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Andreas Schmidt, 44, stand von 1993 bis 2008 als Fußballprofi bei Hertha BSC unter Vertrag. Seit 2010 dient er dem Klub als stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates. Zum Hockey fand er über seine beiden Töchter.

© Kai-Uwe Heinrich

Der frühere Hertha-Profi Andreas Schmidt: „Hockey hätte ich als Kind auch gern gespielt“

Der frühere Fußballprofi Andreas Schmidt von Hertha BSC über seine Faszination fürs Hockey, seine Fähigkeiten am Stock und die Hallen-WM in Berlin.

Herr Schmidt, sagt Ihnen der Name Uli Vos etwas?

Nein, sagt mir nichts.

Uli Vos hat 1972 in München mit der Hockey-Nationalmannschaft Gold geholt. Um sich auf Olympia vorzubereiten, hatte er zuvor bei den Profifußballern von Borussia Mönchengladbach mittrainiert. Anschließend hat Trainer Hennes Weisweiler ihn gefragt, ob er nicht dauerhaft bei Borussia bleiben wolle.

Wer talentiert ist im Hockey oder talentiert im Fußball, der wird auch in anderen Sportarten Fuß fassen. Der Unterschied ist vielleicht nur, dass die Leistungsdichte eine andere ist, weil es nicht so viele Hockeyspieler gibt. Wenn ich mal unsere ersten Männer spielen sehe, muss ich sagen: Die Jungs sind nicht da, weil sie nur gut Hockey spielen, das sind einfach Leistungssportler. Natürlich sind die Trainingsumfänge im Hockey geringer als bei Profifußballern. Deshalb frage ich mich manchmal, was im Hockey wohl möglich wäre, wenn alle unter Profibedingungen arbeiten und mit ihrem Sport richtig Geld verdienen könnten. Aber schon so ist die technische Perfektion bemerkenswert und sehr schön anzuschauen.

Auf den ersten Blick ähneln sich beide Sportarten sehr. Wie ist es für Sie auf den zweiten Blick?

Die Grundabläufe sind ziemlich ähnlich. Das Schöne beim Hockey ist: Ich habe die Beine frei, weil ich alles mit den Armen und den Händen mache. Beim Fußball muss ich meine Beine und Füße irgendwie noch mit dem Ball koordinieren.

Kann der Fußball was vom Hockey lernen?

Es ist schon bemerkenswert, wie detailliert im Hockey Strafecken trainiert werden und wie gut die Umsetzung ist. Wenn man dann sieht, wie die Bälle beim Fußball bei Ecken und Freistößen immer noch weit vor dem Ziel einfach runterfallen, könnte man denken: Fußballer müssten das einfach mehr trainieren. Aber ich weiß ja, wie schwierig es ist, den Ball auf den Punkt zu bringen. Trotzdem: Bei Standardsituationen ist der Hockeysport schon sehr weit vorn.

Das Problem beim Fußball ist der Fuß.

Ja, das muss man wirklich so sagen. Die Kontrolle des Balles mit dem Fuß ist nicht unbedingt leichter als mit den Händen oder den Armen. Aber da hat sich im Fußball auch extrem viel verändert. Teilweise sieht man Spiele, bei denen du das Gefühl hast: Auf der Tribüne sitzt jemand mit dem Joystick und führt die Spieler übers Feld. Der Gegner kommt gar nicht mehr an den Ball. Im Hallenhockey ist das ähnlich. Es ist Wahnsinn, wie lang der Ball da permanent am Stock klebt und wie schwer das zu verteidigen ist.

Kennen Sie den Spruch: „Wenn Hockey einfach wäre, wäre es Fußball“?

Unsere Trainerin trägt manchmal ein T-Shirt mit diesem Spruch. Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass der Fußball gerade eine unheimlich einnehmende Stellung hat. Dadurch finden einige Sportarten im Fernsehen überhaupt nicht mehr statt.

Wer schaut mit mehr Arroganz auf den jeweils anderen: der Fußball auf Hockey? Oder Hockey auf den Fußball?

