität passt. Alles gut, alles schön.“ Für eine profunde fachliche Einschätzung des Kaders aber sei es noch zu früh. „Von der Handlungsschnelligkeit und der Technik ist die Mannschaft okay“, sagt der neue Trainer, auch die Qualität in der Offensive hält er für ausreichend. Probleme sieht Dardai hingegen im Umschaltverhalten nach Ballverlusten. Im Zentrum lässt Hertha in solchen Fällen noch zu viele Räume.

Eine knappe Woche bleibt für die neue sportliche Führung noch, um auf dem Transfermarkt auf offenkundige Defizite zu reagieren. Eine Kurzschlusshandlung schließt Sportdirektor Friedrich aus. „Der Kader ist sehr talentiert, aber er befindet sich noch in der Kinderstube“, sagt er. „Es muss sich erst noch eine neue Hierarchie bilden. Das ist etwas, wofür wir Pals Hilfe brauchen.“ Pal Dardai hilft gern.

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