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Jubel und Freudentränen über den Erfolg der Kanutin Ricarda Funk, die Gold holte.

© REUTERS

Dabei sein ist alles: Die Olympischen Spiele sind besser als ihr Ruf

Es gibt gute Gründe, Olympia zu kritisieren. Aber die Bilder der Wettkämpfe sind einmalig und dafür sind vor allem die Sportler verantwortlich. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jörg Leopold

Olympische Spiele – sind das nicht diese überdimensionierten und unfassbar teuren Sportveranstaltungen mit gedopten Athleten, bei denen es korrupten Funktionären nur darum geht, möglichst viel Geld in die eigene Tasche zu wirtschaften, und die eigentlich niemand mehr will?

In Tokio gehen an diesem Sonntag die 32. Olympischen Sommerspiele zu Ende – mit einer großen Schlussfeier, aber ohne Zuschauer. So wie das Publikum bei fast allen Wettkämpfen coronabedingt ausgesperrt war. Olympia wurde in erster Linie für das Fernsehen durchgeführt.

War es eine gute Idee, Olympia in Zeiten einer Pandemie durchzuziehen? Aus epidemiologischer Sicht vermutlich nicht – auch wenn die Ergebnisse dafür noch nicht vorliegen und das Internationale Olympische Komitee nicht müde wird zu betonen, dass die Spiele keinen Einfluss auf die rapide gestiegenen Corona-Infektionen in Tokio hätten.

Jeder macht sich seine Welt, wie sie ihm gefällt. Dazu gehören auch politische Regime, die den Sport in erster Linie als Prestigeobjekt betrachten. Katar beispielsweise rekrutiert nicht erst seit diesen Spielen Sportler aus dem Ausland, um sich mit den Erfolgen weltweites Ansehen zu verschaffen. Belarus ließ in Tokio eine Athletin zunächst nicht starten und versuchte sie dann zu zwingen, in ihre Heimat zurückzukehren, weil sie sich kritisch über die Sportfunktionäre ihres Landes geäußert hatte.

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Und dann ist da auch noch China, die neben den USA alles überragende Nation im Medaillenspiegel. Erfolg im Sport ist in der Volksrepublik eine nationale Aufgabe, und diese wird noch gewichtiger, da Peking im kommenden Jahr die Winterspiele ausrichtet. Sport ist Politik und Politik ist Sport.

Freudentränen und Momente der Enttäuschung

Und natürlich gehören zu Olympischen Spielen auch die Skandale. Die Bilder der Fünfkämpferin Annika Schleu, die verzweifelt auf ihr bockendes Pferd einschlug und dabei noch von ihrer Trainerin angefeuert wurde, werden genauso in schlechter Erinnerung bleiben wie die Klagen von positiv auf Covid-19 getestete Sportlern über gefängnisartige Zustände in den Quarantäne-Hotels von Tokio. Für den Gipfel der Geschmacklosigkeit sorgte ein deutscher Radfunktionär, der Athleten aus Nordafrika als „Kameltreiber“ bezeichnete. Er musste abreisen.

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All das ließe sich zu Recht gegen die Spiele vorbringen, und doch ist Olympia besser als sein Ruf. Dafür sind in erster Linie die Sportler verantwortlich. Auch in Tokio waren sie wieder vielfach zu sehen, diese besonderen Bilder, die es derart geballt nur bei Olympischen Spielen gibt.

Freudentränen über große Erfolge wie jenen der Kanutin Ricarda Funk, die im Moment ihres Gold-Triumphes auch ihre vom Hochwasser geplagte Heimatregion nicht vergaß. Oder die bittere Enttäuschung von Zehnkämpfer Niklas Kaul, der sich trotz einer Fußverletzung zunächst noch weiterquälen wollte, ehe die Schmerzen zu stark wurden und sein olympischer Traum platzte.

Teil der Faszination Olympia

Fünf Jahre haben viele Athleten in die Vorbereitung investiert, manche wollten ihre Karriere bereits 2020 beenden, als Olympia eigentlich schon hätte stattfinden sollen. Sie mussten sich neu motivieren und in Pandemie-Zeiten unter erschwerten Bedingungen noch einmal hart trainieren, um sich der Welt ein letztes Mal präsentieren zu können.

„Das Wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht, zu gewinnen, sondern daran teilzunehmen“, hatte Olympia-Neugründer Pierre de Coubertin einst gesagt. Grob verkürzt wurde daraus: „Dabei sein ist alles.“ Tatsächlich wusste die große Mehrheit der 11 000 Sportler, die in Tokio antraten, dass es für eine Medaille nicht reichen würde. Und doch durften sie sich als Teil des Ganzen begreifen. Als Teil der Faszination Olympia, die es trotz allem immer noch gibt.

Oder wie es Martin Wolfram, der deutsche Wasserspringer, nach seinem siebten Platz vom Drei-Meter-Brett erklärte: „Ich kann voller Stolz sagen, dass ich auch ohne Olympiamedaille ein Olympiagewinner bin. Das lasse ich mir von niemandem nehmen.“

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