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Claire Williams, 39, ist seit 2013 stellvertretende Teamchefin des Formel-1-Rennstalls Willams. Die Tochter von Teamchef Frank Williams ist bereits seit 1999 in der Formel 1 engagiert, 2002 schloss sie sich dem Team von Williams an. Foto: Imago/LAT

© imago/LAT Photographic

Claire Williams über das Frauenbild in der Formel 1: „Motorsport ist keine reine Männerwelt“

Die stellvertretende Teamchefin Claire Williams im Tagesspiegel-Interview über das "Macho-Geschäft" Motorsport sowie über Gridgirls und Gridboys.

Von Christian Hönicke

Frau Williams, die frühere DTM-Pilotin Ellen Lohr sagte unlängst: „Motorsport ist immer noch ein Macho-Geschäft“. Hat sie Recht?
Das hängt davon ab, wie man Macho definiert. Die Formel 1 und der Motorsport generell gelten als männerdominiert, das ist die Außenwahrnehmung. Aber ich denke, dominiert ist das falsche Wort. Es arbeiten halt einfach viele Männer hier. Die Formel 1 heute ist aber ganz anders als noch vor zehn oder sogar fünf Jahren.

Inwiefern?

Es gibt inzwischen viele einflussreiche Frauen im Motorsport. Es arbeiten viele Frauen hinter den Kulissen, von denen die meisten Leute nichts wissen, weil die Kameras sie einfach selten zeigen. Wir haben Mechanikerinnen, Werkstoff-Ingenieurinnen, Aerodynamikerinnen. Acht Prozent unserer Ingenieure bei Williams sind Frauen. Das klingt wenig, aber vor vier Jahren lag der Anteil der Frauen hier bei null. Wir sind noch nicht am Ziel, es gibt noch viel zu tun, aber es wird besser. Es braucht einfach Zeit.

Fühlen Sie sich in irgendeiner Art verbunden mit den anderen Frauen in der Formel 1, wie Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn oder Ihrer Testfahrerin Susie Wolff?

Da ist schon so eine Art Band zwischen uns. Vermutlich, weil wir ähnliche Dinge erleben. Wir drei ziehen in unseren Positionen sehr viel öffentliche Aufmerksamkeit auf uns. Christian Horner von Red Bull wird nicht ständig herausgehoben, weil er ein Typ ist. Oder Toto Wolff von Mercedes. Niemand fragt sie: Wie ist das, als Typ in der Formel 1 zu arbeiten?

Reden Sie mit den Frauen in der Formel 1 über andere Dinge als mit den Männern?

Nein. Wenn ich zu Monisha gehen und mir ihr reden möchte, dann nicht, weil sie auch eine Frau in der Formel 1 ist. Ich rede mit ihr, wie ich auch mit Christian und Toto reden würde.

Sie haben die Außenwirkung angesprochen. Die WEC hat deswegen die Gridgirls abgeschafft, weil sie ein überholtes Frauenbild transportiere. Beim Rennen in Monaco setzte die Formel 1 Gridboys ein. Sollte man Gridgirls dauerhaft verbannen?

Gridgirls haben einfach eine lange Tradition im Motorsport. Ich weiß nicht, ob es nötig ist, sie zu verbannen. Warum sollte das ein überholtes Frauenbild sein? Diese Frauen werden nicht gezwungen, das zu tun, oder?

Im Formel-1-Fahrerlager sind aber auch sonst viele Frauen, deren Job es ist, vor allem gut auszusehen. Für Frauen sind diese Jobs offenbar attraktiver.

Wenn Frauen ihr Aussehen zu ihrem finanziellen Vorteil nutzen können, wer hat das Recht, ihnen das zu verbieten?

Finden Sie nicht, dass sich diese Frauen freiwillig in eine reduzierte Rolle begeben?

Nun, ich würde das nicht machen, ich habe einen anderen Karriereweg gewählt. Ich sehe eben auch nicht wie Cindy Crawford aus (lacht). Niemand würde mich bezahlen, um ein Gridgirl zu sein. Aber wenn es das ist, was sie wollen, dann sollten sie das auch tun dürfen. Es ist eine demokratische Welt.

Viele Frauen in der Wirtschaft klagen darüber, dass sie doppelt so viel leisten müssen wie Männer, um die gleiche Anerkennung zu bekommen. Empfinden Sie das in der Formel 1 inmitten all der Männer auch so?

Nein. Ich musste mich nie mit irgendeiner Art Genderdiskriminierung auseinandersetzen. Ich glaube einerseits, dass das eine psychologische Sache ist. Ich verschwende keinen Gedanken an Gender. Ich glaube, dass ich meinen Job genauso gut machen kann wie ein Mann. Ich fühle mich nicht unterlegen, weil ich eine Frau bin. Andererseits weiß ich natürlich auch, dass ich Glück hatte. Dass es in anderen Unternehmen oder Wirtschaftsbereichen anders aussieht und Frauen immer noch benachteiligt werden. Die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen sind immer noch signifikant und ein Problem.

