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Unions Christopher Trimmel (l.) beim Versuch, den Hamburger Bakery Jatta zu stoppen.

© Axel Heimken/dpa

Christopher Trimmel vom 1. FC Union: „Beim Tätowieren will ich meinen eigenen Stil entwickeln“

Vor dem Spitzenspiel gegen den HSV spricht der Kapitän über das Ziel Aufstieg, ein Jahr auf dem Bau und warum er gerne Mitspieler tätowiert.

Von

Herr Trimmel, muss man sich eigentlich Sorgen um Bernd Wiesberger machen?

Nicht, dass ich wüsste – warum?

Der Profigolfer hat achtmal in Folge die Wahl zum Sportler des Jahres im Burgenland gewonnen bis zu diesem Jahr. Da triumphierten Sie.

Ausschlaggebend war, dass er letztes Jahr eine Verletzung hatte. Deshalb hat er gegen mich verloren, aber das nimmt er mir nicht übel.

Welchen Stellenwert hat diese Auszeichnung für Sie?

Schon einen sehr großen, ich bin sehr heimatverbunden, vor allem zu meinem Bundesland. Von der Nominierung war ich überrascht, sie war schon eine Ehre für mich. In der Kategorie „Newcomer“ war ich schon mal nominiert, damals noch als ganz junger Spieler. Aber nun sogar zu gewinnen, ist schon etwas ganz Besonderes.

Sie haben bei der Wahl auch Franco Foda getroffen, Österreichs Nationaltrainer. Ging es auch um Ihre Chancen im Nationalteam, für das Sie seit 2010 nicht mehr gespielt haben?

Wir haben über viele Dinge gesprochen. Das Nationalteam war natürlich Thema. Wir hatten ein super Gespräch, ganz offen. Ich wusste ja, dass ich beobachtet werde, da ich zuletzt auf Abruf stand. Ehrlicherweise muss man sagen, dass auf meiner Position die jungen Burschen wie Salzburgs Lainer oder Lazaro von Hertha ihre Sache sehr gut machen. Wenn die fit bleiben – und das hoffe ich –, stehen die natürlich vor mir.

Das Thema Nationalteam wäre für Sie noch interessanter, wenn Sie in der Bundesliga spielen würden. Haben Sie darüber auch mit Herrn Foda gesprochen?

Nein, gar nicht. Er hat gelobt, dass Union trotz des Trainerwechsels vor der Saison vorn dabei ist. Das sei nicht selbstverständlich. Aber unabhängig davon ist die Bundesliga ein Traum von mir. Ich müsste lügen, wenn ich etwas anderes sagen würde.

Um diesen Traum zu verwirklichen, wäre ein Sieg gegen den HSV sehr hilfreich. Sie haben gesagt, das könnte nach fünf Spielen ohne Sieg genau der richtige Gegner sein, da der Druck möglicherweise geringer ist.

Es könnte zumindest im Unterbewusstsein ein Vorteil sein, dass man nun gegen Spieler antritt, die eigentlich Bundesliga-Spieler sind. Da hat man nichts zu verlieren, weil jeder erwartet, dass der andere eigentlich besser ist. Vielleicht kann man so befreiter aufspielen.

Was für einen Einfluss hat ein möglicher Aufstieg auf Ihren Vertrag, den Sie jüngst um bis zu zwei Jahre verlängert haben?

Mittlerweile sind Optionen in Verträgen ja üblich, da kann und will ich gar nicht ins Detail gehen. Aber natürlich muss man schauen, wie sich die Mannschaft entwickelt. Und der Jüngste bin ich auch nicht mehr. Nichtsdestotrotz ist mit dieser Vertragskonstellation die Möglichkeit da – wenn es von beiden Seiten passt – noch ein Jahr dranzuhängen.

Sie spielen nun schon seit fünf Jahren für Union. Sehen Sie derzeit Parallelen zu 2017, als das Team ebenfalls lange vorne dabei war und dann den Aufstieg noch verspielt hat?

