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Smart. Leon Draisaitl bringt auch optisch meist eine starke Leistung.

© M. Hoffmann/Imago

Der beste Eishockeyspieler der Welt: Warum 2020 ein gutes Jahr für Leon Draisaitl war

Wer so weit kommt wie Leon Draisaitl, der muss härter, cleverer und talentierter als die Anderen sein. Der deutsche Eishockeyprofi ist 2020 weit gekommen.

Das Jahr 2020 war ein Jahr voller schlechter Nachrichten, eine Belastung in vielerlei Hinsicht. Aber es gibt auch Menschen, die dieses Jahr in positiver Erinnerung behalten werden. So wie Leon Draisaitle, der 2020 zum besten Eishockeyprofi der besten Liga der Welt gewählt wurde und anschließend auch Deutschlands Sportler des Jahres wurde.

Es ist nur ein Spiel, aber ein Spiel, das Leon Draisaitl besser beherrscht als viele andere. Beispiele dafür gibt es zur Genüge: Etwa diese Szene aus dem Spiel bei der Weltmeisterschaft 2019 in der Slowakei. Deutschland lag in der letzten Minute gegen die Gastgeber 1:2 zurück. Erst fiel das 2:2 und nun schaltete Draisaitl blitzschnell, fing einen Pass der Slowaken im eigenen Drittel ab. Dann sprintete der Center über rechts nach vorn, spielte aber keinen Pass, sondern haute den Puck selbst in den Winkel des Tores. 3:2. Ein Draisaitl-Kunstwerk. Es gibt inzwischen viele davon, er ist seit sieben Jahren Eishockeyprofi. Mit 18 debütierte er in der NHL, der spielstärksten Eishockeyliga der Welt.

Leon Draisaitl ist ein Gewinner des Jahres. So weit nach oben ist kein deutscher Profi geschossen wie der Kölner Jung, der bei den Edmonton Oilers in der National Hockey League (NHL) und auch sonst Bestmarken gesetzt hat: Topscorer und bester Spieler der Saison und Sportler des Jahres in Deutschland – nach Dirk Nowitzki in 73 Jahren überhaupt erst zweiter Mannschaftssportler, der diese Ehre erfuhr.

Doch wer ist Leon Draisaitl? Der Großteil der Menschen in seiner Heimat weiß es nicht, kennt ihn nicht. Gut, einige reden jetzt von „dem Eishockeyspieler“. Der Eishockeyspieler, der fern der Heimat die nordamerikanische Szene verzückt hat, das ist eben vor allem etwas für die Eishockeyblase. Der Mehrheit geht es sonstwo vorbei. Allerdings würde die Mehrheit im Lande auch nicht alle Fußball-Bundesligisten oder alle Ministerpräsident*innen aufzählen können.

Doch wofür steht Leon Draisaitl? Für viele Tore, faszinierendes Spielverständnis und unglaublichen Blick für die Situation – wie damals beim Spiel in der Slowakei. Gut, auch das interessiert nur Eishockeyfans, vielleicht auch noch sportbegeisterte Menschen.

In Deutschland wächst sein Bekanntheitsgrad nur langsam

Er hatte im Sommer viele Auftritte im deutschen Fernsehen und sicher ist er so bekannter geworden. Weltbewegendes sagte er nicht, aber viel (politisch) Korrektes – wenn er etwa auf Nachfrage gegen Rassismus Position bezog, oder witzelte, dass er nicht zu viel von Omas Kuchen essen dürfe, aber müsse, weil Großmutter das freut. Und dann ist er smart, man darf sagen: Er sieht gut aus, auch da hat der Mann das Glück auf seiner Seite. Und er wirkt greifbar, geerdet. Ein Kumpeltyp, mit dem man in den Kölner Morgenstunden nach der Kneipentour noch einen mal auf einen „Halven Hahn“ in einer Kaschemme einkehren würde.

Aber, aber, aber: Täuschen sollte sich niemand. Wer so hoch gekommen ist wie der Leon, der hat geschuftet, Entbehrungen auf sich genommen und den Drill überstanden, dem Talente in der Profisportart Eishockey ausgesetzt sind. Lean Bergmann, auch in der NHL, hat davon erzählt, dass sein Trainer in Schweden in seiner Zeit als Junior dort, nur zufrieden war, „wenn wir nach dem Training gekotzt haben“. Tausende andere mit viel Talent haben es in Dreisaitls Jahrgang nicht nach oben geschafft oder haben die Schleiferei nicht ohne Furchen überstanden.