Es dauerte dennoch lange Zeit, bis Ihr Vater überzeugt davon war, sie in eine verantwortliche Position in seinem Team zu lassen.

Aber das lag nicht daran, dass ich ein Mädchen war. Der einzige Grund, warum ich doppelt so hart arbeiten musste, ist der, dass ich Franks Tochter bin. Er wollte mich nicht in der Firma, er wollte sich nicht Vetternwirtschaft nachsagen lassen. Die Leute sollten nicht sagen: Guck mal, Frank schanzt seinen Kindern Jobs zu. Und das wäre ja auch nicht richtig. Ich musste erst beweisen, dass ich meinen Job verdiene.

Es gibt häufig zwei verschiedene Muster von Frauen in Spitzenpositionen. Die einen schauen nur auf ihren eigenen Vorteil, die anderen versuchen, eine Art Brücke für andere Frauen zu sein. Wie sehen Sie sich?

Ich finde es wichtig, ein Vorbild zu sein und auch so zu handeln, wenn man die Chance dazu hat. Ich will andere Frauen unterstützen und ermutigen, in den Motorsport zu kommen. Da habe ich eine Verantwortung. Ich gehe auch in die Schulen und Universitäten, um mit den Mädchen zu reden, und spreche auf Sponsoren- und Wirtschaftsforen darüber, eine Frau im Motorsport zu sein. Ich sage: Wenn ich das geschafft habe, kann es jede schaffen. Aber ich setze mir das nicht aktiv als Ziel: Ich muss unbedingt Frauen in die Formel 1 bringen! Am Ende interessiert es mich nicht, ob jemand ein Mann oder eine Frau ist, sondern ob er oder sie das Beste geben, um das Team voranzubringen.

Sie haben versucht, Sponsoren für Susie Wolff zu finden. Keine Frauenmarke wollte sie unterstützen, sie werben lieber weiter im klassisch weiblichen Umfeld. Offenbar gibt es kein Interesse an Rennfahrerinnen.

Viele unserer Partner finden es generell gut, dass wir Frauen in den exponierten Positionen haben und nutzen mich und Susie auch, um sich zu profilieren. Aber es gibt derzeit in der Tat keine reine Frauenmarke in der Formel 1. Am dichtesten dran ist noch unser Sponsor Unilever, eine Unisexmarke. Worum die Frauenmarken Rennfahrerinnen nicht unterstützen wollen, weiß ich auch nicht. Ich finde es aber interessant.

Weil Rennsport eben doch eine klassische Männerwelt ist?

Nein, es ist keine Männerwelt. 38 Prozent unserer Fernsehzuschauer sind weiblich. Wenn eine Frauenmarke in die Formel 1 käme, wäre das bahnbrechend. Die PR-Wirkung wäre enorm. Also, warum tut das niemand?

Womöglich haben Auto fahrende Frauen immer noch ein großes Imageproblem. Seit Sie Susie Wolff als Testfahrerin engagierten, gibt es immer die gleichen Stimmen: Sie sei nur da wegen ihres Mannes und um PR zu bringen, schnell sei sie jedenfalls nicht. Warum ist sie bei Williams?

Nur aufgrund ihrer eigenen Leistung. Wenn Sie mir nicht glauben, reden Sie mit unserem Ingenieurteam, das mit ihr arbeitet. Sie hat im Simulator mitgeholfen, das Auto zu entwickeln, dass unsere Fahrer bei jedem Grand Prix fahren. Und wenn sie nicht gut dabei wäre, glauben Sie wirklich, dass wir sie behalten würden? Wir sind ein Weltmeisterteam mit riesigen Ambitionen! Ich setze doch nicht unsere Zukunft aufs Spiel, indem ich eine Fahrerin einsetze, die nicht weiß, was sie tut. Da würden wir ziemlich dumm aussehen. Und es würde uns nicht dabei helfen, unsere Ziele zu erreichen. Für mich ist Susie wertvoller Teil unseres Teams mit einer speziellen Funktion, und sie füllt diese Funktion sehr effektiv. Ansonsten wäre sie nicht hier.

Aber sie muss offenbar doppelt so hart arbeiten, um die Öffentlichkeit zu überzeugen.

Ja (lacht). Und sie arbeitet wirklich sehr hart. Sie hat sich ein Jahrzehnt lang gegen all diese Widerstände durch ihre Karriere kämpfen müssen, und sie hat es bis in die Formel 1 geschafft. Die Leute sollten ihr dafür mehr Respekt zollen.

Das Gespräch führte Christian Hönicke

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