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Nach seinem frühen Fehlschuss wollte Timo Werner gegen Real Madrid nicht mehr viel gelingen. Die Folge: Chelseas Trainer Thomas Tuchel holte ihn schon früh vom Feld.

© imago images/Shutterstock

Der nächste spektakuläre Fehlschuss: Timo Werner und die Panik vor dem Tor

Timo Werner gilt als bester deutscher Stürmer. Immer wieder aber vergibt er hochkarätige Chance. Auch im Halbfinale der Champions League gegen Real Madrid.

Es war einer der letzten schönen Tage für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Es war ein Tag im Juni 2018 unmittelbar vor Beginn der Weltmeisterschaft in Russland, als die Deutschen noch sehr zuversichtlich waren, ihren WM-Titel erfolgreich zu verteidigen. Auch Joshua Kimmich verbreitete Zuversicht, als er in Watutinki vor den Toren Moskaus zur üblichen Pressekonferenz erschienen war. Unter anderem gründete diese Zuversicht auf seinen Erfahrungen mit einem guten alten Bekannten aus gemeinsamen Jugendtagen.

„Timo Werner ist eine absolute Waffe“, sagte Kimmich damals über seinen früheren Mitspieler aus dem Nachwuchs des VfB Stuttgart. „Ich habe noch nie an einem Turnier teilgenommen, bei dem er nicht Torschützenkönig geworden ist.“

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Es ist dann bekanntlich ein bisschen anders gekommen. Deutschland wurde nicht Weltmeister, Deutschland schied sogar schon in der Vorrunde aus. Und Timo Werner wurde auch nicht Torschützenkönig. Timo Werner erzielte bei drei Startelfeinsätzen nicht mal ein klitzekleines Törchen.

Werner ist jetzt 25. Er gilt als bester Stürmer mit deutschem Pass und ist im vergangenen Sommer für mehr als 50 Millionen Euro von Rasenballsport Leipzig zum FC Chelsea in die wohl beste Liga der Welt gewechselt. Aber ein bisschen ist er eben immer das 17 Jahre alte Top-Talent aus der Jugend des VfB geblieben, der gerade auf dem Sprung ist in den Profifußball.

Am Dienstagabend, als Werner mit Chelsea im Halbfinale der Champions League auf Real Madrid traf, gab es einen Moment, in denen sich viele VfB-Fans an die Anfänge des Stürmers bei ihrem Klub erinnert gefühlt haben dürften. Es waren nicht mal zehn Minuten vorüber, als Werner fünf Meter vor dem Tor den Ball mundgerecht serviert bekam. Chelseas deutscher Angreifer hatte alle Optionen – und entschied sich dafür, den Ball genau in die Mitte auf den Fuß von Torhüter Thibaut Courtois zu spielen.

Die Fehlschüsse häufen sich

Künstlerpech? Nicht unbedingt. Solche Szenen wie am Dienstag in Madrid scheinen sich bei Werner gerade zu häufen. Am vergangenen Wochenende erzielte er gegen West Ham United zwar den 1:0-Siegtreffer für sein Team, später aber vergab Werner eher kläglich die riesige Chance auf das beruhigende 2:0. Und vor einem Monat, im WM-Qualifikationsspiel gegen Nordmazedonien, verdaddelte er auf fast unmögliche Weise das mögliche 2:1. Am Ende verlor die Nationalmannschaft 1:2.

Trotz allem gilt Timo Werner in Deutschland immer noch als Tormaschine. Diesen Ruf hat er vor allem seiner Zeit bei Rasenballsport Leipzig zu verdanken, in der er stets verlässlich getroffen hat. In 159 Pflichtspielen für den Klub erzielte er 95 Tore. Aber die Flatterhaftigkeit im Abschluss war schon immer – wie die unfassbare Schnelligkeit – eine herausstechende Qualität im Repertoire des Timo W. Sie ist nur nicht meistens nicht negativ aufgefallen.

Dank der speziellen Leipziger Art des Fußballs, der ultraoffensiven Ausrichtung, war es ziemlich egal, wenn Werner mal wieder eine hochkarätige Chance ausgelassen hatte. Mit ziemlicher Sicherheit bekam er im selben Spiel gleich noch eine. Und noch eine. Und vielleicht sogar noch eine. Das Spiel der Leipziger passte perfekt zu Timo Werner. Und Timo Werner passte perfekt ins Spiel der Leipziger. In der vergangenen Saison brauchte er im Schnitt 76 Minuten für eine Torbeteiligung. Jetzt beim FC Chelsea dauert es fast doppelt so lange (139).

Harsche Kritik von Rafael van der Vaart

Werner hat schon in der Jugend ganz extrem von seiner extremen Schnelligkeit profitiert, und er wäre nicht der erste Spieler, der es sich wegen seiner alles überragenden Qualität erlauben konnte, ein paar andere Dinge zu vernachlässigen. Am Dienstag in Madrid war es seltsam zu sehen, wie unbedarft sich Werner in einigen vielversprechenden Situationen verhielt; wie er den richtigen Moment für den Start in die Tiefe verpasste oder in die falsche Richtung lief und auf diese Weise aussichtsreiche Kontermöglichkeiten für seine Mannschaft torpedierte.

Die unglaubliche Schnelligkeit ist Timo Werners große Stärke. Sie ist aber auch in manchen Momenten sein größtes Manko. „Er nimmt immer den Kopf nach unten und rennt sich selbst zu Tode“, hat der frühere holländische Nationalspieler Rafael van der Vaart vor kurzem im holländischen Fernsehen gesagt. „Er ist wirklich ein blindes Pferd.“ Selbst im Moment des Abschlusses kann es Werner oft nicht schnell genug gehen, so dass es ihm an der nötigen Ruhe mangelt und er vor dem Tor fast ein wenig panisch wirkt.

„Das hilft natürlich nicht“, hat Thomas Tuchel, Werners deutscher Trainer beim FC Chelsea, nach dem 1:1 im Halbfinal-Hinspiel gegen Real über die Schludrigkeit seines Angreifer vor dem gegnerischen Tor gesagt. „Aber als Stürmer ist es einfach. Beim nächsten Mal triffst du wieder, und dann spricht keiner mehr davon.“

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