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Das Achtelfinale gegen Valencia fand ohne Zuschauer statt.

© AFP

Champions-League-Sieg macht Hoffnung: „Bergamo, das ist für dich - niemals aufgeben“

Atalanta Bergamo feiert den größten Erfolg der Vereinsgeschichte. Die Spieler machen ihrer Region Mut, sie mit am stärksten vom Coronavirus betroffen.

Es ist eine beliebte Geste von Fußballern, beim Jubel mehr oder weniger wichtige Botschaften zu verbreiten. Mal wird in schwarzer Handschrift auf weißem T-Shirt der Mutter zum Geburtstag gratuliert, der Dank an höhere Mächte ausgedrückt oder eigene Errungenschaften zelebriert. Meist schwanken diese Aktionen zwischen Selbstdarstellung und Gefühlsduselei.

Hin und wieder gibt es jedoch Ausnahmen – so wie am Dienstagabend beim beeindruckenden 4:3-Erfolg von Atalanta Bergamo gegen den FC Valencia im Achtelfinale der Champions League. „Bergamo, è per te. Mola mia“ – Bergamo, das ist für dich. Niemals aufgeben – war in dem lokalen Dialekt auf einem T-Shirt zu lesen, was die Mannschaft beim gemeinsamen Jubel in die Kamera hielt. Und wenn es jemals einen angemessenen Anlass für solch eine Aufmunterung gegeben hat, dann jetzt.

Ambivalente Stimmung

Bergamo liegt etwa 50 Kilometer nordöstlich von Mailand in der Lombardei und ist eine der am stärksten vom Coronavirus betroffenen Gegenden Italiens. Allein in der Provinz Bergamo waren – Stand Dienstag – bei einer Bevölkerung von knapp über einer Million mehr als 1500 Menschen infiziert und damit mehr als in ganz Deutschland.

Die Krankenhäuser arbeiten seit Tagen über dem Limit, das Leben in der Stadt ist nahezu zum Erliegen gekommen. Die italienische Liga ist wie der gesamte Sport im Land bis mindestens 3. April unterbrochen, doch das gilt nicht für internationale Wettbewerbe.
Deshalb musste Atalanta trotz einer gemeinsamen Beschwerde der italienischen und spanischen Spielergewerkschaften im leeren Estadio Mestalla von Valencia antreten und setzte sich nach dem 4:1 im Hinspiel auch in Spanien mit 4:3 durch.

Der Slowene Josip Ilicic erzielte alle vier Treffer. Das Erreichen des Viertelfinales ist der größte Erfolg der Vereinsgeschichte – bei Mannschaft und Fans herrschte aber verständlicherweise eine ambivalente Stimmung. „Für uns ist das etwas wirklich Außergewöhnliches“, sagte Manager Luca Percassi und betonte auch die Bedeutung für die Region. „Es ist ein schwieriger Moment und diese Jungs lassen uns Augenblicke der Unbeschwertheit erleben, sie geben uns Hoffnung.“

Ein Etat so hoch wie das jährliche Salär von Ronaldo

Doch auch abgesehen vom momentanen Ausnahmezustand ist Atalanta die mit Abstand positivste Nachricht im italienischen Sport. Auch wenn Juve-Präsident Andrea Agnelli, als Chef der europäischen Klubvereinigung ECA einer der mächtigsten Funktionäre im kontinentalen Fußball, kürzlich die Daseinsberechtigung des Überraschungsteams in der Champions League mehr oder weniger direkt in Frage gestellt hat, sind die Lombarden in jeder Hinsicht eine Bereicherung.

Mit einem Gehaltsetat, der in etwa so hoch ist wie das jährliche Salär von Cristiano Ronaldo, hat Atalanta in der Serie A 20 Treffer mehr geschossen als Serienmeister Juventus Turin. In Europas Topligen hat einzig der FC Bayern eine bessere Torquote als die Schwarz-Blauen. Durch gutes Scouting findet und entwickelt der Klub immer wieder Spieler wie den deutschen Außenverteidiger Robin Gosens, die zuvor kein anderer Verein dieses Niveaus auf dem Zettel hatte.

Der Erfolg in der Champions League zahlt sich für Atalanta natürlich auch finanziell aus. Gerade in der aktuellen Situation helfen die Prämien der Uefa, die Ungewissheit und die großen Einnahmeausfälle durch die Unterbrechung der Liga aufzufangen. Ob die Serie A überhaupt fortgesetzt wird, ist alles andere als sicher. Daran wollen momentan aber weder Spieler noch Fans denken, denn bei all den Sorgen des Alltags relativiert sich die Bedeutung des Fußballs von ganz allein.

Die Anhänger von Atalanta zeigten schon vor dem Rückspiel in Valencia die richtige Reaktion. Anstatt sich über den Zuschauerausschluss zu beschweren, spendeten sie den Betrag, den sie eigentlich für die Tickets bezahlt hätten. So kamen 60.000 Euro für ein örtliches Krankenhaus zusammen.

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