Ich habe mich als Fußballer nie mit einem anderen Spieler über Hockey unterhalten. Deshalb kann ich das gar nicht sagen. Bei Olympia habe ich früher immer unheimlich gerne Hockey geguckt. Ich fand es faszinierend, wie man sich einem Schuss in den Weg stellen kann – und mittlerweile weiß ich auch, wie hart so ein Ball ist. Dagegen kann ein Fußball gar nicht richtig weh tun. Aber damals hatte ich nicht wirklich eine Meinung dazu. Inzwischen habe ich großen Respekt vor den Hockeyspielern.

Sie sind jetzt Co-Trainer beim SC Charlottenburg in der Nachwuchsabteilung. Wie ist es dazu gekommen?

Meine Töchter, Jahrgang 2005 und 2006, spielen Hockey. Und wie in so vielen Sportarten gibt es auch da zu wenige helfende Hände. Man rutscht da also relativ schnell rein. In den letzten Jahren bin ich dadurch immer wieder in Co-Trainer-Funktion dabei gewesen, zurzeit bei den Jahrgängen 2007/08.

Wann hat das angefangen?

Als meine Töchter noch sehr klein waren, also sechs, sieben Jahre alt, hatten sie eine sehr junge Trainerin, die altersbedingt ihre ersten Erfahrungen gesammelt hat. Deshalb habe ich mich mit an die Seitenlinie gestellt und ihr ein bisschen beim Coachen geholfen. Es geht in dem Alter ja nur darum, die Mädchen ein bisschen zu aktivieren, damit sie zum Ball hingehen. In der D-Jugend habe ich dann auch angefangen, die Torhüter zu trainieren, weil kein eigener Trainer für die Torhüter da war.

Machen Sie im Training auch hockeyspezifische Sachen?

Ich kann mittlerweile am Stock alle Grundsachen. Das geht recht fix. Am Anfang bin ich aber immer schon vor den Kindern auf den Platz gegangen, um ein bisschen zu üben. Technisch wird es für mich langsam schwierig. Aber unsere Trainerin macht das richtig professionell. Vor jedem Training bekommt jeder einen Plan zugeschickt, was gemacht wird, wer welche Aufgaben und welche Kinder zu betreuen hat. Da sind für mich dann auch hockeyspezifische Sachen dabei.

Helfen Ihnen Ihre Erfahrungen aus dem Fußballtraining bei Hertha BSC?

Trainingstechnisch kann man sicher sehr viel ableiten. Die Grundabläufe, gerade in jungen Jahren, sind ziemlich ähnlich, auch das Coachen. Und da es im Hockey generell sehr familiär zugeht, bekommt man zu den anderen Trainern auch sehr schnell Kontakt. Da kann man immer nachfragen. Aber am Ende – und das ist ganz wichtig – gibt es eben Unterschiede im Detail. Deswegen braucht man eine erfahrene Trainerin.

Man hat den Eindruck, dass die Trainer im Hockey mehr Einfluss nehmen als beim Fußball.

Man kann im Hockey mehr eintrainieren als im Fußball, speziell in der Halle. Es gibt es feste Abläufe, da kann man als Trainer auch mal einen bestimmten Spielzug ansagen. Im Fußball, zumindest bei den Profis, hört den Trainer auf dem Feld sowieso niemand. Im Hallenhockey kann das ähnlich sein. Das wird man sicher auch bei der WM sehen. Mich wundert es immer, wenn bei Auszeiten die Musik voll aufgedreht wird. Als Trainer würde ich verrückt werden, wenn ich meinen Spielern etwas erklären möchte. Aber anscheinend ist das so Usus.

Haben Sie selbst mal Hockey gespielt?

Überhaupt nicht. Mein Patenonkel Wolfgang Herzberg und seine Frau Marianne waren Berliner Hockeylegenden, er war sogar mal Vorsitzender beim SCC. Dadurch gab es eine lose Verbindung. Aber selbst gespielt habe ich nicht.

Und jetzt?

