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Thomas Hitzlsperger steht in der Gunst der Fans derzeit weit unten.

© imago images/Martin Hoffmann

Chaos beim VfB Stuttgart: Perfide Planspiele mit Thomas Hitzlsperger

Thomas Hitzlsperger wurde einst von den Fans des VfB Stuttgart geliebt. Das könnte nun vorbei sein. Weil er feudale Strukturen errichten will. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Martin Einsiedler

Man sollte meinen, dass der ehemalige Fußballer Thomas Hitzlsperger ein Gefühl für die Macht der Fans entwickelt hat. Viele Jahre lang bekam er sie bei seinen Stationen in der Premier League oder der Bundesliga zu spüren. Doch vielleicht hat der Vorstandsvorsitzende des VfB Stuttgart dieses Gefühl in der Coronavirus-Pandemie, in der der Profibetrieb vor leeren Rängen sein Dasein fristet, verloren.

Hitzlsperger hat es jedenfalls geschafft, viele Anhänger des schwäbischen Traditionsklubs gegen sich aufzubringen. Am Mittwoch gab er in einem öffentlichen Brief seine Kandidatur als VfB-Präsident bekannt und diskreditierte Amtsinhaber Vogt in einer Art, die sonst eher aus sinistren Kreisen aus der Politik bekannt sind. Dieser sei indiskret, profilierungssüchtig und bedrohe die Existenz eines ganzen Vereins.

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Daher will nun Hitzlsperger selbst Präsident werden – neben seinem Job als Vorstandsvorsitzender. Der 38-Jährige spricht in dem Brief von Corporate Governance und arbeitet gleichsam an feudalen Strukturen beim VfB. Claus Vogt reagierte umgehend und bezichtigte Hitzlsperger der Unwahrheit. Er will sich weiterhin der Wahl zum Präsidenten am 18. März stellen.

In dem Streit geht es um einen ungeheuerlichen Datenskandal. Informationen von 35.000 VfB-Mitgliedern sollen im Frühjahr 2016 an eine Agentur weitergeleitet worden sein, mit dem Ziel, die Ausgliederung der Profisparte vom Verein voranzutreiben. 2017 stimmten dann auch fast 85 Prozent der Mitglieder dafür.

Ist Hitzlsperger eine Marionette mächtiger Kräfte?

Präsident Claus Vogt gilt als jemand, der sich sehr stark für die Anliegen der Fans einsetzt. Das wollte er auch dieses Mal tun. Hitzlsperger behauptet nun, dass Vogt in der Aufarbeitung schwere Verfahrensfehler begangen habe. Beweise dafür liefert er nicht.

Vielmehr macht sich bei vielen Sympathisanten des Klubs die Sorge breit, dass Hitzlsperger die Aufklärung der Affäre behindern könnte. Merkwürdig ist in jedem Fall, dass eine mutmaßlich zentrale Figur des Skandals, der frühere Medienchef Oliver Schraft, immer noch die Rückendeckung von Hitzlsperger erfährt.

Für einige Anhänger ist der Fall klar: Hitzlsperger ist eine Marionette mächtiger Kräfte des Vereins, in der auch der Autobauer Daimler eine gewichtige Rolle spielt. Das Perfide aus ihrer Sicht: Hitzlsperger ist eine Klublegende, gewann mit dem VfB 2007 die Meisterschaft. Unvergessen ist sein Traumtor am letzten Spieltag der Saison gegen Cottbus.

Außerdem gilt er als progressiv, offen. Er ist bis heute der einzige Profifußballer in Deutschland, der sich nach seiner Karriere zu seiner Homosexualität bekannte. In den Medien wurde und wird er gefeiert. Mit so einem Mann, so die Befürchtung der Fans, lassen sich Dinge durchboxen, die sonst nicht möglich wären. Zum Beispiel die Machtübernahme der ausgegliederten Fußballabteilung über den Gesamtverein, der immer wieder unbequeme Fragen stellt?

Insofern ist der Fall VfB Stuttgart auch interessant für den gesamten Bundesligabetrieb. Es geht mal wieder im Kern darum, wem der Fußball gehört: den Fans oder der Wirtschaft? Sollte Thomas Hitzlsperger am 18. März Präsident des VfB Stuttgart werden, wäre dies ein weiteres Zeichen für die Entfremdung des Bundesligafußballs von der Basis.

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