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"Ick bin die Nina". Die Pop-Sängerin Nina Hagen posiert am 24. August 1998 zusammen mit den Spielern des Fußball-Regionalligisten.

© picture-alliance / dpa

Der lange Weg zum Aufstieg: Als ich einmal voreilig den 1. FC Union in die 2. Liga schrieb

Der Bundesliga-Aufstieg ist ein Happy End, auf das Köpenick lange gewartet hat. Unser Reporter erinnert sich an Unions erste Jahre nach der Wende.

Was sind das für Bilder: Tausende Menschen stürmen am Montag nach dem Spiel gegen den VfB Stuttgart den Rasen im Stadion an der Alten Försterei. 30 Jahre nach der politischen Wende ist der 1. FC Union endlich ganz oben angekommen. Der Aufstieg in die Bundesliga ist das vorläufige Happy End in einer drei Jahrzehnte langen Geschichte mit vielen Höhen und Tiefen und vor allem Wendungen.

Mitte der 90er Jahre begann meine Zeit beim Tagesspiegel. Erste Berührungen mit dem 1. FC Union hatte ich schon früher, da gab es ja nach der Wende dieses Spiel bei Hertha im Olympiastadion vor mehr als 50.000 Zuschauern. Da haben sie gemeinsam gefeiert und betont, wie dicke sie denn seien, und wie über all die Jahre der Kontakt zwischen Fans beider Vereine nie abgebrochen sei. Hertha und Union. Forever. Trotz Mauer. Es war natürlich ein Wendemärchen, die Klubs wurden bald wieder Konkurrenten.

Meinen ersten Besuch in der Alten Försterei hatte ich im Jahr 1992, es war um die Tage, als Zweitligist Hannover 96 in Berlin Pokalsieger wurde. Mit Besuch aus Niedersachsen war ich im Stadion von Köpenick bei einem Spiel der Aufstiegsrunde zur zweiten Liga. Ein Freund fragte mich: „Was ist denn das für ein Drahtverhau? Ätzend hier.“ Typisch Wessi, sagte ich. Ich fand es urig, wie die Fans in dem kleinen, engen, dachlosen Gebilde mitgingen. Union stieg allerdings nicht auf.

Ab 1996 war ich dann beim Tagesspiegel, Union fiel schnell in mein Aufgabengebiet. Also als Vertreter der (aber bitte damaligen) Westzeitung in den Osten. Damals hatten wir noch eine „Regionalliga Rundschau“ im Blatt, immer mittwochs. Gab ja auch einige andere Klubs in der damaligen dritten Klasse, neben den Füchsen und Hertha 03 auch Unions neuen Erzfeind Tennis Borussia. Die hatten nämlich das Geld, das Union nicht hatte. Dafür aber hatten die Köpenicker mehr Fans als die Charlottenburger. Es wurden trübe Jahre für Union angesichts leerer Klubkassen, ich erinnere mich an die Aktion als die Union-Fans vor dem Mommsenstadion, TeBe’s Heimspielstätte standen und nicht ins Stadion gingen, sondern das Eintrittsgeld lieber ihrem Klub spendeten.

Ich erinnere mich noch genau an die Mitgliederversammlung, in der der damalige Präsident Heiner Bertram den Retter Michael Kölmel präsentierte. Ein eher schüchterner  Mann damals, ein Kinomensch, der zu mehr Geld gekommen war  als er je erträumt hatte und „jetzt etwas zurückgeben wollte“. Zweieinhalb Stunden habe ich mit dem Mäzen Kölmel später telefoniert zu dem Thema, das wäre heute undenkbar.

Heute undenkbar wäre auch der erste Auftritt von Nina Hagen an der Alten Försterei. Ein paar Wochen bevor die Nina den Song dann im November 1998 im Rahmen des Spiels gegen Chemnitz im ziemlich leeren Stadion präsentierte (Playback), war sie am Pressezelt auf der Anlage in Köpenick. „Hallo, ich bin die Nina und ick habe hier mal um die Ecke jarnich so weit weg jewohnt“, sagte sie uns Journalisten. Die Hagen war zu dem Zeitpunkt nicht eben auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Als ich im Büro mit der Geschichte ankam, wollten sie mir dafür zunächst nicht eine Zeile geben. „Was soll der Quatsch?“, wurde ich sogar gefragt.

