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Mittendrin. Davie Selke spielt bei Hertha in dieser Saison noch nicht die Rolle, die im vorschwebt. Auf sozialen Medien aber ist er innerhalb seines Teams bestens vernetzt.

© REUTERS

Das Instagram-Derby: Hertha BSC oder Union - Wer ist besser vernetzt?

Wer die Instagram-Accounts von Hertha- und Union-Spielern vergleicht, findet Erstaunliches. Eine Analyse.

Das wichtigste soziale Netzwerk für Fußballspieler ist Instagram. Mehr als 90 Prozent der deutschen Bundesliga-Fußballer haben ein eigenes Profil auf der Plattform. Dort posten sie Bilder aus der Kabine, folgen ihren Lieblingsmusikern und kommunizieren mit Fans und anderen Spielern – öffentlich. Während Vereinsvertreter versuchen, die Spieler immer stärker von der Öffentlichkeit abzuschirmen, bietet Instagram die Möglichkeit für einen tieferen Einblick in die glitzernde Fußballwelt.

Davon sind Jakob Fuchs, 28, und Clemens Kommerell, 24, überzeugt. Sie studieren an der Universität der Künste Berlin und haben für ihr Forschungsprojekt Instaball die Instagram-Profile von fast 500 Bundesligafußballern ausgewertet. Likes, Kommentare und Bilder bilden ihre riesige Datenbank. So können sie Hinweise darauf geben, welche Musik in den Kabinen läuft oder wie sehr sich die Spieler für politische Informationen interessieren – aber auch darauf, welchen sozialen Stellenwert ein Spieler innerhalb der Mannschaft hat.

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Vor dem Derby haben die Studenten in Kooperation mit dem Tagesspiegel die Instagram-Profile der Spieler vom 1. FC Union und Hertha BSC analysiert. Wer hat die meisten Follower in Berlin? Wer hat welche Interessen? Welcher Verein ist cooler? Natürlich bietet auch Instagram nur einen verkürzten Ausschnitt der Realität der Fußballspieler – und doch können wir einen Blick ins Innenleben der Berliner Teams präsentieren, der sonst verschlossen bliebe.

Herr Fuchs, Herr Kommerell, wer ist cooler: Hertha BSC oder der 1. FC Union?

FUCHS: Union.

KOMMERELL: Union.

Und das können Sie anhand der Daten erkennen, die Sie aus Instagram-Accounts ermitteln?

KOMMERELL: Da nehmen sich beide Vereine relativ wenig. Natürlich haben die Hertha-Spieler etwas mehr Follower, sie bekommen im Schnitt das Dreifache an Likes. Aber nicht das Dreifache an Kommentaren. Der größte Unterschied ist, dass die Union-Spieler weniger aktiv sind. 

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Man sieht also, wer die etabliertere Marke ist.

FUCHS: Man sieht zumindest, dass die Accounts bei Hertha polierter sind. Da wird viel zugeliefert, unter anderem von Fotografen, die zum Beispiel Fotos in der Kabine machen und den Spielern für ihre Posts zur Verfügung stellen. Bei Union hat man das Gefühl, dass die Spieler persönlicher unterwegs sind. Das ist alles noch ein bisschen dilettantischer, dadurch aber auch authentischer.

Warum analysieren Sie nur Instagram und nicht auch andere soziale Medien?

FUCHS: Facebook kann man völlig vergessen. Das sind einfach Fanseiten, auf denen die Spieler jedes halbe Jahr mal Dinge posten wie: „Hab mich verletzt. #GetBackStronger.“ Bei Instagram interagieren die Spieler auch untereinander, sie kommentieren gegenseitig. Das ist viel spannender. Deshalb haben wir uns darauf spezialisiert.

Welche Rolle spielt Instagram für Fußballer?

