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Frust im Anmarsch: Marvin Friedrich ist nach dem Spiel gegen Leverkusen bedient.

© Rolf Vennenbernd/dpa

Der 1. FC Union verpasst das Pokal-Halbfinale: Ein Abend, an dem es Wichtigeres gab als Fußball

Die Berliner ärgern sich über die drei Gegentore in Leverkusen. Doch weil während des Spiels ein Fan in Lebensgefahr schwebt, spielt das nicht die Hauptrolle.

Von David Joram

Der Fußballer Marvin Friedrich beschäftigt sich am liebsten mit Fußball. Das kann ihm auch deshalb niemand verübeln, weil der Abwehrspieler des 1. FC Union damit nun mal sein Geld verdient. Wenn Friedrich nach Spielen wie der 1:3-Pokalniederlage seiner Berliner bei Bayer Leverkusen zu den Reportern spricht, dann am liebsten über Fußballthemen. Auch das wird ihm niemand verübeln.

Zur Wichtigkeit des Fußballs sagte der frühere Liverpooler Trainer Bill Shankly immerhin mal dies: „Einige Leute halten Fußball für eine Frage von Leben und Tod. Ich bin von dieser Einstellung sehr enttäuscht. Ich versichere Ihnen, dass es viel viel wichtiger als das ist.“ Der Satz wurde Fußballgeschichte. Und stimmt doch nicht – findet unter anderem Marvin Friedrich.

In Leverkusen ging es um mehr als nur Fußball

„Es gibt natürlich deutlich Wichtigeres als Fußball, das ist klar“, sagte der Berliner Innenverteidiger nach dem Spiel in Leverkusen. Von seinem Kopf liefen Schweißperlen herab, der leere Blick wanderte durch die sterilen Katakomben der Leverkusener Arena.

Leben und Tod, um das war es tatsächlich gegangen an diesem Pokalabend. Auf den Tribünen musste eine Person notärztlich versorgt werden, 27 Minuten herrschte Stille im Stadion. „Was genau passiert ist, haben wir erst in der Halbzeit erfahren“, sagte Friedrich. Dann sprach er wieder über Fußball und das aus Berliner Sicht ärgerliche Ausscheiden im Viertelfinale des DFB-Pokals.

„Ich denke, dass wir ein gutes Auswärtsspiel gemacht haben“, fand Friedrich. Trotzdem verließen Unions Spieler die Arena mit enttäuschten Mienen. Warum, erklärte Michael Parensen: „Es ist egal, wie es am Ende ausgeht. Wenn du verlierst, ist das scheiße. Das ist sehr bitter für uns.“

Wichtiger als Fußball: Ordner halten Decken, um den Notarzteinsatz während der Partie abzuschirmen.
Wichtiger als Fußball: Ordner halten Decken, um den Notarzteinsatz während der Partie abzuschirmen.

© Federico Gambarini/dpa

Im dritten Duell dieser Saison mit der Bayer-Elf hatten die Berliner zum dritten Mal verloren, dieses Mal gegen eine Mannschaft, der lange der Rhythmus fehlte, Griffigkeit und Präzision. Die Chance, ins Halbfinale einzuziehen, sie war zwischenzeitlich recht hoch.

„Natürlich war es ein bisschen schwierig, in dem ruhigen Stadion Fußball zu spielen, wenn man nicht genau weiß, was passiert ist. Das hat ein bisschen zu unserer Leistung gepasst in der ersten Halbzeit, die war alles andere als gut“, erklärte der langjährige Leverkusener Mittelfeldspieler Sven Bender.

„In der ersten Halbzeit war es auch still bei uns“, ergänzte sein Trainer Peter Bosz und lobte die Berliner für ihre unbequeme Spielweise, die trotz fünf personeller Änderungen wie gewohnt praktiziert wurde. „Union hat das sehr gut gemacht, sie sind aggressiv angelaufen“, fand Bosz.

Nach dem Platzverweis läuft kaum noch etwas für Union

Dass in dieser Saison überzeugende Spieler wie Torjäger Sebastian Andersson, Kapitän Christopher Trimmel oder der zentrale Mittelfeldspieler Christian Gentner nur auf der Bank Platz nahmen, war der Elf kaum anzumerken. Trainer Urs Fischer bemerkte, dass er ohnehin keine zweite Reihe habe, sondern nur eine. Taktisch hatte er sowieso alles beim Bewährten belassen, die Defensive hielt, vorn traf Marcus Ingvartsen per Kopf, der seit der Ankunft von Yunus Malli nur noch ein hinterer Erste-Reihe-Spieler ist.

Aber Ingvartsen und Co. waren willig, sie stellten Leverkusen vor schwere Aufgaben. Bis zur 70. Minute lief alles nach Plan, doch nach dem Platzverweis für Christopher Lenz kaum mehr etwas. Das Duell kippte schlagartig. Und nach drei Toren, die Unions Torwart Rafal Gikiewicz hinterher als „viel zu einfach“ ansah, verpasste Union schließlich die erste Halbfinal-Teilnahme nach 2001. Die Ursachenforschung betrieben die Spieler noch im Kabinentrakt, Fischers Personal ging dabei wenig zimperlich vor.

Wendepunkt: Christopher Lenz (Mitte) muss vom Platz.
Wendepunkt: Christopher Lenz (Mitte) muss vom Platz.

© Sascha Schuermann/AFP

Gikiewicz kritisierte seine Vorderleute energisch. „Das kann ich nicht akzeptieren“, sagte er,  „wenn du einfach stehst und nicht springst.“ Gemeint war das 2:1 für die Gastgeber durch den kleinen Charles Aranguiz, der sich nach einem Eckball gegen Trimmel und Friedrich durchgesetzt hatte. „Ich kann Rafa verstehen“, sagte Friedrich zur Kritik seines ehrgeizigen Torhüters.

Die Leverkusener sind zu schnell für Union

Allein an Lenz’ Platzverweis lag es also kaum, dass in den letzten 20 Minuten nur noch Bayer aufdrehen konnte. „Bis zur Gelb-Roten Karte hat Leverkusen nix“, sagte zwar Gikiewicz. Und Friedrich meinte: „Wir kriegen eine dumme Gelb-Rote Karte, und daraufhin fällt direkt das 1:1. Und dann war es natürlich schwer mit einem Mann weniger.“

Michael Parensen aber, wie Ingvartsen eher ein hinterer Erste-Reihe-Spieler, bemerkte bereits mit Anpfiff der zweiten Halbzeit einen Leistungsabfall. „In der ersten Halbzeit waren wir sehr, sehr gut, haben es unheimlich gut gemacht, hatten viele Umschaltmomente, waren ballsicher – und all das waren wir mit Beginn der zweiten Halbzeit nicht mehr“, sagte Parensen. Viele Bälle habe man leichtfertig verloren, „was Leverkusen dann ausgenutzt hat, mit Wucht, Schnelligkeit, Ballsicherheit. Das haben sie wirklich überragend ausgespielt.“

Aus all dem schlussfolgerte der Abwehrspieler, dass der Platzverweis vielleicht zwangsläufig habe kommen müssen. Zu schnell seien die Leverkusener für die Unioner gewesen, nicht zu packen quasi. Aber ganz so wichtig war diese Erkenntnis an diesem Pokalabend dann auch wieder nicht.

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