Nicht wirklich. Wir haben eine andere Mannschaft, einen anderen Trainer. Aber so eine Phase, wie wir sie momentan haben, die hat jedes Team mal, auch der HSV oder Köln. Mir war immer die Art und Weise wichtig, wie wir spielen. Ehrlicherweise muss man sagen, dass da, speziell im letzten Spiel gegen Fürth, gar nichts von uns kam. Da waren wir sehr passiv, sehr gehemmt.

Weltmeisterlicher Zweikampf. Die beiden Pokalspiele mit Union gegen den BVB zählen zu Trimmels Höhepunkten.
Weltmeisterlicher Zweikampf. Die beiden Pokalspiele mit Union gegen den BVB zählen zu Trimmels Höhepunkten.

© Ina Fassbender/dpa

Nach dem enttäuschenden 1:1 in Fürth sagten Sie, es gehe auch um Mut. Wie zeigt sich das im Spiel?

Fehler können passieren, aber mutig sein heißt für mich, seinen Mitspielern eine Option zu bieten, zu signalisieren, du möchtest den Ball haben. Das haben wir in Fürth nicht gemacht. Da war jeder auf sich alleine gestellt, wenn er den Ball hatte. Und defensiv waren wir immer einen Schritt zu weit weg, haben zu viel nachgedacht.

Ihr Trainer Urs Fischer soll nach dem Spiel etwas lauter geworden sein.

Wenn dir ein Trainer einen Spielplan vorlegt, den du die ganze Woche trainierst – gut trainierst –, und man setzt davon fast gar nichts um, dann ist es klar, dass er laut wird. Es hat deshalb natürlich gekracht.

Auch der HSV hat in der Liga fünf Mal in Folge nicht gewonnen. Wie schätzen Sie den Gegner ein?

Der HSV hat grundsätzlich eine große Qualität. Und wenn sie eines ganz besonders haben, dann ist es Tempo in der Offensive. Ein Spieler wie Jatta ist eine Waffe, den kann man nur als Mannschaft verteidigen. Dazu kommt Aaron Hunt, dessen Pässe schon einzigartig sind. Und wenn die mal einen schlechten Tag haben, dann macht der Lasogga eben zwei Tore. Das Spiel wird eine riesige Herausforderung, da müssen wir noch mutiger sein, versuchen, sehr früh Druck auszuüben.

Kampfansagen sind vor so wichtigen Spielen längst verpönt. Wir geben Ihnen trotzdem die Chance, eine klare Ansage Richtung Hamburg zu machen.
So arrogant bin ich nicht. Zudem sagt man in unserer Situation besser nicht, dass wir die jetzt wegputzen.

Sie hätten ja nicht so viel zu verlieren.

Doch, das haben wir schon. Ich kann versprechen, dass wir ein anderes Gesicht als in Fürth zeigen. Wir werden uns auf jeden Fall den Arsch aufreißen. Was dabei rauskommt, wird man sehen.

Eine Prognose: Ein Sieg gegen den HSV, dann steigt Union auf. Stimmen Sie zu?

Nee, nee. Ein Sieg – gerade gegen so einen Gegner – gäbe definitiv einen Push, klar. Trotzdem bleibe ich dabei, und das muss ich jedes Jahr sagen, obwohl ich schon seit fünf Jahren hier bin: Die Liga ist total ausgeglichen.

"Da will ich meinen eigenen Stil entwickeln"

Wie die Zeit vergeht. Christopher Trimmel, der von Rapid Wien nach Berlin wechselte, vor seiner ersten Saison 2014/2015 bei Union.
Wie die Zeit vergeht. Christopher Trimmel, der von Rapid Wien nach Berlin wechselte, vor seiner ersten Saison 2014/2015 bei Union.

© Kai-Uwe Heinrich/Tsp

Sie haben sich mal als Landei bezeichnet. Nun wohnen Sie in Berlin-Mitte - reizt Sie der größtmögliche Kontrast?