KOMMERELL: Eine relativ große. Leute, die im Umfeld der Vereine unterwegs sind, haben uns erzählt, dass es zwei Arten gibt. Zum einen den Spieler, der von sich aus viel auf Instagram unterwegs ist, der gerne zeigt, was er macht. Die Spieler hängen auch im Bus ganz viel auf Instagram. Und es gibt die, bei denen der Berater sagt: Es wäre ganz gut, wenn du mal wieder was postest. Das sind aber wohl tatsächlich weniger, obwohl mittlerweile Instagram auch für die Vermarktung eine gewisse Relevanz hat.

FUCHS: Für die Spieler ist Instagram das einzige wirklich relevante Netzwerk. Facebook ist eine andere Generation und Twitter zu kompliziert.

KOMMERELL: Instagram ist super einfach zu bedienen und braucht nicht viel Zeit. Es ist nicht textlastig und passt auch in den Rhythmus der Spieler. Ich poste ein Foto vom Spiel und kann dadurch persönlich zu meinen Fans kommunizieren. So etwas wie der Kommentar zu seiner Ausbootung aus der Nationalmannschaft lief bei Thomas Müller als Erstes bei Instagram. Er hält sich kurz das Handy vors Gesicht und spricht eine Minute dreißig zu seinen Fans.

Ist der Anteil der Spieler bei Instagram in allen Bundesligisten etwa gleich groß?

KOMMERELL: Im Schnitt sind es um die 90 Prozent des Kaders, bei Dortmund und Bayern sogar 100. Am geringsten ist die Quote bei Werder Bremen und beim 1. FC Köln. Da liegt sie nur bei rund 72 Prozent. Bremen und Köln sind schon zwei Ärgernisse für uns.

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Gibt es eine Erklärung dafür?

FUCHS: Es hängt natürlich davon ab, wie stark die Spieler untereinander agieren. Wenn ein neuer Spieler in eine Mannschaft kommt, in der bereits viel über Instagram interagiert wird, gibt es eine Gruppendynamik, der er sich kaum entziehen kann. Der andere Punkt ist: Als Spieler bei Bayern oder Dortmund bist du generell sehr professionell unterwegs. Dann hast du vermutlich einen Berater, der dir sagt: „Hey, diesen Kanal musst du auch noch bespielen.“

Haben Sie bei Ihren Analysen große Überraschungen entdeckt?

FUCHS: Es gab lauter kleine Dinge, bei denen wir gestaunt haben wie kleine Jungs beim Auspacken der Weihnachtsgeschenke.

KOMMERELL: Bei den bevorzugen Marken der Spieler gab es einige, die wir jetzt nicht so auf dem Schirm hatten. Hidden Champions sozusagen.

Nämlich?

KOMMERELL: Friseure und Tattoo-Studios. Die haben zumindest auf Instagram eine große Relevanz. Im Ruhrgebiet gibt es einen Friseur, dem folgt die Hälfte der Spieler. Die gehen da alle ein uns aus. Selbst Julian Draxler und Thilo Kehrer fliegen gefühlt einmal pro Monat aus Paris ein, nur um sich im Ruhrgebiet die Haare frisch machen zu lassen. Insgesamt zeichnen die Spieler bei Instagram ein Bild von sich, das unserem intuitiven Bild sehr gut entspricht. Das war schon überraschend: das Auto, der Friseur, das Tattoo…

FUCHS: Spannend ist, dass sich rund um die Spieler ein richtiges Ökosystem entwickelt hat. Es besteht aus kleinen Firmen oder Ein-Mann-Unternehmen wie Friseuren oder Ernährungsberatern, die wirklich davon zu leben scheinen, dass ein Spieler zu ihnen kommt, ein Foto macht und das dann markiert wird. Ein anderer Spieler, der auch die Idee hat, Veganer zu werden, geht dann vermutlich zum selben Ernährungsberater. Oder ein Spieler mietet eine Luxusvilla auf Mallorca, und alle anderen machen es ihm nach. Das ist wahnsinnig faszinierend, weil das etwas Parasitäres hat.

Gibt es sonst irgendwelche Auffälligkeiten? Dass Fußballer zum Beispiel auf einen bestimmten Autor stehen?