Immer noch nicht. Zeitlich ist das schwierig. Außerdem habe ich mir vor einem Jahr das Kreuzband gerissen. Aber Hockey macht schon Spaß. Das Aha-Erlebnis hatte ich, als der SCC vor ein paar Jahren die deutsche Meisterschaft der männlichen A-Jugend ausgerichtet hat. Das war eine unglaublich gute Atmosphäre. Hätte ich das als Kind miterlebt, hätte ich wahrscheinlich gedacht: O, das wäre auch eine Sportart für dich. Das Tempo, die technische Perfektion – das war schon faszinierend.

"Der Fußball hat immer noch Vorrang"

Als der Ball noch größer war. Und mit dem Fuß gespielt wurde. Andreas Schmidt (r.) im Duell mit dem Stuttgarter Ciprian Marica.
Als der Ball noch größer war. Und mit dem Fuß gespielt wurde. Andreas Schmidt (r.) im Duell mit dem Stuttgarter Ciprian Marica.

© Imago

Wie gut sind Sie mit dem Stock?

Wenn man nicht vollkommen bewegungsuntalentiert ist, kriegt man die Grundschläge relativ schnell hin, gerade den Schrubber. Auf einem begrenzten Niveau natürlich und sicher nicht in Perfektion. Es ist ja auch ein Unterschied, ob ich mich in Ruhe hinstellen und den Ball aufs Tor schlagen kann oder ob im Spiel noch ein Gegner dabei ist.

Wie sieht es bei Ihren Töchtern aus: Haben Sie das Zeug, den Sport später einmal auf Topniveau zu betreiben oder ist es für eine solche Vorhersage noch zu früh?

Die Anzahl an leistungsstarken Kindern im Hockey ist gerade im Vergleich zum Fußball deutlich begrenzt. Dadurch gewinnt man in den einzelnen Jahrgängen recht schnell einen Überblick, wer die Voraussetzungen mitbringen könnte, als Erwachsener in den oberen Spielklassen anzukommen. Meine Töchter gehören in ihren Jahrgängen jeweils zu den Stützen ihrer Mannschaft, sind auch unterschiedliche Spielertypen. Die Kleine ist, ähnlich wie früher mein Bruder und ich, sehr wendig und beweglich. Sie geht ab dem Sommer auf eine Sportschule und wird da sicher von den hohen Trainingsumfängen profitieren.

Das sind die sportlichen Gene …

Ja, teilweise vererbt man die. Aber viel wichtiger ist, dass die Eltern hinter den Kindern stehen. Ich kriege immer einen Hals, wenn es daran scheitert, weil die Eltern keinen Bock haben, ihr Kind sonntags um neun zum Spiel zu bringen. Meine Eltern haben uns zu hundert Prozent unterstützt, uns überall hingefahren und waren teilweise sogar Betreuer.

Wäre es okay für Sie, wenn sich Ihre Töchter für eine Leistungssportkarriere entscheiden?

Ich würde mich erst einmal freuen, wenn beide mit 30 noch Hockey spielen, regelmäßig Sport treiben und mit Spaß bei der Sache sind. Wenn es für den Leistungssport reicht, egal auf welchem Niveau, würde mir das natürlich Spaß machen. Ich würde sicher zu den Eltern gehören, die, ähnlich wie früher meine Eltern, dann auch noch an der Bande stehen.

Wenn Sie heute die Wahl haben, sich ein Fußball- oder ein Hockeyspiel anzuschauen: Wofür entscheiden Sie sich?

Der Fußball hat immer noch Vorrang. Aber wenn Hockey und Fußball parallel im Fernsehen laufen, würde ich bestimmt hin- und herswitchen. Der Leerlauf beim Fußball ist auf jeden Fall größer. Und mein Interesse am Hockey ist inzwischen recht intensiv.

Werden Sie sich die Hallen-WM in Berlin anschauen?

Die ganze Familie hat Dauerkarten, meine Töchter sind an zwei Tagen als Ballkinder im Einsatz, und wir haben auch einen Volunteer bei uns einquartiert.

Sie sind also jetzt Teil der berühmten Hockey-Familie.

Man wächst da in der Tat sehr schnell rein.

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