Bis ich 19 Jahre alt war, habe ich auf dem Land gewohnt, in einem 700-Einwohner-Dorf. Dann bin nach Wien für sechs Jahre und war begeistert von der Stadt. Wenn ich in so einer Stadt lebe, will ich auch im Zentrum sein. Ich liebe das – rauszugehen und alles vor der Tür zu haben, viele Menschen zu treffen. Ich bin noch immer begeistert von Berlins Zentrum, gerade jetzt, wo das Wetter schöner wird. Wiener Mentalität heißt auch, sich für ein, zwei Stunden ins Kaffeehaus reinzusetzen und das schöne Wetter zu genießen, nicht nur to go.

Viele Profis beschäftigen sich auch privat ständig mit Fußball. Sie scheinen sich davon abzugrenzen.

Ich bin natürlich auch fußballbegeistert und verfolge die großen Spiele, Bundesliga, Champions League und so weiter, aber ich brauche diesen Ausgleich zu den Stresssituationen. Dazu zählt auch das Malen und Tätowieren.

Tätowieren Sie mehr oder weniger, wenn es fußballerisch schlecht läuft?

Tatsächlich habe ich seit einem Monat nichts mehr tätowiert, das ist auch körperlich anstrengend. Ansonsten tätowiere ich etwa einmal die Woche. Das darf mich ja nicht auslaugen.

Sie haben sich sogar mal an der Kunstakademie beworben. Geht's für Sie nach der Fußballkarriere noch intensiver in die Tattooszene?

Das ist schon mein Traum. Es ist deshalb aber nicht gesagt, dass es mit dem Tätowieren direkt so läuft, wie ich mir das wünsche. Bei vielen Profis ist es ja so, dass sie sehr, sehr jung Fußballer werden, für die gibt's halt dann nichts anderes. Ich habe – unabhängig vom Fußballspielen – in Österreich eine berufsbildende Schule abgeschlossen, wo wir in den fünf Jahren auch immer wieder arbeiten mussten. Über ein Jahr war ich auf dem Bau, ich weiß ganz genau, was die für ihr Geld leisten müssen. Ich war noch neun Monate beim Zivildienst, habe studiert. Ich habe schon ein bisschen mehr gesehen, das ist ein Vorteil. Ich weiß, was man machen muss, um nach der Karriere ohne Probleme sein Leben führen zu können.

Für welche Kunstrichtung haben Sie ein Faible?

Realismus. Auch beim Tätowieren will ich das umsetzen. Das ist beim Tätowieren wie beim Malen fast die schwierigste Form. Beim Portrait merkt man jeden Fehler. Beim Malen ist das nicht so schlimm, aber beim Tätowieren halt schon eher (lacht). Tätowieren ist ein komplexes Thema, jeder Mensch hat eine andere Haut, Frau, Mann, Hautfarbe. Wie sticht man? Da will ich meinen eigenen Stil entwickeln, basierend auf der Realistik.

Wie schätzen Sie sich derzeit ein?

Ich bin gerade in einer Entwicklungsphase, interessiere mich für alles, auch Tattoogeschichte. Ich habe 20, 25 Bücher der Kunstgeschichte, da arbeite ich mich gerade ein.

Haben Sie ein Vorbild?

Derjenige, der mich tätowiert hat, ist auch mein Mentor, der mir aus der Ferne Tipps gibt.

Verraten Sie uns den Namen?

Klaus Fruhmann, Künstlername HU. Der ist in der Tattoobranche gut vernetzt und hat auch mir ein paar Kontakte verschafft, gerade in Berlin. Mit solchen Leuten zu diskutieren und von ihnen zu lernen, ist mega interessant. Dann lernt man auf der Berliner Tattoo-Convention noch den bekanntesten Tätowierer aus Japan kennen, mit dem kannst du fünf Stunden quatschen. Anfang August ist die nächste Convention. Ich habe schon eine Einladung für einen Workshop mit einem bekannten Tätowierer aus den USA bekommen. Ich hoffe, das kriege ich terminlich hin. Fußball hat natürlich immer noch Vorrang.

"So, du tätowierst mich jetzt!"

Im Tattoo-Studio fühlt sich Christopher Trimmel fast so wohl wie auf dem Fußballplatz.
Im Tattoo-Studio fühlt sich Christopher Trimmel fast so wohl wie auf dem Fußballplatz.