KOMMERELL: Wenn man Instagram glaubt, lesen die gar nicht und gucken auch keine Nachrichten. Politik und journalistische Inhalte sind überhaupt nicht präsent. Der Tageschau folgen von 490 Spielern, die bei Instagram sind, gerade mal sechs. Bei politischen Inhalten ist es ähnlich. Merkel und Obama sind die einzigen Politiker, die auf sechs oder sieben Follower kommen. Das war’s. Es ist erschreckend. Wenn man die Schnittmenge an Accounts aus unserer studentischen Subkultur mit der Spielerblase ermitteln würde, wäre die verschwindend gering.

FUCHS: Wenn du uns zeigst, wem du folgst, können wir dir sagen, wer du bist. Das Konsumverhalten der Fußballer ist das eines Aufsteigers. Ihr durch Instagram dargestelltes Leben ist nicht unauthentisch. Sich darüber lustig zu machen ist müßig, denn es ist vor allem eins: erwartbar.

Wem folgen die Spieler?

KOMMERELL: Ronaldo. Alle folgen Ronaldo. Viel mehr als Messi.

FUCHS: Wobei ich behaupten würde, dass Ronaldos Instagram-Auftritt auch spannender ist als der von Messi.

Und abseits des Fußballs?

KOMMERELL: Vor allem Unterhaltungsangeboten: Meme-Seiten, Comedy-Seiten.

Sticht niemand aus dieser homogenen Masse hervor?

FUCHS: Hervorstechen kann man nicht sagen. Joshua Kimmich noch am ehesten. Der folgt sogar der Wochenzeitung „Die Zeit“, Terra X und überhaupt vergleichsweise vielen journalistischen Inhalten. Wobei ich mir auch vorstellen könnte, dass ihm irgendein Manager das als gute Idee empfohlen hat. Gerade weil alles so homogen ist, sagen wir ja: Es ist eine vergebene Chance, dass sich bisher kein Spieler komplett anders inszeniert.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, solche Daten zu ermitteln?

FUCHS: Wir sind beide Fußballnerds, Datennerds und auf Instagram unterwegs. Das Projekt war für uns eine Möglichkeit, das Angenehme mit dem Angenehmen zu verbinden. Zumal wir festgestellt haben, dass es ein toter Winkel im Daten- und Sportjournalismus ist, wie die Spieler untereinander interagieren.

KOMMERELL: Wir machen vor allem Netzwerkanalysen. Anhand dessen, was man auf Instagram lesen kann, versuchen wir zu ermitteln, wie zum Beispiel die soziale Struktur innerhalb einer Mannschaft aussieht. Da gibt es diverse Optionen. Man kann gucken: Wer folgt wem? Wo bestehen gegenseitige Verbindungen? Wie häufig vertaggen sich Spieler gegenseitig? Oder wie groß ist die Schnittmenge an Dritt-Accounts zwischen zwei Spielern

FUCHS: Man sieht bei solchen Netzwerken, dass die Kapitäne tendenziell eher in der Mitte sind, während sich neue Spieler, Jugendspieler oder Spieler mit einer Sprachbarriere eher am Rand wiederfinden. Daraus kann man tatsächlich ablesen, was sich mit konventionellen journalistischen Mitteln höchstens erahnen lässt: Wer ist wie gut in ein Team integriert? Das kann uns Hinweise liefern, warum zum Beispiel der Vertrag mit einem Spieler verlängert wird, der auf dem Platz nicht mehr die große Rolle spielt. Dann heißt es oft, dass er abseits des Platzes wichtig ist. In den Netzwerken findet sich das recht zuverlässig wieder.

KOMMERELL: Oder umgekehrt. In der vergangenen Saison gab es beim VfB Stuttgart einen Spieler, dem innerhalb weniger Tage drei Mitspieler entfolgt sind.

Kommerell (links) und Jakob Fuchs studieren Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste. Instaball haben sie für ein Uni-Projekt entwickelt.
Kommerell (links) und Jakob Fuchs studieren Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste. Instaball haben sie für ein Uni-Projekt entwickelt.

© Doris Spiekermann-Klaas

Wen denn?

KOMMERELL: Sag ich nicht.