Über Leon Draisaitl hat ein Weggefährte gesagt, dass der seiner Karriere alles untergeordnet habe. Wenn man Klein-Leon gesagt habe, Fanta sei schlecht für einen Eishockeyspieler, dann habe er keine Fanta getrunken. Kaum zu glauben heute, denn Groß-Leon zeigte in seinem Haus in Edmonton den Fernsehzuschauern sogar schon ein Fach im Einbauschrank, aus dem die Chipstüten heraus purzeltenschon. Und dann ist da ja auch die Geschichte mit Omas Kuchen.

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Man muss wohl weiter zurückgehen, um sich dem Phänomen Leon Draisaitl zu nähern. Zum Beispiel bis zu seinem Vater Peter, heute Trainer und ein Nationalspieler früher. Peter Draisaitl hat in der Jugend viele Entbehrungen auf sich genommen, ist als Teenager vom niedersächsischen Peine nach Mannheim gependelt, um dort zu spielen und zu trainieren. Das war eine harte Nachwuchszeit für Peter Draisaitl, aber seine Karriere sollte schließlich eine gute werden – mit Rissen. Bekannt wurde er durch einen versemmelten Penalty im olympischen Viertelfinale von 1992. Deutschland verpasste so knapp das Halbfinale, weil Draisaitls Puck nur auf der Linie tanzte, aber nicht rüber. Draisaitl haftete immer das Etikett an, zu viel Nerven zu zeigen in entscheidenden Momenten. Und ab und an schmökte der Profi auch mal ein Zigarettchen.

Peter war ein Star in seiner Zeit, aber sicher nicht so einer, wie sein Sohn heute. Leon hat wohl vor allem die Stärken des Vaters mitbekommen. Peter Draisaitl hat über seinen Sohn dem Tagesspiegel gesagt: „Leon war und ist von der Persönlichkeit her klar strukturiert. Er wollte das immer schaffen, er hat schon als junger Kerl dieses große Ziel gehabt, ganz nach oben zu kommen als Eishockeyprofi.“

In Edmonton ist Leon Draisaitl ein Star, in Deutschland hingegen ist er noch lange nicht jedem bekannt.
In Edmonton ist Leon Draisaitl ein Star, in Deutschland hingegen ist er noch lange nicht jedem bekannt.

© Imago

Der Vorteil von Leon war, dass er in der Eishockeyblase aufwuchs. Das ist wie bei Kindern von Hollywoodschauspielern, die sich in der Szene der Eltern bewegen und es ihnen nachmachen. Das kann ein Vorteil sein, um mit dem Erfolgsdruck umgehen zu können – gegenüber denen, die in die Szene ohne diesen Hintergrund einsteigen. Im Fall Leon Draisaitl ist es wohl so.

Aber auch er kann noch besser werden, wenn sein Umfeld noch besser wird. Sein Klub, die Oilers, sind immer noch kein Titelkandidat, obwohl sie die beiden besten Spieler der Liga haben (Draisaitl und Connor McDavid). In Edmonton haben sie für die neue Saison mit Dominik Kahun einen anderen deutschen Nationalspieler verpflichtet, ein Freund von Draisaitl. Kahun und er haben einst bei den Jungadler Mannheim unfassbare Punkterekorde in einer Reihe aufgestellt. Das kann was werden kommende Saison in der NHL, die nun im Januar beginnen soll.

Er hat das deutsche Eishockey schon jetzt voran gebracht

Es gibt übrigens gute Gründe, warum Draisaitl kein zweiter Nowitzki werden könnte. Der Basketballstar hat zwar sich nach oben gebracht und in der nordamerikanischen Profiliga NBA alles abgeräumt, der deutsche Basketball kam aber in seiner Zeit nicht nach vorn. Draisaitl hat dagegen wohl das Glück, dass ihm einige große deutsche Talente folgen und auch eine gute Karriere in der NHL haben könnten. Das wiederum nimmt ihm den Druck – und bringt ihn dem Ziel nahe, nicht nur in der NHL, sondern auch mit der Nationalmannschaft etwas zu gewinnen – bestenfalls bei Olympia. Das ist machbar – eine weitere positive Entwicklung im deutschen Eishockey vorausgesetzt.

Und es gibt noch etwas, was ihn unterscheidet von Nowitzki – er ist Kölner und bodenständig. Während der Basketball-Superstar seine Karriere in den USA beendet hat, will Draisaitl, sie bei seinem Herzens- und Jugendverein Kölner Haie ausklingen lassen. Das hat er schon versprochen. „Denn dort in Köln sind Freunde, mit denen ich aufgewachsen bin.“

Aber bis zum Ausklang einer jetzt schon großen Karriere bleibt noch Zeit, Leon Draisaitl ist erst 25 Jahre alt und noch für viele Rekorde gut – der Gewinner des Jahres 2020.

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