© imago/Camera 4

Wann hatten Sie die Idee, ihren Körper nicht nur tätowieren zu lassen, sondern auch andere zu tätowieren?

Von klein auf habe ich schon immer gerne gemalt, dann kam die Idee mit der Kunstakademie in Wien – und irgendwann hat mich mein Tätowierer gefragt, ob wir nicht mal gemeinsam malen wollen. Dabei hat er dann gesehen, dass ich Talent habe, und irgendwann hat er gesagt: „So, du tätowierst mich jetzt!“

Und Sie konnten nicht mehr ablehnen.

So ungefähr. Ich habe die Maschine in die Hand genommen und dann ging's los. Er meinte dann noch, er brauche eh einen Lehrjungen, dem er seine Gabe quasi weitergeben könne - seither habe ich ihm des Öfteren über die Schulter geschaut.

Welches Motiv haben Sie ihm gestochen?

Einen kleinen Comic-Pinguin, den hat er sich aber ausgesucht.

Wie nennt man eigentlich Sie in der Branche?

Einen Spitznamen habe ich noch nicht, aber meine Rückennummer 28 ist meine Glückszahl und ich habe vor, mich mal twenty-eight-Tattoos zu nennen, oder so ähnlich.

Und Ihr Studio findet man dann in Berlin?

Das weiß ich noch nicht. Früher hieß es für mich immer, möglichst wieder zurück nach Österreich, inzwischen gefällt mir Berlin so gut, dass es mehrere Möglichkeiten gibt. Meinen Tätowierer würde es aber freuen, wenn ich nach meiner Fußballkarriere wieder in sein Studio in der Nähe von Wien komme. Und ein Jahr würde ich gerne bei ihm verbringen, um meine Technik weiter zu verbessern.

Verspüren Sie beim Tätowieren eigentlich einen ähnlichen Druck wie beim Fußball? Abrutschen kann quasi so hart bestraft werden wie ein Fehlpass.

Das stimmt. Vor allem aber ist es das zweite Mal so, dass ich mein Hobby zum Beruf gemacht habe. Klar, Talent gehört immer dazu, aber ich war nie in einer Fußball-Akademie, bin spät Profi geworden und war in der zweiten Mannschaft von Rapid Wien mit Abstand der technisch schlechteste Spieler. Trotzdem habe ich es irgendwie geschafft. Und das war halt Disziplin, harte Arbeit und einfach fokussiert sein, Schritt für Schritt gehen.

Haben Sie eigentlich schon einen Teamkollegen tätowiert?

Als erstes habe ich vor ein paar Jahren Bajram Nebihi tätowiert. Unser Masseur war schon bei mir, Fabian Schönheim vor einem Monat auch. Marcel Hartel will sich was auf dem Oberschenkel machen lassen, aber erst nach der Saison, um kein Risiko einzugehen.

Bereuen Sie irgendeines Ihrer Tattoos?

Nein. Ich habe ein Tribal am Fuß, da mussten meine Eltern noch unterschreiben, weil ich zu jung war. Unabhängig davon, dass das damals Mode war und ich es auch nicht hässlich finde, verbinde ich es mit einer guten Zeit und nicht mit einer Jugendsünde.

Viele Stellen sind an Ihrem Körper nicht mehr frei. Haben Sie schon Angst vor dem Moment, wenn kein Platz mehr für neue Tattoos ist?
Ach, das ist schon in Ordnung. Am Oberkörper sind nur noch die Bauchmuskeln frei, aber auch da habe ich schon eine Idee. Mir gefallen auch Tattoos am Hals extrem gut, das mache ich allerdings erst, wenn ich weiß, ich bin jetzt bis zur Pension Tätowierer.

Angenommen Union steigt auf: gibt es dann ein neues Motiv auf Ihrer Haut?
Das hat damit nichts zu tun. Bei mir ist es so, dass ich zu meinem Tätowierer gehe und ihm freie Hand lasse. Er ist der Künstler und ich will seine Kunst auf meiner Haut haben. Das ist für mich wie mit einem schönen Bild eines sehr guten Malers, das ich mir in die Wohnung hänge.

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