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Ein Bild aus besseren Zeiten. Aus Zeiten, als sich Berlin United noch Weltmeister Thomas Häßler als Trainer leisten konnte.

© imago/Matthias Koch

Exklusiv

Der nächste Geldgeber zieht sich zurück: Berlin United steht vor dem endgültigen Aus

Sie träumten vom eigenen Stadion, wollten in die Champions League. Derzeit aber sieht es so aus, als könnte Berlin United den Spielbetrieb komplett einstellen.

In der vergangenen Woche ist der Berliner Amateurfußball um eine Attraktion reicher geworden: Der Brasilianer Ronny, der für Hertha BSC schon in der Bundesliga gespielt hat, hat endlich sein Debüt für den 1. FC Novi Pazar 95 feiern können. Auf seinen nächsten Auftritt in der Berlin-Liga muss der 34-Jährige allerdings länger warten, als er es vermutlich erhofft hatte. Am Sonntag hätte Novi Pazar bei Berlin United spielen sollen. Die Partie aber wurde kurzfristig abgesagt, weil United nicht antreten konnte.

Ob das eine einmalige Sache bleiben wird oder sich der Klub sogar komplett vom Spielbetrieb abmeldet, das ist derzeit ungewiss. Nachdem Uniteds Interimsvorsitzender Giovanni Bruno am Freitag vom Rückzug potenzieller Geldgeber erfahren hatte, erklärte er laut „Fußball-Woche“ beim Berliner Fußball-Verband zunächst den Rückzug seines Vereins aus der Berlin-Liga. Wenige Minuten später rief Bruno erneut beim BFV an und sagte wegen personeller Probleme lediglich die Begegnung mit Novi Pazar ab.

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Von dieser Wendung aber haben weder die Spieler noch ihr Trainer Jörg Goslar etwas erfahren. Als sie am Freitagabend zum vermeintlichen Abschlusstraining erschienen, teilte ihnen Bruno mit, dass die Mannschaft vom Spielbetrieb abgemeldet werde, Spieler und Trainer damit die Freigabe für andere Klubs hätten. „Mit dem Stand ,Es ist Schluss' sind wir alle nach Hause gegangen“, sagt Trainer Goslar. „Seitdem habe ich niemanden mehr gesprochen.“ Bruno war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.

Berlin United war von Beginn an vor allem ein fantastisches Projekt: nämlich eins, bei dem die Träume stets größer waren als die Wirklichkeit. Unter dem Präsidenten Stefan Teichmann, einem Immobilienunternehmer, wurde vor allem groß gedacht. Er sprach mit Thomas Häßler, Weltmeister von 1990, als Trainer von seiner Vision. Von einem eigenen Stadion war die Rede, von einem Nachwuchsleistungszentrum der gehobenen Art, sogar von der Champions League.

Der potenzielle Investor steigt jetzt ganz aus

Die Realität sieht anders aus: Nach der mit 2:0 für Novi Pazar gewerteten Partie des Wochenendes belegt die Mannschaft in der sechstklassigen Berlin-Liga mit sechs Niederlagen aus sechs Spielen und einer Tordifferenz von 5:37 den letzten Tabellenplatz.

Aber auch jetzt regt United immer noch die Fantasie an. Das Internetportal „Tdirsport“, das sich mit dem Berliner Amateurfußball beschäftigt, hat gerade berichtet, dass Wolfgang Schreiber, früherer Manager bei VW und in dieser Zeit unter anderem Chef der Automobilmarken Bentley und Bugatti, gemeinsam mit seinem Freund, dem ehemaligen Bundesligaprofi Alexander Klitzpera, den Verein übernehmen, in großem Stil investieren und Spieler mit Regional- oder Oberligaerfahrung verpflichten wolle.

Alexander Klitzpera, früher unter anderem Profi und Sportdirektor bei Alemannia Aachen, wird anders als kolportiert nicht in großem Maße bei United einsteigen. Im Gegenteil: Er hat sein Engagement komplett beendet.
Alexander Klitzpera, früher unter anderem Profi und Sportdirektor bei Alemannia Aachen, wird anders als kolportiert nicht in großem Maße bei United einsteigen. Im Gegenteil: Er hat sein Engagement komplett beendet.

© imago/Jan Huebner

Das Gegenteil ist der Fall. „Wir haben uns am Freitag offiziell zurückgezogen“, sagt Klitzpera dem Tagesspiegel. „Meine Mission bei United ist beendet.“ Der 42-Jährige war bis zum Frühjahr sportlicher Leiter beim Zweitligisten Hannover 96 und hat sich in den vergangenen Monaten ehrenamtlich für United engagiert. Unter anderem leitete er im Sommer, nach dem Rückzug des bisherigen Geldgebers Teichmann, das Sichtungstraining, um einen Kader für die neue Saison zusammenzustellen. Auch für die Verpflichtung von Trainer Goslar, der immerhin schon beim Berliner AK und Viktoria 89 in der Regionalliga gearbeitet hat, war Klitzpera verantwortlich.

Keine Spieler, kein Trainer, keine Vorbereitung

„Wir haben gewusst, dass es schwierig wird“, sagt Klitzpera. „Wir waren von Anfang an sehr spät dran: Es gab keinen Trainer, keine Spieler, und wir haben vor dem Saisonstart kein einziges Vorbereitungsspiel bestritten.“ Die ersten Wochen der neuen Saison hätten nun gezeigt, „dass es sportlich keinen Sinn macht“.

Allerdings heißt das nicht, dass Schreiber und Klitzpera komplett mit dem Berliner Fußball abgeschlossen haben. „Die kurze und sehr intensive Zeit hier hat unser Interesse eher gestärkt und unseren Fokus auf den Berliner Fußball sogar noch geschärft“, sagt Klitzpera. Mit anderen Worten: Offenbar kann er sich zusammen mit Schreiber einen Einstieg bei einem anderen, womöglich höherklassig spielenden Verein durchaus vorstellen.

Für Jörg Goslar hingegen endet nun wohl die Arbeit als Trainer bei Berlin United. Er bedauert die aktuelle Entwicklung. Denn gerade solche Projekte, bei denen es darum gehe, einen Klub von unten nach oben zu bringen, empfinde er als sehr reizvoll. „Aber jetzt bin ich erst mal bedient“, sagt er.

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