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Bruno Labaddia erklärt seinen Profis, wo es lang gehen soll.

© Matthias Koch/Imago

Debüt als Trainer von Hertha BSC: Welcher Fußball ist unter Labbadia zu erwarten?

Bruno Labbadia feiert an diesem Samstag sein Debüt als Trainer von Hertha BSC – was von seinem Team zu erwarten ist, lässt sich nur erahnen.

Bruno Labbadia hatte beim Blick über die Szenerie ein komisches Gefühl. Die Abstände waren ungewohnt groß. „Wie weit wir auseinander waren“, sagte er. Der neue Trainer von Hertha BSC sprach über die Zustände, die derzeit im Essenssaal von Herthas Mannschaftshotel herrschen, über die luftige Anordnung der Tische, die verhindern soll, dass sich die Spieler zu nahekommen.

Was in der Coronavirus-Pandemie das eigene Leben schützt – Abstand halten –, birgt auf dem Fußballplatz ein hohes sportliches Risiko. Insofern hat Bruno Labbadia in den vergangenen Tagen auch auf dem Trainingsgelände ein komisches Gefühl gehabt. Neun Wochen hat die Fußball-Bundesliga pausiert, und nur in der letzten dieser neun Wochen durfte Hertha normales Training in voller Mannschaftsstärke und mit Zweikämpfen absolvieren. Als Labbadia seine Spieler am vergangenen Samstag im leeren Olympiastadion zu einem internen Trainingsspiel bat, stellte er bei ihnen „ein komplett anderes Raumgefühl“ fest.

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„Wir hätten uns erhofft, dass wir mindestens eine Woche länger Zeit haben“, sagt Herthas neuer Trainer. Labbadia ist mitten in der Coronapause ins Amt gekommen, an diesem Samstag (15.30 Uhr, live bei Sky) feiert er im Auswärtsspiel bei der TSG Hoffenheim sein Debüt als Coach der Berliner.

Nach mehr als zwei Monaten Zwangspause erlebt die Bundesliga an diesem Wochenende so etwas wie einen zweiten Saisonbeginn. Doch anders als bei einem normalen Saisonstart weiß niemand so recht, wo er steht – und das gilt für Hertha BSC durch den Trainerwechsel vielleicht noch ein bisschen mehr als für alle anderen 17 Klubs. Wie „ein Blindflug“ sei das, sagt Labbadia. Es gab keine Testspiele, bei denen er etwas ausprobieren konnte und keine Möglichkeit, sich einzuspielen.

Andererseits kann auch die TSG Hoffenheim allenfalls erahnen, was auf sie zukommen wird, wie Labbadias erste Startelf aussehen wird. Sicher ist immerhin, dass Karim Rekik verletzt ausfällt und Vladimir Darida wegen der fünften Gelben Karte gesperrt ist.

Labbadia scheint auf ein 4-3-3 zu setzen

Natürlich weiß man halbwegs, wie eine Labbadia-Mannschaft spielt. Viel Power brauchten seine Spieler, hat Herthas neuer Trainer bei seiner Vorstellung vor knapp fünf Wochen gesagt. Seine Teams sollen agieren, nicht reagieren. „Ich liebe es, den Ball häufiger zu haben als der Gegner“, sagt Labbadia. Aber ein Doktrinär ist er nicht. Nicht mehr.

Der Bruno Labbadia mit inzwischen 54 ist ein anderer als der Labbadia mit Anfang 40, der zu Beginn seiner Trainerkarriere eine klare Vorstellung vom Spiel und Stil seiner Elf hatte – und sie auch gegen sämtliche Widerstände durchgedrückte. Oder es zumindest versucht hat. Heute sagt er: „Es geht nicht darum, was wir unbedingt wollen, sondern darum: Was kann die Mannschaft jetzt leisten?“

Das betrifft auch die Frage nach dem richtigen System. Labbadia hat keine Lieblingsformation, an der er festhält, koste es, was es wolle. Er passt sich den Gegebenheiten an. Beim VfL Wolfsburg startete er vorige Saison mit einem 4-3-3. Als ihm aber mit Wout Weghorst und Daniel Ginczek zwei kantige Stoßstürmer zur Verfügung standen, stellte er auf 4-4-2 um. Nach Ginczeks Verletzung wiederum wechselte Labbadia zurück zum 4-3-3, mit Weghorst als idealem Zielspieler, der vor allem mit Flanken bedient werden sollte.

„Das ist ein System, das wir sehr gern gespielt haben“, sagt Labbadia über das 4-3-3. Es ist auch eins, das in der aktuellen Situation für Hertha in Frage kommt. Aber er sei da nicht festgezurrt, sagt Labbadia. Herthas Mittelstürmer Krzysztof Piatek zum Beispiel ist ein anderer Typ als Weghorst, und mit Matheus Cunha in der Zentrale sähe es noch mal anders aus.

Cunha war vor der Pause die prägende Figur in Herthas Spiel, nicht nur wegen seiner fußballerischen Qualität, sondern auch mit dem ungezügelten Eifer, mit dem er den gesamten Platz vermessen hat. Der Brasilianer war das freie Radikal, das sich am liebsten im Zehnerraum hinter der Spitze bewegt hat. Im 4-3-3 einen adäquaten Platz für ihn zu finden ist durchaus eine Herausforderung.

„Matheus ist ein sehr vielseitiger Spieler, der im 4-3-3 alle drei offensiven Positionen spielen kann“, sagt Labbadia. „Er versprüht viel Energie. Das ist für unser Spiel wichtig.“ Wichtiger womöglich als eine fixe Position in einer taktischen Formation. „Systeme sind nicht entscheidend“, findet Herthas Trainer. „Viel entscheidender ist die Art und Weise, wie wir Fußball spielen wollen. Und die soll unabhängig vom System immer gleich sein.“

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Aktiv und aggressiv will Labbadia seine Mannschaft sehen; ihre eigenen Stärken soll sie ausspielen und sich nicht zu sehr nach dem Gegner richten. Es gibt aus der vergangenen Saison eine interessante Statistik, die diesen Anspruch widerspiegelt. Mit dem VfL Wolfsburg gewann Labbadia auswärts genauso oft wie zu Hause (je acht Mal). In der Fremde holte die Mannschaft nur drei Punkte weniger als im eigenen Stadion.

Labbadia sagt, er habe seiner neuen Mannschaft viel Input gegeben, wie sie spielen solle. Es gab verstärkt Videoschulungen – aber eben auch nur fünf Trainingseinheiten, in denen die Theorie praktisch eingeübt werden konnte. „Bei aller Liebe“, sagt Bruno Labbadia. „Ich maße mir nicht an zu sagen: Wir haben schon alles drin, was wir wollen.“

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