Die Information, wo sich ein Spieler innerhalb der sozialen Struktur einer Mannschaft befindet, könnte für Vereine durchaus interessant sein. Zum Beispiel als zusätzlicher Mosaikstein bei der Verpflichtung eines neuen Spielers.

KOMMERELL: Für einen Manager kann das als Tool durchaus hilfreich sein. Oder für den Berater eines Spielers, der sich überlegt: Mit welchen Stärken könnten wir bei Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung argumentieren?

FUCHS: Trotzdem wäre es grob fahrlässig, diese ganzen Instagram-Daten nicht mit anderen Daten zu verknüpfen, mit Echt-Welt-Daten. Bei Fußballern bietet sich das geradezu an: weil es die mit am besten quantifizierten Menschen sind.

Wie meinen Sie das?

FUCHS: Uns stört extrem, dass immer wieder der Marktwert von Transfermarkt.de zitiert wird. Dieser Marktwert ist einfach unseriös, wenn man sich ein bisschen damit beschäftigt, wie er entsteht. Da diskutieren die User einer Community untereinander, wie viel ein Spieler wert sein könnte, und zwei Mal im Jahr hält ein Redakteur von Transfermarkt seinen Finger in die Mitte und legt fest: Das ist der Marktwert. Wir haben überlegt, ob man diesen Wert nicht auch vollständig datengetrieben ermitteln kann. Wir lesen ganz viele Koeffizienten und Statistiken aus und erzielen dadurch intuitiv ziemlich gute Ergebnisse, die wir aber noch ein bisschen erhärten müssen, damit wir uns damit an die Öffentlichkeit trauen.

KOMMERELL: Wir haben drei Komponenten: den sportlichen Wert, den Vermarktungswert und den Sozialwert. Insgesamt fließen 30 Variablen ein, bis hin zur Bewertung des Spielers beim Computerspiel Fifa. Der soziale Wert ist vor allem instagrambasiert.

FUCHS: Das ist unser USP, unser Alleinstellungsmerkmal. Ich kenne kein anderes Modell, das diesen sozialen Status eines Spielers auch nur im Geringsten abbildet.

Denken Sie auch darüber nach, das Projekt professionell zu betreiben?

FUCHS: Momentan haben wir keine Monetarisierungsstrategie. Aber wir sehen tatsächlich einige Ansätze. Wir sind zum Beispiel für einen Journalistenpreis nominiert worden. Bis dahin war uns gar nicht bewusst, dass das, was wir machen, irgendwie auch Journalismus ist. Wir haben auch schon mit Leuten gesprochen, die mit Spielerberatungsagenturen zu tun haben und uns gesagt haben, dass das hilfreich sein könnte. Viele Spieler haben zwar Medienschulungen durchlaufen, sind dafür aber erstaunlich dilettantisch unterwegs. Es würde uns auf jeden Fall reizen, bei dem einen oder anderen Spieler ein Coachingexperiment zu machen, und ihm dadurch dabei zu helfen, sich ein bisschen anders darzustellen.

Inwiefern?

FUCHS: Man findet immer wieder das Gleiche: den Spieler mit seiner Frau vorm Weihnachtsbaum, am Pool auf Ibiza, mit Sonnenbrille am Strand oder vor dem Sportwagen. Man sieht also den neureichen, materialistischen jungen Mann. Angenommen du bringst einen Spieler dazu, auch mal ein Bild zu posten, das ihn mit Buch in der Bibliothek zeigt, ist er wahrscheinlich nach drei Monaten in fünf Talkshows gewesen. So etwas fänden wir spannend.

KOMMERELL: Über die Verbindungen zu Drittaccounts können wir ganz gut herausfinden, welcher Spieler in welchem Segment unterwegs ist. Wir haben zum Beispiel geschaut, wer die meisten Hunde-Emojis postet. Das ist Dominique Heinz vom SC Freiburg. Ein Hundefutterhersteller, der für sein Produkt ein Testimonial braucht, könnte also auf die Idee kommen, Dominique Heintz zu nehmen, weil der offenbar eine Verbindung zu diesem Thema hat.

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