Ich schrieb es in die „Regionalliga Rundschau“. Ein Auszug aus dem Tagesspiegel vom 11. November 1998: „…hofft man bei Union im Vorfeld des Spieles gegen den nur einen Platz höher rangierenden Chemnitzer FC am Sonnabend (14 Uhr, Alte Försterei) auf ein verstärktes Publikumsinteresse. Mit mindestens 4000 Zuschauern rechnet man, zumal Nina Hagen vor dem Spiel ihren Union-Song zum Besten geben wird.“

Das war dann aber nicht der Knaller. Union verlor 0:1 und Nina Hagen langweilte sich im Schmuddelwetter im leeren Stadion unter ihrer Decke. Die vielen Fans von Union, die dem Klub bis heute die Treue halten, waren damals eben nicht immer Stadion.

Der Song aber wurde trotzdem Kult und die Puhdys scheiterten dafür krachend mit ihrem Union-Stück, auch bei der Präsentation war ich dabei. „Maschine“ Dieter Birr sagte: „Wir haben schon Hymnen für Hansa und die Eisbären gemacht. Aber das waren Auftragsarbeiten. Union war uns eine Herzensangelegenheit.“ Trotzdem wollten die Fans den Song nicht. Wohl auch, weil die Puhdys zuvor bei den Eisbären gesungen haben und deren Vorgängerklub „Dynamo“ ist und  war ja nun mal der Erzfeind.

Das Drama von Ahlen und die geplatzte Aufstiegsfeier

Aber in den Jahren danach sollte es ja (fast schon aufwärts gehen). Trainer Georgi Wassilew kam und als er damals am Flughafen Schönefeld ankam, überreichten ihm Union-Fans Blumen. Ich war so dreist und fragte gleich mal, ob er denn auch Spieler mitgebracht hatte aus der Heimat. Damals ging das noch mit den Fragen. Wassilew schrieb mir dann geduldig den Namen Hristo Koilov auf einen Zettel.

Mit dem Bulgaren ging es zum Titel in der Regionalliga und dann in die bitteren Aufstiegsspiele in Osnabrück und in Ahlen. Beide Male versagten Union die Nerven, bei der zweiten Chance in Ahlen hatte ich meinen Text nach 80 Spielminuten schon fertig. Ich saß in der Nähe des Fanblocks der Anhänger des LR Ahlen. Ein Zuschauer rief: „Guck mal, der Idiot schreibt, Union ist in der zweiten Bundesliga.“

Stimmte ein paar Minuten später tatsächlich nicht mehr, aus einer Berliner 1:0-Führung wurde ein 1:2 in den Schlussminuten. Präsident Bertram sagte auf der „Aufstiegsfeier“, die keine mehr wurde: „Wir haben alle den Kopf noch oben.“ Trainer Wassilew hörte mit gesenktem Haupt zu.

Mit dem Drama von Ahlen endete meine Zeit als Union-Reporter, natürlich habe ich mich noch über die Teilnahme am DFB-Pokalfinale gefreut und den Absturz in die Viertklassigkeit bedauert. Die Anfangsjahre von Union in der neuen Republik waren etwas Besonderes, auch wenn mir die Fans („Union und Stones war in der DDR unser ein und alles“, diesen Satz hörte ich häufig), etwas zu häufig betonten, wie anders sie seien. Aber die waren frei raus. So sagte mir einer mal nach der Mitgliederversammlung auf der Kinowelt-Retter Kölmel präsentiert worden war: „Der Kölmel will die Alte Försterei überdachen. Der hat eben keine Ahnung, das hier so etwas niemals geht. Ein Dach in der Alten Försterei, so ein Quatsch.“

Ging alles. Heute ist es halt größer und professioneller, damals war es beschaulich. Torwart Oskar Kosche winkte einen nach dem Training schon mal rüber („Ich muss dir noch was Wichtiges sagen zum Spiel“). Die Heimspiele verfolgte ich im legendären Turm neben Stadionsprecher André Rolle. Das waren schöne Zeiten. Aber jetzt kommen für viele Fans die ganz schönen Zeiten: Ich freue mich auch auf mein erstes Bundesligaspiel im Stadion an der Alten Försterei. 

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