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Die aktiven Fans des früheren Bundesligisten begehren auf.

© Imago

Checkpoint-Kommentar zu Tennis Borussia: Die Demokratie wird zermalmt

Bei einem Berliner Traditionsverein eskaliert der Konflikt zwischen Fans und Investor. „Der Verein wurde heute beerdigt“, sagt ein Langzeitfan. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ann-Kathrin Hipp

Debatten sind das Salz der Demokratie. Das gilt im Großen, wie im Kleinen. Für Deutschland, wie für den Fußball-Oberligisten Tennis Borussia. Beim Berliner Traditionsverein wurde jetzt allerdings jegliches Salz aus der Suppe genommen – und die Demokratie zermalmt. Formal handelte es sich bei der Mitgliederversammlung gestern Abend, die auf Wunsch des Vorstands ohne Öffentlichkeit stattfand, um eine ordentliche Mitgliederversammlung.

De facto war es eine außerordentliche Mitgliederversammlung, die auf Initiative der Abteilung Aktive Fans erzwungen wurde, und sich um die Frage drehte: Wem gehört die Borussia? Dem Vorstand mit Geldgeber Jens Redlich an der Spitze, dem ein autokratischer Führungsstil vorgeworfen wird? Oder den Fans?

Zehn Kandidaten traten für fünf Aufsichtsratsplätze an, die (zusätzlich zu den zwei bis dato verbliebenen Aufsichtsratsmitgliedern) nachbesetzt werden sollten. Fünf „Demokratie ist wichtig“ vs. fünf „Geld ist Macht“. Mitglieder kamen zur Versammlung etwa doppelt so viele wie sonst. „Viele unbekannte Gesichter, viele Bulgaren, die meinten, dass ihr Boss sie geschickt habe“, sagt Mitglied und Langzeitfan Denis Roters.

Ausgezählt waren die Stimmen kurz nach Mitternacht. Von knapp 570 gingen rund zwei Drittel an alle fünf Redlich-Kandidaten (das waren praktischerweise übrigens auch die ersten Fünf auf der Liste). „Der Verein wurde heute beerdigt“, sagt Roters. „Das war die traurigste Veranstaltung, die ich je erlebt habe“, sagt Philip Meinhold, ebenfalls Mitglied (und er hat bereits zwei Insolvenzen, den Abstieg von der zweiten in die sechste Liga und einige zwielichtige Investoren erlebt).

Gesellschaftspolitische Lehrstunde in einem Oberligaverein in Berlin. Wirkt klein und wirkt doch auch im Großen.

In einer früheren Version dieses Artikels stand: "Auf Nachfrage (Anm. der Redaktion: zu den Bulgaren) habe Redlich gekontert: Man müsse eben auf Akquise gehen, wenn man den Verein vergrößern wolle." Denis Roters zufolge soll sich Jens Redlich in einem persönlichen Gespräch mit ihm entsprechend geäußert haben. "Ich habe mich noch einmal bei einem dritten Zeugen, der dem Gespräch zugehört hatte, versichert. Die Aussage hat er genau so getätigt und im Nachgang auch noch die ja nun zu erwartenden höheren Mitgliedsbeitragseinnahmen positiv hervorgehoben." Tennis Borussia widerspricht dem und hat den Tagesspiegel aufgefordert den Passus zu streichen. Redlich habe diese Aussage zu keinem Zeitpunkt getroffen.

Diesen Kommentar haben wir dem heutigen "Checkpoint" entnommen. Den morgendlichen Newsletter vom Team um Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt können Sie hier kostenlos bestellen: checkpoint.tagesspiegel.de.

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