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Schiedsrichter Damir Skomina musste am Sonntagabend allerlei Handzeichen machen.

© AFP

Confed-Cup in Russland: Der Videobeweis könnte Probleme mit sich bringen

Beim Confed-Cup zeigt sich zwischen Chile und Kamerun, dass es mit der Gerechtigkeit dank Videobeweis auch haarig werden kann.

Die Geste eines Schiedsrichters hat vielleicht das Zeug zum Kult beim Confed-Cup. Der Slowene Damir Skomina machte sie während des Spiels Chile gegen Kamerun am Sonntagabend gleich mehrfach. Viele der Zuschauer ahmten sie nach, auf den Tribünen, noch auf der Heimfahrt in der Metro. Sie geht so: Die Hände liegen nebeneinander, etwa auf Augenhöhe, beide Zeigefinger berühren sich längs, man führt sie waagerecht weit auseinander, dann beide tief senkrecht nach unten, und wieder zusammen. Ein großes Rechteck, das Zeichen für den Videobeweis.

Nicht alle Zuschauer wussten die Handzeichen sofort einzuordnen, aber es sprach sich rum, dass es um das neue technische Hilfsmittel geht, das beim Confed-Cup erstmals bei den Männern zum Einsatz kommt. Auf dass der Fußball gerechter werde!

Und am Sonntag konnte man sehen, dass er das Spiel verändern wird. Am Nachmittag wurde ein Tor des Portugiesen Pepe gegen Mexiko aberkannt. Sehr vorteilhaft die Sache mit dem Video, wird sich mancher Fußballfan da vielleicht noch gedacht haben. Nach dem Abendspiel war man sich nicht mehr so sicher. Da wurde gleich zweimal Video geschaut. Erst wurde ein Tor des Chilenen Eduardo Vargas nachträglich wegen Abseits aberkannt. Dann lief es andersrum: Vargas traf erneut, das Schiedsrichterteam auf dem Platz erkannte zunächst auf Abseits, doch dann kam wieder Skominas Rechteck – und diesmal Tor, also doch.

Rhythmus und Intensität des Spiels könnten abnehmen

Wie haarig das mit der Gerechtigkeit werden kann, konnten viele Millionen Videoschiedsrichter sehen, die an ihren Fernsehbildschirmen saßen. In beiden Szenen ging es jeweils um Millimeter. Man hätte eigentlich jeweils auch genau andersrum entscheiden können. Wie das so ist im Fußball, gerade beim Abseits, man ist manchmal auch nach sieben Zeitlupen nicht viel schlauer.

Die Partie ließ aber auch erahnen, wie die neue juristische Entscheidungsfindung dem Spiel Rhythmus und Intensität nehmen dürfte. Beide Male dauerte es länger als eine Minute, bis alle wussten, was Sache ist. Nach dem ersten vermeintlichen Tor feierten die Chilenen ihr Erfolgserlebnis in einer Art Sitzkreis an der Eckfahne. Erst als sie längst wieder zurück in ihrer Hälfte waren, erfuhren sie: Pustekuchen! In der zweiten Szene ärgerten sie sich zunächst. Dass sie ein Tor erzielt hatten, erfuhren sie erst, als Skomina zum Anstoßpunkt zeigte. Da fiel der Jubel etwas gedämpfter aus. Die Befürworter der Regel hatten anderes versprochen, es war von fünfzehn Sekunden die Rede. Clément Turpin aus Frankreich, der Video-Assistent des Spiels, die Weltregie sozusagen, wird angesichts der knappen Szenen ins Schwitzen gekommen sein.

In einem Spiel, in dem es um mehr geht, hätte das alles auf die Stimmung schlagen können. Doch in der Otkrytije Arena, der neuen Heimstätte Spartak Moskaus, ging es locker und heiter zu. Da konnte der 25 Meter große Spartakus, der Held, der die Sklaven zum Aufstand gegen das Römische Weltreich führte, noch so streng auf die Besucher schauen. Die russischen Fußballfans waren neugierig auf Chile und Kamerun.

Die Diskussionen auf dem Feld nahmen zu

Weil die Chilenen offensiver waren als die Kameruner, verdienten sie sich die Sympathien der neutralen Einheimischen. Bei der Einwechslung von Alexis Sanchez jubelte das ganze Stadion, wie auch auch beim Siegtor des Münchners Arturo Vidal. Im Stadion waren die Chilenen schon vor dem Spiel nicht zu überhören. An die offizielle Hymne hängten sie, die russische Kapelle hatte längst zu spielen aufgehört, einfach eine Strophe dran. Klares Signal: Fans und Mannschaft aus Chile, der nächste deutsche Gegner, nehmen das Turnier ernst.

Als den Chilenen das Führungstor aberkannt wurde, war südamerikanische Wut in Moskau spürbar, ein bisschen chilenischer Minderwertigkeitskomplex: Immer sind alle gegen uns! Da konnte man auch erleben, dass der Videobeweis nicht, wie behauptet, unbedingt weniger Diskussionen auf dem Feld zur Folge haben wird. Vidal, die alte Giftspritze, beschwerte sich heftig. Da halfen dem Slowenen Skomina seine Rechtecke wenig, die immer größer wurden und mit denen er anzeigte: Ich war es doch gar nicht!

Nach dem Spiel trafen Gruppen chilenischer und russischer Fans, je fünf bis acht etwa, aufeinander. Wie unterschiedlich rein physiolo- und -gnomisch unsere Spezies sein kann, erkannte man schon an der Differenz der Schulterbreite. Sie blieben stehen, schauten sich an. Picture please, Handshake, Daumen hoch, Ghettofaust, Schulterklopfer, universelle Gesten unter Fußballfans. Es war nur ein Moment, aber die Andeutung, dass auch dieses Turnier und erst recht die Weltmeisterschaft im nächsten Jahr, Feste der kleinen schönen Begegnungen sein können. Auch wenn die Schiedsrichter öfter das große Rechteck zeigen werden.

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